Es gibt kaum eine TV-Sendung, bei der Regisseur Volker Weicker noch nicht über die Bilder entschied. Kurz vor Weihnachten sprachen wir mit dem Live-Regisseur von u. a. «DSDS» oder «Wetten, dass..?», bei der seine Crew-Motivations-Mail zuletzt für Schlagzeilen sorgte…
Volker Weicker, Sie führten vergangenes Wochenende wieder Regie bei «Wetten, dass..?». Wie fällt Ihre 2013-Bilanz aus? Gibt es da Bilder, die Sie im Nachhinein lieber nicht gesendet hätten?
Zur Person: Volker Weicker
«Wetten, dass…?», «DSDS», «Das Supertalent», «Die Ultimative Chartshow», «Let´s Dance», «5 gegen Jauch», «Stern TV», «Markus Lanz», Polittalk „«Günther Jauch», «Kanzler-Duell», RTL-Jahresrückblick «Menschen, Bilder, Emotionen» oder «30 Jahre RTL» Anfang 2014 – es gibt kaum eine deutsche TV-Sendung, bei der Volker Weicker noch nicht Regie führte. Dafür gab es u. a. mehrfach den „Deutschen Fernsehpreis“ oder die „Goldenen Kamera“ sowie den „Grimme-Preis“.Fernsehen ist ein People-Business und damit immer nur so gut, wie das Team an diesem Tag drauf ist. Da ist es dann mal so, dass ich an dem einen Tag vielleicht nicht die richtige Tagesform hatte und an einem anderen Tag vielleicht jemand anderes nicht. Man kann da natürlich immer einzelne Punkte rausgreifen. Aber das ist Geschmackssache. Die Art und Weise der Beurteilung von Fernsehen hat mittlerweile eine Geschwindigkeit erreicht, wo man sagen muss, da kommt man eigentlich gar nicht mehr zu, etwas zu Ende zu denken. Denn während man das macht, wird das schon bewertet.
Wie sehr ärgerte Sie passend dazu die Veröffentlichung Ihrer Mitarbeiter-Mail? Ihr Wortspiel-Zitat „Fuck you Quote“ machte ja Schlagzeilen…
Ich habe auf keinen Fall gewollt, dass das in die Öffentlichkeit gelangt. Denn dafür war das ja nicht gedacht. Wenn ich der Meinung bin, ich möchte mich an die
Bild-Zeitung wenden, dann mache ich das, weil ich das möchte. In diesem Fall hat irgendjemand das weitergeleitet, was nicht in Ordnung ist. Mir war das nicht recht. Mich hat in diesem Fall aber gewundert, welche Form von Diskussion das ins Rollen gebracht hat.
Trotzdem bin ich nicht damit einverstanden gewesen, dass es da zu lesen war. Ich habe mich schon gefragt: Was kannst Du da jetzt eigentlich zukünftig noch schreiben? Bleibt das dann nur noch so ein Gefasel mit „Danke“ und „Toll war´s“ oder darf man da auch weiter so einen flapsigen Spruch machen? Ich möchte mir da nicht die Art und Weise verbieten lassen - von wem auch immer.
Dennoch bleiben Sie bei Ihrer Meinung – trotz großer, öffentlicher Debatte?
Natürlich stehe ich dazu. Ich sehe aber tatsächlich, dass man von den Medien durch solche Schlagzeilen in die Enge getrieben wird. Wenn ich zum Beispiel nach der Sendung jemanden treffe, sagt der mir, das und das hat ihm gefallen. Wenn ich den 14 Tage später wieder treffe, sagt der aber: Oh, da hattet Ihr jetzt aber wohl Schwierigkeiten! Und ich sage: Wieso? Wir haben doch gar keine neue Sendung gemacht? Ja, aber man liest so viel darüber! Das ist die Wirkung der veröffentlichen Meinung.
Was sagen Sie zu den Rassismus-Vorwürfen, die es nach der Jim Knopf-Stadtwette gab?
