360 Grad: Hurz!

Die renommierte anarchische Bildundtonfabrik bringt am Mittwoch bei EinsFestival eine neue Sendung on air. Ein merkwürdiges Format, meint Julian Miller. Zumindest, wenn die Produzenten nicht gerade "Hurz" singen.

Heimlich, still und leise startet am 5. Februar bei EinsFestival, dem wohl austauschbarsten Spartensender der Öffentlich-Rechtlichen, eine neue Sendung der Bildundtonfabrik, jenes Miniproduktionsunternehmens, das bereits durch «Roche und Böhmermann» und das «NeoMagazin» für Furore sorgte und Stück für Stück, Format für Format aus dem Anarchischen eine eigene Programmfarbe bastelt.

Aber Halt. Ihr neues Format ist ausdrücklich mehr als eine Fernsehsendung. Ein „crossmediales Projekt“ will «Mr. Dicks», so der Sendungstitel, sein und sich im Fernsehen wie im Netz und im Radio bewegen. Das allein ist nichts besonderes und lässt eher die Alarmglocken schrillen. Zu oft haben sich als „crossmediale Projekte“ angekündigte Formate schon als undurchdachte Rohrkrepierer entpuppt.

Also muss man trotz des Getöses um marketing- und journalistenaffine Buzzwords doch wieder inhaltlich werden. Worum geht es nun in dieser ominösen Sendung?

Eine Frage, die sich deutlich schwerer beantworten lässt, als man annehmen möchte. Der Pressetext des WDR flüchtet sich erneut in Buzzwords: „Subjektives Gesellschaftsmagazin“, heißt es da etwa, von „unterschiedlichsten Ausdrucksformen“ ist die Rede, von „jungen, kreativen Menschen, die eine Geschichte, eine Meinung und eine Vision“ haben und vom „lustvollen Brechen konventioneller Sehgewohnheiten“. Mehr Larifari-Gefasel und ein leereres Gequatsche um den heißen, inhaltsleeren Brei liest man auch im Medienbusiness nicht alle Tage.

Aber machen wir nicht den Fehler, eine Sendung auf ihren schlechten PR-Text zu reduzieren.

Blöd nur, dass sich schnell der Eindruck breit macht, dass der Text zumindest stellenweise ganz gut zur eigentlichen Sendung passt.

In drei Folgen will man drei große Themen abklappern: Los geht es am Mittwoch mit „Rausch“, in den nächsten Wochen weiter mit „Ego“ und „Lust“. Verschiedenste Autoren können ihre eigenen Filme beisteuern, um ihre Sicht zum jeweiligen Thema zu analysieren oder zu zeigen.

In „Rausch“ heißt das dann unter anderem, dass ein Journalist nach Schweden fährt, um dort Rentierurin abzuschöpfen, weil er mal gelesen hat, man werde high, wenn man das Zeug trinkt. Ein Downhill-Fahrer lässt uns an seinen Eindrücken mit Hilfe seiner Helmkamera teilnehmen (mit Abstand der gehaltvollste Beitrag). Unter der vielsagenden Quellenangabe „Youtube“ (gerade von der Bildundtonfabrik hätte man mehr erwartet) werden Bilder davon gezeigt, wie sich Menschen in Ekstase tanzen. Und wenn alles nichts mehr hilft, darf Pausenclown Mr. Dicks ran, eine animierte Figur, die ein bisschen so aussieht, als hätten die Knetfiguren aus dem «Hallo-Spencer»-Vorspann in ihren späteren Lebensjahren eine Pornolaufbahn eingeschlagen.

Was das alles soll?

Ich habe keine Ahnung.

Manches davon mag ja ganz interessant und lustig sein. Doch vieles davon ist sonderbares, wirres Zeug, das von den vielen Buzzwords aus dem Pressetext wenig übrig lässt und vielmehr den Eindruck erweckt, dass hier konservatives, nichtssagendes Fernsehen gemacht wird, um das man die Buzzwords "Visionen" und "crossmedial" platziert, um das Konservative und Nichtssagende zu kaschieren.

Es kann aber auch sein, dass ich dieses Format völlig falsch verstanden und mich jetzt hier als der letzte Depp offenbart habe, als ein Vollidiot, der diese Sendung so ernst genommen hat, wie sie nie gemeint war, und sich an einer müßigen, abwegigen Analyse versucht hat, die vom Rezipienten gerade durch was Wirre und Sonderbare zwar erwartet wurde, die aber von vornherein Blödsinn ist. Vielleicht singt die Bildundtonfabrik mit «Mr. Dicks» gerade „Hurz“ und wir sitzen alle bedröppelt im Publikum.

Dann, aber nur dann, ist diese Sendung ein Geniestreich.
31.01.2014 13:19 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/68739