360 Grad: Scheitern als Chance
Die «Millionärswahl» ist spektakulär gescheitert. Bleibt zu hoffen, dass Brainpool dieses Scheitern als Chance begreift - als Chance, bald mit einem neuen Format um die Ecke zu kommen.
Von Stefan Raab kann man einiges lernen. Zum Beispiel seine Haltung nach verlorenen «Schlag-den-Raab»-Spielen: „Abhaken, weitermachen!“, sagt der Großmeister dann immer.
Diese Haltung muss sich Brainpool von seinem erfolgreichsten Mitarbeiter jetzt abschauen. Denn 2014 startete für das renommierte Kölner Produktionsunternehmen nicht nur mit einem kleinen, leisen Rohrkrepierer, sondern mit einer lautstarken Fehlzündung. Das hoffnungslose Scheitern der «Millionärswahl» ist Talk of the Town und die größte Niederlage eines TV-Formats seit «Promi Big Brother».
Das Schmerzlichste sind dabei vielleicht nicht einmal die katastrophalen Zuschauerzahlen, die vielen Verrisse in der Presse und der wirtschaftliche Misserfolg, sondern das Gefühl, dass dieses Format hätte funktionieren können. Die möglichen Auswirkungen eines derart verkorksten Voting-Systems hätte man sicherlich früher kommen sehen können. Aber ansonsten klang die Idee der Sendung ziemlich spannend: Deutschland wählt sich einen Millionär und kriegt in diesem Rahmen einige Abende lang ein Potpourri dessen vorgeführt, was es sich ansonsten in verschiedenen Formaten zusammensuchen muss: Talente, spannende Lebensgeschichten, gute Zwecke.
Doch die «Millionärswahl» lehrt uns gleichsam: Eine gute Idee macht noch keine gute Show. Die USP, den ersten demokratisch gewählten Millionär zu ermitteln, reichte bei weitem nicht, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. Denn die Acts, bzw. die Protagonisten waren – trotz vieler ehrenwerter Ansätze – letztlich zu beliebig, um ein abendfüllendes Format zu stemmen. Gleichzeitig setzte über das Social-Media-Vorspiel bei weitem nicht der erhoffte Buzz ein, der den crossmedialen Sprung hätte gelingen lassen können. Merke: Online-Communitys kriegen die Teilnehmerauswahl für eine Fernsehshow auch nicht unbedingt besser hin als Redakteure.
Am Schluss steht – trotz einer cleveren Grundidee und zwei Moderatoren, die man schnellstmöglich wieder auf der großen Showbühne sehen will – das Scheitern auf allen Ebenen.
Aber nicht erst seit Schlingensief wissen wir ja, dass man Scheitern auch als Chance begreifen kann. Im Falle von Brainpool als Chance, es bald mit einem anderen Format zu versuchen. Das deutsche Fernsehen braucht mutige Eigenentwicklungen - auch auf die Gefahr hin, dass sie scheitern wie die «Millionärswahl».