Die Frage, die ich mir da stelle ist, ob die Leute sonst Nichts zu tun haben? Denn das ist absurd und absolut lächerlich für mich! Selbst der Bürgermeister und seine Frau haben da mitgemacht. Sie war selbst als Jim Knopf verkleidet. Ich kann da keine Schwierigkeit entdecken. Letztlich hätten wir sonst auch nicht im Hotel „Drei Mohren“ wohnen dürfen – das heißt tatsächlich noch so. Also das ist alles albern. (Anm. d. Red.: „Mohr“ = Ursprung im Mittelalter als Bezeichnung für Menschen mit dunkler Hautfarbe)
Wie erklären Sie sich, dass so viel über das deutsche Fernsehen geschimpft wird? Immerhin bietet Deutschland doch eine große Medienvielfalt…
Ja, aber nach wie vor ist es immer noch so, dass mehr Formate von Deutschland gekauft werden als umgekehrt. Das liegt an unserer Sprache. Wir produzieren für einen Markt, der hundert Millionen Menschen groß ist. Wenn Engländer oder Amerikaner produzieren, produzieren die gleich für den Weltmarkt. Auch eine BBC-Dokumentation beispielsweise ist gleich mit viel mehr Budget ausgestattet als eine deutsche Dokumentation. Die produzieren natürlich immer für den Weltmarkt zum Weiterverkauf. So ist das auch im Musikgeschäft. Wir haben einen sehr guten inländischen Musikmarkt mit tollen, deutschsprachigen Künstlern, die mehrheitlich in den Charts vertreten sind. Aber eben nur im deutschsprachigen Raum. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in der Lage wären, ein eigenständiges und selbst entwickeltes Fernsehen zu produzieren. Das gibt es leider viel zu selten. Aber da der Kostendruck überall größer wird, ist ein ausprobiertes und gesendetes Format aus dem Ausland argumentativ immer besser an den Sender zu bringen als der Versuch, mit eigenem Geld etwas Neues auszuprobieren.
Ob «Wetten, dass..?», «Das Supertalent» oder «Deutschland sucht den Superstar» – Sie sind überall als Regisseur tätig. Im Schnitt verlieren die Staffeln immer mehr Zuschauer. Sehen Sie ein Verfallsdatum der Formate?
Der Punkt ist doch relativ simpel: Wenn ich Ihnen vor Jahren gesagt hätte, das Genre Quiz wird wieder eine riesen Nummer, dann hätten alle einem den Vogel gezeigt. Dann kam «Wer wird Millionär?», auch ein Format aus dem Ausland. Das hat das Segment Quiz extrem befeuert. Wir hatten Phasen, wo wir in Deutschland nachmittags Talkshows und Gerichtshows en masse hatten. Mittlerweile haben wir da Scripted-Reality. Von daher sind solche Dinge immer irgendwelchen Moden unterworfen und es gibt natürlich immer Verfallsdaten. Aber zyklisch werden die alle wieder kommen. Das gilt auch für die Diskussionen um Talente bei «DSDS» oder «The Voice».
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Ich weiß, dass «DSDS» zum Beispiel mittlerweile der Blueprint für die anderen Formate auf der Welt ist und nicht umgekehrt. Das, was wir da machen, ist daher optisch und innovativ weit vorne.
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Volker Weicker über «DSDS»
Die Formate sind sehr gut gemacht. Ich weiß, dass «DSDS» zum Beispiel mittlerweile der Blueprint für die anderen Formate auf der Welt ist und nicht umgekehrt. Das, was wir da machen, ist daher optisch und innovativ weit vorne. Wenn man an einem eingekauften Format noch etwas positiv verändern kann und das auch wahrgenommen wird, freut einen das natürlich. Im Ausland gibt es diese Castingformate auch, auch dort werden die Quoten schwächer und auch dort werden nicht ständig Stars geboren. Natürlich gibt es da mal einen. Aber letztlich hat nicht jeder, der da auf dem Treppchen steht, auch später eine große Karriere als Musiker vor sich.
Kritiken sind teilweise subjektiv, Quoten sind allerdings messbar. Wie wichtig ist diese Währung im Fernsehen?
Machen wir uns nichts vor: Natürlich ist die Quote wichtig. Aber ich vergleiche das immer gerne mit einem Restaurant: Ein gut-bürgerliches Restaurant hat auf der Speisekarte erst mal alles stehen und sicher geht das Schnitzel mit Pommes-Frites und Roulade am häufigsten raus. Aber da stehen auch Krabben und Champagner auf der Karte. Die brauchen die nicht jeden Tag, aber die stehen auf der Karte. Wenn Sie in das Restaurant reingehen und sehen auf der Karte nur noch Wiener Schnitzel, dann gehen Sie da nicht mehr hin – selbst, wenn Sie meistens Wiener Schnitzel bestellen würden. Aber Sie erwarten eine große Karte in jedem Restaurant und wollen diese Auswahl. So sehe ich das auch beim Fernsehen: Wenn man sich bei allem, was man macht, sofort danach richtet, wie die Wirkung oder die vermeintliche Wirkung ist, dann kann das nicht zum Erfolg führen. Das ist wie bei einem Fußballer, der nur auf das Tor schießt, wenn er sicher ist, dass er trifft. Wenn der so vorgeht, trifft der wahrscheinlich nie. Die meisten Bälle gehen daneben. Aber letztlich wird das Spiel als Ganzes bewertet und das fehlt mir bei der derzeitigen Beurteilung etwas. Denn da werden ein, zwei Kleinigkeiten speziell rausgepickt, die dann groß hervorgehoben werden, sodass das Gesamtbild fehlt. So, wie jetzt auch bei Jim Knopf und den Rassismus-Vorwürfen. Wie lächerlich ist das denn?
