Am 5. Januar kehrt in Sat.1 eine Kuppelshow zurück, die es trotz reichlich Kritik schafft sich wacker im Programm des Privatsenders zu halten.
Aktuelle "Liebes-Shows" bei Sat.1
«Schwer verliebt» (seit Juli 2011)
«Liebes-Alarm!» (seit November 2011)
«Land sucht Liebe» (seit Juni 2012)
«Auf Brautschau im Ausland» (seit Juni 2012)
«Tierisch verliebt» (seit Januar 2013)
Bei den Privatsendern haben Kuppelshows mittlerweile eine recht lange Tradition vorzuweisen. Langfristigen Erfolg haben dabei bis jetzt nur die RTL-Formate «Bauer sucht Frau» und «Schwiegertochter gesucht». Dabei versuchte Sat.1 stets nachzulegen, um auch eine Show an den Start zu bringen, die sich langfristig etablieren kann. Auf der Suche nach Liebe und Partnerschaft sind bei Sat.1 immer noch die Kandidaten von «Land sucht Liebe», «Auf Brautschau im Ausland» oder «Liebes-Alarm!». Alle Shows wussten in ihren neuesten Staffeln nicht zu überzeugen, wodurch die Hoffnungen von Sat.1 vor allem auf einer anderen Sendung liegen.
Auf die bisher meisten Episoden bei Sat.1 in Sachen Liebessuche kommt nämlich «Schwer verliebt», ein Format, bei dem sich Sat.1 wohl dachte: „Je extremer, desto gefragter!“ Wo RTLs «Schwiegertochter gesucht» sich schon an die Grenzen der Moral wagt, überschreitet sie «Schwer verliebt» sogar. Das Format macht es sich offiziell zur Aufgabe übergewichtige Partnersuchende zu verkuppeln, führt diese bei ihren Avancen aber regelrecht vor, so hieß es von vielen Seiten der Journaille kurz nach dem Start des Formats 2011 - am 5. Januar 2014 kehrt die Show nun wieder auf die Bildschirme zurück.
Die Kandidaten müssen dabei nicht einmal alle stark übergewichtig sein und sind meist ganz normale Menschen, wie man sie in jeder Stadt auf den Straßen treffen würde. Nur verfügen sie in den meisten Fällen nicht über eine Rhetorik, die es schafft ein großes Publikum zu unterhalten oder sie sind von den Kameras schlicht eingeschüchtert. Um trotzdem noch Quote aus dem Material zu machen, drückt Sat.1 den Teilnehmern jeweils einen Stempel auf, wie man es schon von «Bauer sucht Frau» kennt. Beschreibungen der Kandidaten wie „der einsame Kirchgänger mit Schnappatmung“ reichen von absurd bis demütigend.
Dass die Teilnehmer frei bestimmen können, was diese in den einzelnen Szenen machen, ist schwer vorzustellen. Ständig bedient sich die Sendung am Hunger der Kandidaten als Stilmittel und stellt sie regelmäßig als schlemmende Freaks zur Schau. Für Wut einiger Zuschauer und Medienkritiker sorgte dabei vor allem der scheinheilige Ansatz man wolle den Teilnehmer mit der Sendung zum Glück verhelfen, obwohl die Liebessuchenden bei jeder Gelegenheit vorgeführt werden.
Das ZDF-Magazin «Frontal 21» informierte bereits kurz nach dem Start der Sendung über die Masche der «Schwer verliebt»-Verantwortlichen. Sat.1 betonte zwar bei jeder Gelegenheit die Teilnehmer würden zu nichts gezwungen, «Frontal 21» lag aber ein Drehbuch der Sat.1-Show vor, das diese Aussagen als falsch entlarvte. Ein Kandidat, der die Intentionen Sat.1‘ erkannte, stieg noch rechtzeitig aus der Show aus und wandte sich an die Presse, wo er offenbarte, dass das Skript vorsah er solle halb nackt im Badezimmer gefilmt werden und den Frauen Komplimente machen, wobei seine Texte noch allzu sehr auf Peinlichkeit getrimmt waren. Das Produktionsteam setze die Kandidaten dabei stets unter Druck.
Die ersten zwei Staffeln präsentierte als Moderatorin noch Britt Hagedorn (Foto). Am 4. März 2013 traute sie sich, schon nach reichlich Kritik an «Schwer verliebt», in die Debütfolge der rebellischen ZDFneo-Talkshow «Roche & Böhmermann», wo sich Jan Böhmermann vor laufenden Kameras nicht zu schade war sie mit den vermeintlichen Machenschaften von «Schwer verliebt» zu konfrontieren. In «Schwer verliebt» zögen die Medienschaffenden „Menschen am Rande der geistigen Behinderung“ vor die Kameras, die nicht für sich selbst vernünftige Entscheidungen treffen könnten. Ganz im Kanon von Sat.1, die stets den aufrichtigen Ansatz von «Schwer verliebt» beteuern, zeigte sich Hagedorn schockiert über die vermeintlichen Beleidigungen von Böhmermann gegenüber den Kandidaten und führte den vom Zusammenschluss der privaten Sender angewendeten „Code of Conduct“ als Gegenargument an. Dieser sähe vor, dass Menschen am Rande der geistigen Behinderung, die nicht in der Lage seien selbstreflektierende Entscheidungen zu treffen, nicht vor die Kamera gezogen werden dürfen. Auf die Frage von Charlotte Roche, wie das denn getestet würde, entlarvte Britt ihre Show selbst: „Es wird schlicht und ergreifend geguckt, ob die Leute ganz normal mit dir reden können“, was wohl kaum zu einem stichhaltigen Urteil über die Psyche der Kandidaten führt. Zwar sollen den Teilnehmern hier keine geistigen Einschränkungen unterstellt werden, allerdings fällt die Sorglosigkeit, die Sat.1 mit diesem ‚Test‘ an den Tag zu legen scheint, einmal mehr sehr negativ auf.
Interessanterweise verabschiedete sich Hagedorn nach der zweiten Staffel der Sendung auf eigenen Wunsch von der Produktion. Stattdessen begleitet der Volksmusiker Maxi Arland die Kuppel-Show ab dem 5. Januar immer sonntags auf dem angestammten Sendeplatz um 19 Uhr. Trotz aller Kritik hatte «Schwer verliebt» zuletzt noch immer hohe Quoten vorzuweisen. In Staffel eins standen im Mittel noch außergewöhnlich gute zwölf Prozent in der Zielgruppe zu Buche und auch die durchschnittlichen 10,7 Prozent von Staffel zwei sorgten für Zufriedenheit in Unterföhring. Während «Schwer verliebt» also bei einigen Zuschauern noch ziemlich beliebt ist, ist es für viele andere vor allem eines: Schwer anzuschauen.
05.01.2014 11:17 Uhr
• Timo Nöthling
Kurz-URL: qmde.de/68246