Die Kritiker: «Der Tatortreiniger: Angehörige»

«Tatortreiniger» Schotty ist zurück und sorgt beim NDR wieder für anspruchsvolle, kurzweilige Unterhaltung.

Inhalt

«Tatortreiniger»-Auszeichnungen

  • Adolf-Grimme-Preis für "Beste Unterhaltung" (2012 & 2013)
  • Nominierung für den Bayerischen Fernsehpreis in der Kategorie "Bester Schauspieler" (Serien und Reihen) (2012)
  • Nominierung für den Deutschen Comedypreis als Beste Comedyserie (2013)
  • Deutscher Comedypreis für den besten Hauptdarsteller und die beste Comedyserie (2012)
  • Nominierung für den Deutschen Fernsehpreis für den besten Hauptdarsteller und als beste Serie (2012)
Es handelt sich um eine Auswahl.
Eigentlich sollte es endlich wieder ein ruhiger, harmloser Arbeitstag für den Tatortreiniger Heiko „Schotty“ Schotte werden. Kein sozialer Brennpunkt erwartet ihn, kein Schauplatz eines grausigen Mordes, sondern schlicht die Beseitigung der letzten Spuren eines Unfalls: Schotty soll die geräumige, chice Wohnung eines Zauberers aufräumen, der durch ein tragisches Missgeschick seinen Kopf an einer Stufenkante aufschlug und daraufhin verstarb.

Doch bald muss Schotty erkennen, dass ihm sehr wohl einige turbulente Stunden erwarten: Fanny Fee, der schwule beste Freund und ehemalige Geliebte des Verstorbenen, treibt sich munter in der Wohnung herum und weigert sich partout, sie zu verlassen, weshalb Schotty seine Arbeit nicht erledigen kann. Wie sich herausstellt, will Fanny die Leiche seines Freundes entführen, damit er eine „schwule“ Gedenkfeier erhält, statt von seiner rigiden Witwe unzeremoniell bestattet zu werden. Schotty will dies aber nicht zulassen, weshalb ein absurdes Hin und Her zwischen ihm und Fanny entsteht …

Darsteller
Bjarne Mädel («Stromberg» als Heiko Schotte
Florian Lukas («Good Bye, Lenin!») als Fanny Fee

Kritik
Endlich ist sie wieder mit frischen Folgen im TV zu sehen: Die von Arne Feldhusen erdachte und inszenierte, von einer sich hinter dem Pseudonym „Mizzi Meyer“ verbergenden Theaterautorin verfasste Comedyserie «Der Tatortreiniger». Der NDR, der von Anhängern der stillen, durchdachten Komik nicht genug gehuldigt werden kann, weil er in Zeiten des lauten, anspruchslosen Fernsehens auf solch ein andersartiges Konzept setzt, strahlt vom 7. bis zum 9. Januar täglich um 22.30 Uhr neue Episoden der mehrfach preisgekrönten Serie aus. „Neu“ ist jedoch in diesem Fall ein durchaus dehnbarer Begriff, da die am 7. und 8. Januar anstehenden Folgen Teil der zweiten Staffel sind und bereits auf DVD veröffentlicht wurden. Einzig die am 9. Januar auf dem Programmplan stehende Episode „Fleischfresser“ stammt aus der Ende 2013 produzierten, dritten Staffel und stellt eine wirkliche Premiere dar. Diese Ausstrahlungspolitik ist nicht nur verwirrend, sondern auch frustrierend, weshalb der NDR trotz seines Einsatzes für mehr Feinsinn in der deutschen Comedy-Landschaft wieder einmal auch einiges an Kritik ernten dürfte.

Doch genug von der verschachtelten Programmgestaltung des NDR, hin zum Inhalt. Dieser ist, insofern wird der NDR dem Format mit seiner zwiegespaltenen Sendepolitik durchaus gerecht, einfach und vielschichtig zugleich. Die kammerspielartige Handlung ist leicht zusammengefasst: Schotty will die Wohnung eines Verstorbenen reinigen, wird von einem Freund des Toten aber daran gehindert. Es gibt keine Subplots und keinen komplexen roten Faden, der diese Episode mit anderen Folgen der Serie verbindet und so «Tatortreiniger»-Neulinge überfordern könnte. Die Reduktion des Plots erlaubt es Feldhusen, Mizzy und den Darstellern aber, umso mehr Tiefe in Sachen Atmosphäre und Charakterzeichnung zu bieten.

Star dieser Episode ist dank seiner sich langsam enttarnenden Performance daher nicht der (gewohnt brillante) Bjarne Mädel, sondern Florian Lukas. In der Rolle des affektierten, theatralischen Homosexuellen Fanny Fee scheint Lukas zunächst schlicht sämtliche Klischees des „tuntigen“ Schwulen zu bedienen. Große Gesten, feminine Stimmlage, überschwappende Emotionen und ein wackelnder Gang lassen Fanny anfangs wie eine flache Karikatur wirken. Wie es sich aber für eine intelligente Comedyserie wie «Der Tatortreiniger» geziemt, erlaubt der weitere Verlauf der Folge einen Blick hinter das Stereotyp: Der ruppig auftretende, aber in seiner unbedarften Art, Fragen zu stellen, letztlich ganz und gar liebenswerte Schotty gerät mit Fanny in ein einsichtsvolles Gespräch über Hetero- und Homo-Klischees und die Vor- sowie Nachteile des Schubladendenkens. In authentischen, trotzdem prägnanten Worten beweist das Drehbuch, dass nicht jeder tuntige Auftritt gleich schwulenfeindlich ist und führt gleichzeitig noch einmal vor Augen, dass Homosexuelle es in unserer Gesellschaft traurigerweise noch immer schwer haben – egal, wie aufgeschlossen sich die meisten Menschen heutzutage auch geben mögen.

Bei all der Introspektive behält «Der Tatortreiniger» auch in dieser Episode seinen mittels minimalistischer Mittel dargebotenen, dafür umso effektiveren Humor bei. Seien es skurril-makabere Situationen, wie etwa Schottys Bemühungen, den zu reinigenden Tatort angenehmer zu gestalten, oder die plötzlichen, daher amüsanten Wendungen, die das Gespräch zwischen Fenny und Schotty nimmt. Diese sind zudem wunderbar doppelbödig geraten: Wenn Schotty während der Unterhaltung über Fannys feminine Art unerwarteterweise über seine Zukunftswünsche spricht, zutiefst ergreifend seine Familienpläne und dann sein Verhältnis zu seinem Vater skizziert, dann ist dies wegen Fennys eingangs perplexen Reaktionen und Mädels kauziger Performance einerseits überaus komisch. Andererseits gerät dieser Moment mit weiterem Verlauf zu einem erneuten Beispiel für die ruhige, unaufdringliche Tragik in der karg-realistischen Figurenzeichnung dieser Serie.

«Tatortreiniger»-Fans, die das Staffelset der zweiten Season noch nicht besitzen, dürfen sich daher auf eine unverbrauchte, weitere halbe Stunde gelungener, smarter Unterhaltung freuen. Neuzugänge wiederum erwischen mit «Der Tatortreiniger: Angehörige» einen tollen Einstand. Obwohl: Eigentlich ist jede Episode dieser Serie ein guter Anfang.

«Der Tatortreiniger: Angehörige» ist am Dienstag, dem 7. Januar 2014, um 22.30 Uhr auf dem NDR zu sehen. Im Vorfeld zeigt der NDR ab 22 Uhr die Wiederholung einer älteren Episode.
07.01.2014 09:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/68305