Der Fernsehfriedhof: Gier gewinnt

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 274: Ulla Kock am Brinks verspätete Antwort auf den Quizboom.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer weiteren Kopie von «Wer wird Millionär?».

«Ca$h – Das eine Million Mark-Quiz» wurde am 21. November 2000 im ZDF geboren und entstand zu einer Zeit, als es dank «Wer wird Millionär?», «Einundzwanzig» , «Die Chance Deines Lebens», «Die Quiz Show» und «Das Millionenquiz» an opulenten Ratespielen im deutschen Fernsehen nicht mangelte. Obwohl die Reichweiten bereits anfingen langsam zu bröckeln und der Quizboom seinen Höhepunkt überschritten zu haben schien, versuchte das ZDF auf den Trend noch aufzuspringen und einen eigenen Vertreter zu etablieren. Dabei setzten die Verantwortlichen nicht auf eine Eigenentwicklung, sondern adaptierten das US- Format «Greed», das bereits in seiner Heimat als Kopie von «Who Wants To Be A Millionaire?» wahrgenommen wurde.

Die Produktionsfirma Pearson Television, hinter der sich die Fusion von Fremantle und Grundy TV verbarg, nahm jedoch Abstand davon, den originalen Titel beizubehalten, weil das Wort „Gier“ in Deutschland im Gegensatz zu Amerika eher negativ besetzt sei. Als Moderatorin wurde mit Ulla Kock am Brink eine wahre deutsche Gameshow-Ikone verpflichtet. Zuvor hatte sie mit «Verzeih mir», «Die 100.000 Mark Show» und «Glücksritter» sowohl für große Emotionen und hohe Quoten als auch für negative Schlagzeilen gesorgt. Als sie sich von den großen Hallen abwandte und ein kleines tägliches Personalityprogramm namens «Die Ulla Kock am Brink Show» am Vorabend von ProSieben wagte, drohte ihre Karriere ins Stocken zu geraten. Mit «Die Lotto-Show» folgte dennoch schon bald ein regelmäßiges Event am Samstagabend und nun die zusätzliche Aufgabe, im Fernduell gegen Günther Jauch anzutreten.

Während Jauchs Sendung allerdings durch ein simples Spielkonzept überzeugte, dominierte in der ZDF-Variante ein komplexes Regelwerk. Anfangs traten sechs Kandidaten an, die in der Vorrunde eine Schätzfrage beantworten mussten. Wessen Tipp am weitesten von der Lösung entfernt lag, schied direkt aus; wer am besten schätzte, wurde hingegen Kapitän des Teams, das die verbliebenen Personen nun bildeten. Es folgten vier Fragen mit ansteigenden Preisgeldern, die es nach einander einzeln zu lösen galt. Weil bei der falschen Antwort einen Spielers die gesamte Gruppe ausschied, hing jeder vom Wissen der anderen ab. Einzig der Kapitän durfte eine gegebene Antwort vor der Auflösung korrigieren. Anschließend entschied auch dieser, ob das Team weitermachen durfte oder mit dem bisher erspielten gemeinsamen Gewinn von 50.000 DM nach Hause ging.

Bei den nachfolgenden Fragen in der dritten Runde, deren Belohnung bis zur achten Stufe auf eine Millionen DM anstieg, hatten die Kontrahenten vier korrekte Antworten aus einer Auflistung von Alternativen herauszufinden, wobei die Anzahl der Auswahlmöglichkeiten zusammen mit der Gewinnsumme anstieg und bei maximal neun liegen konnte.

Zusätzlich wurde im Verlauf des Spiels vier Mal die sogenannte Terminator-Runde durchgeführt, bei der ein Teilnehmer per Zufallsgenerator ausgewählt wurde und gegen einen Gegner seiner Wahl in einem Buzzer-Duell antreten durfte. Wer diesen Wettstreit gewann, schubste den anderen nicht nur aus dem Rennen, sondern übernahm zusätzlich dessen bisherigen Kontostand. Auf diese Weise war es theoretisch möglich, das Team auf eine Person zu reduzieren, welche dann die maximale Gewinnsumme von einer Millionen DM allein erhielt. Tatsächlich ist dies nie erfolgt. Kock am Brink selbst, zeigte sich in einem Interview bezüglich des komplizierten Prinzips unbesorgt: „Wir bebildern die Regel-Erklärung und nutzen Grafiken.“

Offenbar inspiriert vom Erfolg des anfänglich hohen Ausstrahlungsrhythmus von «Wer wird Millionär?» räumte das ZDF für sein Quiz am Dienstag- und Mittwochabend gleich zwei Primetime-Sendeplätze frei. Diese Entscheidung erwies sich zunächst als goldrichtig, denn die beiden Premieren erreichten Sehbeteiligungen von 5,35 bzw. 5,27 Mio. Zuschauern. Mit Marktanteilen von über 16 Prozent wurde daher die interne Vorgabe eines zweistelligen Wertes deutlich erfüllt. Weil die Reichweiten in den Folgewochen zudem lediglich leicht sanken und stets deutlich über vier Millionen Menschen lagen, erfolgte sehr schnell eine Ausweitung des Produktionsauftrags über die ursprünglich geplanten 13 Ausgaben hinaus.

Rund vier Monate nach der Premiere gelang es der Show sogar erneut die 5-Millionen-Marke zu überspringen. Dennoch reduzierte der Kanal die Ausstrahlungsmenge ab Ende April auf eine Episode pro Woche. Ob die weitere Entwicklung in einem ursächlichen Zusammenhang damit stand, ist nicht nachvollziehbar, doch ab Mai sanken die Messwerte auf nur noch knapp über drei Millionen. Dies änderte sich auch nicht, als die Sendung Anfang September aus einer dreimonatigen Sommerpause zurückkehrte. Offiziell wurde dieser Quotenschwund letztendlich als Begründung für die baldige Absetzung genannt.

Es hielt sich zugleich das Gerücht, das ZDF habe die Zusammenarbeit mit Kock am Brink aufgrund ihrer privaten Lebensverhältnisse beendet. Das ZDF bestritt zwar vehement jeglichen Zusammenhang dieser Angelegenheit mit der Beendigung der Reihe, vermochte die Vorwürfe jedoch nicht gänzlich aufzulösen.

«Ca$h – Das eine Million Mark-Quiz» wurde am 13. November 2001 beerdigt und erreichte ein Alter von 46 Folgen. Die Show hinterließ die Moderatorin Ulla Kock am Brink, die fast zeitgleich ihren Samstagabendhit «Die Lotto-Show» im Ersten ebenfalls verlor. Nach einer längeren Pause kehrte sie zunächst mit dem kurzlebigen RBB-Talk «Leute am Donnerstag» und schließlich mit «Die perfekte Minute» ins Fernsehen zurück. Übrigens, durch die Einstellung des Formats entging man auch der Frage, wie mit der Gewinnsumme nach der nahenden Euro-Umstellung umzugehen ist. Gegenüber der BILD am Sonntag hatte der damalige Pressesprecher Peter Gruhne schon angedroht, den Höchstbetrag von einer Million Mark auf 500.000 Euro umzustellen, wodurch ein neuer Titel nötig gewesen und ein wichtiger Anreiz fürs Einschalten verloren gegangen wäre.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer der Spionage verdächtigten Gewinnaktion.
06.02.2014 11:03 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/68885