Die Kritiker: «Helen Dorn - Das dritte Mädchen»

Vier neue Krimi-Reihen, darunter «Helen Dorn», halten Einzug ins Samstagabendprogramm des ZDF. Julian Miller mit einer Rezension der Premiere.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Network Movie
  • Drehbuch: Magnus Vattrodt
  • Regie: Matti Geschonneck
  • Kamera: Theo Bierkens
  • Produzenten: Wolfgang Cimera und Silke Schulze-Erdel
Inhalt
Die Krankenschwester Tatjana Decker wird tot am Rheinufer in Mündelheim gefunden. Indizien am Tatort weisen auf eine zurückliegende Mordserie hin, die sich vor vier Jahren quer durch Nordrhein-Westfalen zog. Drei junge Frauen wurden damals nach dem immer gleichen Tatmuster ermordet. Die Ermittlungen des LKA Düsseldorf endeten seinerzeit mit der rechtskräftigen Verurteilung des ehemaligen Lehrers Michael Cornelius, der seitdem seine Haftstrafe verbüßt.

Die offensichtlichen Zusammenhänge zu den alten Fällen veranlassen LKA-Dezernatsleiter Falk Mattheissen, Helen Dorn als leitende Ermittlerin in sein Team zurück zu holen. Trotz des neutralen Umgangs, um den man sich bemüht, ist eine unterschwellige Feindseligkeit zwischen beiden zu spüren. Doch nicht nur das Verhältnis zwischen Dorn und Mattheissen ist angespannt. Auf Anweisung des Dezernatsleiters werden Helen Dorn und Kriminalhauptkommissar Gregor Georgi unfreiwillig zu Partnern, mit Helen in der Rolle der Vorgesetzten. Was der überlegenen Ermittlerin, für die Hierarchien uninteressant sind, egal ist, macht es für Georgi umso schwieriger: Eben noch im Glauben, federführend einen Fall zu übernehmen, sieht er sich urplötzlich mit einer neuen Vorgesetzten konfrontiert, an der er sich in der folgenden Zeit abarbeiten wird.

Um den Mord an Tatjana Decker aufzuklären, müssen die alten Fälle neu aufgerollt werden. Dorn und Georgi führen scharfe Verhöre, stoßen auf alte und neue Verdächtige und auf Geheimnisse im eigenen Kollegenkreis. Während der schwierigen Ermittlungen entdeckt Helen Dorn zusehends die überraschenden Seiten an Gregor Georgi, der wiederum Stück für Stück Helen Dorns Hintergrundgeschichte entschlüsselt, als er den Fragen nach ihrer Vergangenheit nachgeht.

Darsteller
Anna Loos («Weissensee») als Helen Dorn
Matthias Matschke («Pastewka») als Gregor Georgi
Stephan Bissmeier («Der Fall Jakob von Metzler») als Falk Mattheissen
Ernst Stötzner («Die Pilgerin») als Richard Dorn
Jörg Schüttauf («Die Draufgänger») als André Kuppka
Harald Schrott («Vier Frauen und ein Todesfall») als Michael Cornelius
Alexander Hörbe («Das Ende einer Nacht») als Raimund Geiger

Kritik
Man kann die neue Krimi-Reihe im ZDF als einen kleinen Test auffassen: einen Test, wie weit man gehen kann, wie weit man sich von festgefahrenen narrativen Strukturen und totgerittener Figurenführung entfernen darf und trotzdem noch in Mainz auf Sendung gelassen wird.

Wenn man diesen Blickwinkel auf «Helen Dorn» wählt, wird man bitter enttäuscht sein: Denn trotz der PR-Kakophonie, hier wäre alles mal ein bisschen anders, ein bisschen neu, ein bisschen innovativ, sieht man davon zumeist nur – das Bisschen. Helen Dorn ist ein bisschen weniger verkitscht als vergleichbare Ermittlerfiguren, ihr Kollege Georgi ein bisschen weniger trottelig und nervtötend, die Handlung emotional ein bisschen fordernder, die Erzählstruktur ein bisschen ideenreicher.

Es lassen sich nur wenige Punkte finden, in denen sich dieses Format wirklich von der Schwemme der öffentlich-rechtlichen Krimi-Reihen abheben kann: Einer ist Hauptdarstellerin Anna Loos, die ihre Rolle angenehm unaufdringlich anlegt und Mut zur Entschleunigung zeigt.

Außerdem natürlich Matti Geschonnecks Inszenierung, die stilistisch durchaus mit der zur Gewohnheit gewordenen Überstrapazierung klischeehaft besetzter Motive und dem Überemotionalisieren jeder noch so abgeschmackten Wendung zu brechen weiß und trotz der stellenweise unglaubwürdigen Verwicklungen und der vielen Zufälle des Drehbuchs ehrliche, authentische Momente sucht. Sicherlich: Das ist weit weg von der kunstvollen Umsetzung seines Films «Das Ende einer Nacht». Aber man merkt deutlich, wer hier auf dem Regiestuhl saß.

Doch dann schlägt sie wieder zu, die Konvention: In überdeklarierten Dialogen, bei denen ein kurzes Schweigen, ein ausdrucksvoller Blick, zu dem eine Schauspielerin wie Anna Loos im Stande wäre, so vielsagender wäre. Wenn sich aus dem Thema Justizirrtum eine spannende Charakterstudie hätte ergeben können, in der sich hätte zeigen lassen, wie die (vermeintlich?) daran schuldige Ermittlerin daran zerbricht oder letztlich doch damit fertig wird, man aber nahezu all dieses Potential ungenutzt lässt und den Stoff auf die erzählerisch einfachere Variante, den überhasteten Versuch einer Läuterung, reduziert. Wenn das Geständnis des wahnsinnigen Täters im letzten Drittel des Films ein kurzer, intensiver Lichtblick bleibt, aber man dann schnell weiter muss, die langweiligere Charakterwandlung der Hauptfigur zu Ende erzählen.

Dennoch: Man ist deutlich Schlimmeres gewohnt. Krimis, die versuchen, beim behäbigen Ermitteln auch noch lustig zu sein, und weibliche Hauptfiguren, deren tragendes Charaktermerkmal darin bestehen soll, dass sie zwischen zwei Männern stehen, zum Beispiel. Davon ist «Helen Dorn» genauso meilenweit entfernt wie von der Speerspitze des deutschen Krimi-Genres.

Aber wenn das schon als innovativ gilt, hat irgendjemand eine völlig falsche Vorstellung von der Bedeutung dieses Begriffs. Entweder dieser Kritiker. Oder das ZDF.

Das ZDF zeigt «Helen Dorn – Das dritte Mädchen» am 8. März um 20.15 Uhr. Eine zweite Folge will das ZDF im Herbst senden.
06.03.2014 09:22 Uhr  •  Julian Miller  •  Quelle: Inhalt: ZDF Kurz-URL: qmde.de/69361