Letzte Woche kam es zum Show-Duell «Wetten, dass..?» gegen «Das Supertalent». Die Zuschauer mussten sich wie Sie entscheiden, welche Sendung sie live verfolgen. Sie sind bei beiden Formaten Regisseur. Wie ist es, wenn Sie wissen, dass Sie in diesem Moment quasi auch gegen Ihre RTL-Kollegen senden?
Naja, ich bin freier Mitarbeiter – wie auch alle Kameraleute, Bildmischer, Technikanbieter oder Studiobetreiber, die auch für alle Sender arbeiten. Selbst der Bühnenbildner Florian Wieder hat für beide Sendungen die Bühnen gemacht. Das ist eben so in diesem Geschäft, dass man teilweise sogar gegen sein eigenes Format antritt. Es gab schon Tage, an denen zeitgleich zwei Sendungen im Fernsehen liefen, die ich beide gemacht habe. Wenn ich eingekauft werde, ist es meine Aufgabe für dieses Produkt das Beste rauszuholen. Ich bin in dem Moment dem Produzenten oder Sender gegenüber loyal, für den ich arbeite. Aber ich versuche schon solche Überschneidungen zu vermeiden. Also ich würde jetzt nicht für einen anderen Sender eine zweite «Wetten, dass..?»-Sendung machen oder ein zweites Castingformat für einen anderen Sender als RTL. Aber das ist eben so als freier Mitarbeiter.
Wie bewusst ist Ihnen während der Live-Sendung Ihre „Macht der Bilder“?
Wenn Sie anfangen darüber nachzudenken, können Sie nicht mehr arbeiten. Wenn Sie während des Schreibens eines Artikels darüber nachdenken, wie viele Leute den lesen, werden Sie keinen guten Artikel machen. Genauso ist es beim Fernsehen bei mir. Es spielt für mich keine Rolle, wie viele Leute da zugucken. Ich mache immer das Beste, was ich an dem Tag kann. Das wird auch immer so sein.
Sie sind nicht nur Regisseur bei Unterhaltung- oder Talk-Sendungen, sondern auch bei Sport-Übertragungen. Auch da gibt es Kritiker, die beispielsweise die Super-Slowmotion überstrapaziert sehen…
Auch das ist eine Geschmackssache und es gibt da keine allgemein gültigen Kriterien. Auch bei solchen Kritiken ziehe ich gerne einen schönen Vergleich: Wenn Sie den ganzen Tag in einer Einkaufsstraße auf und ab gehen, werden Sie nie auf jemanden treffen, der genau dasselbe an hat wie Sie.
Schöner Vergleich. Wie schön war denn die erneute Zusammenarbeit mit Michelle Hunziker? Der Posten der Co-Moderatorin bei «Wetten, dass..?» scheint ja noch offen?
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Ich habe sie als unheimliche Bereicherung für die Sendung empfunden. Es gibt ganz wenige solche Sonnenscheine im deutschen Fernsehen. Wenn sie bei den Proben die Tür reinkommt, dann ist das ein großer Gewinn.
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Volker Weicker über Michelle Hunziker
Ob sie oder jemand anderes Co-Moderatorin wird oder ob es überhaupt eine Co-Moderation geben wird, habe nicht ich zu entscheiden. Ich habe sie als unheimliche Bereicherung für die Sendung empfunden. Es gibt ganz wenige solche Sonnenscheine im deutschen Fernsehen. Wenn sie bei den Proben die Tür reinkommt, dann ist das ein großer Gewinn. Das muss man schon sagen.
Zum Abschluss: Weihnachten steht vor der Tür. Wie verbringen Sie das Fest? Vor dem Fernseher…?
(lacht) Ich verbringe Weihnachten mit der Familie im Süden.
Vielen Dank für das Gespräch und frohe Weihnachten, Volker Weicker.