«Mittendrin»: Ein Talkexperiment ist gescheitert

Nach schwachen Quoten des Fußballtalks hat Sport1 aus dem Projekt nun eine noch lieblosere Sendung gemacht, in der der Fokus auf den Spielzusammenfassungen der Bundesliga-Sonntagsspiele liegt.

Seit drei Jahren war ein weiterer Fußballtalk am Sonntagabend der Wunsch von Jörg Wontorra – und dass man diesen jetzt nach dem großen Erfolg des «Doppelpass» umsetze, sei eigentlich nur logisch. Das hatte Wontorra im vergangenen Sommer bei einer großen Sport1-Veranstaltung gegenüber Quotenmeter.de gesagt und Bedenken nach einem „Zu viel“ an Fußballtalks glatt vom Tisch gewischt. Auch dass es Probleme mit der Gästeakquise geben könnte, glaubte der erfahrene Sportmoderator damals nicht. Die Realität aber sah dann anders aus. «Mittendrin» wusste während der Hinserie der Fußballbundesliga quotentechnisch und zumeist auch qualitativ nicht zu überzeugen. Vieles, was gemacht wurde, wirkte lieblos und die Gäste lasen sich oft eher wie ein verzweifelter Hilfeschrei, weil man am späten Sonntagabend niemanden mehr nach München bekam.

Angesichts von im Schnitt nur rund 130.000 Gesamtzuschauern während der Hinrunde und äußerst mageren 0,5 Prozent Marktanteil in der klassischen Zielgruppe, stellte Quotenmeter.de kurz vor Weihnachten schon die Frage, wie viel Lust Sport1 auf seinen neuen Fußballtalk überhaupt noch hat. Wenige Wochen später gab der Sender bekannt, «Mittendrin» zu verkürzen (von 75 auf 45 Minuten) und es erst um 22.15 Uhr starten zu lassen. Macht Sinn, so entgeht man dem direkten Duell mit der «Sportschau», die sonntags ab 21.45 Uhr auf mehreren Dritten Programmen zu sehen ist.

Im Gespräch mit Quotenmeter.de erklärte der für den Bereich Fußball beim Sender zuständige Stefan Thumm, dass künftig bereits ab 22.15 Uhr in «Mittendrin» der Fußball rolle. Mit der Änderung der Sendezeit gingen nämlich auch gravierende konzeptuelle Anpassungen bei dem von Jörg Wontorra moderierten Format einher. Die Spielberichte der beiden Sonntagsspiele stehen nun im Fokus – und weniger der eigentliche Talk. Die Gästeanzahl, die zu Beginn mal – getreu «Sky 90» als Vorbild -, bei drei lag, zwischenzeitlich aber auch auf vier aufgestockt wurde, wird nun fix reduziert. Wonti, kürzlich von Harald Schmidt kurioserweise als bester Sportmoderator Deutschlands bezeichnet, redet nun mit noch zwei Leuten (wenn er überhaupt noch da ist) – darunter wechselnd die Stammgäste Thomas Berthold und Kalle Riedle.

„Moderatoren sind Jörg Wontorra und Katja Wölffing. Neben den beiden Weltmeistern Karl-Heinz Riedle und Thomas Berthold, die sich als Experte im Studio abwechseln, begrüßen wir immer einen Gast zu einem der Sonntagsspiele – wie am Augsburgs Mittelfeldregisseur Daniel Baier. Wir analysieren das komplette Bundesligawochenende, gehen auf aktuelle Entwicklungen ein und blicken mit einem Topthema tiefgründig auf das Innenleben der Vereine. In «Bundesliga – Der Spieltag» gibt es direkt im Anschluss alle weiteren Tore und Highlights vom Bundesliga-Wochenende zu sehen“, sagt Stefan Thumm.

Das kommt einer Komplett-Aufgabe des bisherigen Konzepts gleich – und legt die Vermutung nahe, dass Sport1 lediglich auf Grund noch bestehender Verträge das Beste aus der Situation machen musste. Denn ein wahrer Fußballtalk ist «Mittendrin» nun wahrlich nicht mehr – zu sehen war dies vor acht Tagen, als die Luft beim HSV brannte, Wontorra mit seinen Gästen das Thema aber nur kurz, oberflächlich und wenig Ertrag bringend besprechen konnte. Gerade diese Ausgabe bescherte dem Format übrigens mit klar über 200.000 Zuschauern die beste Reichweite seit jeher. Dass «Mittendrin» also ab August 2014 weiter ein Bestandteil des Programms von Sport1 sein wird, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Denn für das Anmoderieren von nun im Mittelpunkt stehenden Spielberichten, die fast ein Drittel der eigentlichen Sendezeit einnehmen, bedarf es keines Jörg Wontorra. Das kann Sport1 günstiger bekommen – so wie es schon zuvor praktiziert wurde. Und so wie es Sport1 an diesem Wochenende machte, als übrigens kein aktueller Spieler zu Gast war, sondern der bei Sport1 ohnehin ein und ausgehende Stefan Schnoor.

Lernen kann man daraus aber doch eine ganze Menge: Ein Fußballtalk ist mehr als nur ein liebloses Studio, ein erfahrener Moderator und 20 Zuschauer im Hintergrund. Ein guter Fußballtalk lebt vom Ambiente und von einem Konzept, welches in sich stimmig ist. Mit «Mittendrin» hat sich Sport1 vom eigenen Sonntagmittag-Erfolg blenden lassen – und die klaren Risiken nicht erkannt.
17.02.2014 10:30 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/69075