«Tatort»-Schauspieler Wotan Wilke Möhring: „Kein Kalkül für die Quote“

An diesem Sonntagabend ermittelt Wotan Wilke Möhring wieder im Ersten. Was der «Tatort»-Schauspieler über die angebliche „Ermittler-Schwemme“ und seinen «Tatort»-Kollegen Til Schweiger denkt, verriet er uns im Interview.

Zur Person: Wotan Wilke Möhring

Wotan Wilke Möhring gehört seit 2013 zum «Tatort»-Ensemble. Zuvor spielte der 46-Jährige in renommierten Filmen wie «Soul Kitchen», «Homevideo», «Männerherzen» oder «Der letzte schöne Tag» und sicherte sich damit u. a. den „Deutschen Fernsehpreis“, den „Bambi“ sowie den „Grimme-Preis“.
Wotan Wilke Möhring, als Schauspieler geben Sie jede Menge Interviews, heute bei uns. Welche Frage wurde Ihnen bisher eigentlich am Häufigsten gestellt?
(lacht) Ja, Fragen zu meiner Vergangenheit. Fragen, warum ich Schauspieler wurde. Fragen, ob es ein Ritterschlag ist, dass ich «Tatort» mache.

Ok, ist es denn ein Ritterschlag, dass Sie jetzt «Tatort» machen?
Das weiß ich gar nicht. Denn zunächst macht man ja einen Film wie sonst auch - mit Schauspielern, Kamera und Regie. Aber ein «Tatort» bekommt natürlich eine besondere mediale Aufmerksamkeit. Spätestens nach der Ausstrahlung weiß man dann, dass der «Tatort» was Besonderes ist.

Ihre letzten «Tatort»-Einsätze waren mit Zuschauerzahlen von über zehn Millionen sehr erfolgreich. Auch im 2013er-Jahres-Ranking aller «Tatorte» stehen Sie auf dem Bronze-Treppchen. Die Messlatte liegt also wieder hoch, oder?
Ja, aber die Messlatte mache nicht ich. Zunächst einmal wollen wir gute Sachen erzählen. Wenn man eine gute Geschichte erzählt und viele Leute dran bleiben, ist das natürlich toll. Wir machen das ja nicht mit Kalkül für die Quote, sondern weil wir packende Kriminalfälle erzählen wollen. Das ist unser Ansatz. Aber natürlich sind da Zahlen im Raum, die mit Spannung erwartet werden. (lacht)

Und Ihrem Hamburger «Tatort»-Kollegen Til Schweiger gönnen Sie da logischerweise auch die Quotenrekorde…
Absolut, erst mal bin ich mit Til sowieso befreundet, aber generell gönne ich das natürlich allen Filmschaffenden, dass die Filme, die sie machen, von möglichst vielen Leuten gesehen werden. Das ist ja klar.

Wie finden Sie denn Til Schweigers «Tatort»-Filme? Trotz Zuschauererfolg gab es da dank Action und angeblich zu vieler Leichen auch Kritik…
Til hat da die «Tatort»-Landschaft auf seine Art und Weise bereichert. Das zeigt ja auch, dass Leute das sehen wollen. Ich finde es toll, dass es innerhalb dieses Formates so eine Abwechslung gibt.
Wotan Wilke Möhring über seinen «Tatort»-Kollegen Til Schweiger
Ja, aber etwas anderes hat oder wollte man ja auch nicht erwarten. Til hat da die «Tatort»-Landschaft auf seine Art und Weise bereichert. Das zeigt ja auch, dass Leute das sehen wollen. Ich finde es toll, dass es innerhalb dieses Formates so eine Abwechslung gibt. Humorig bis verstörend, bis hin zu Action-lastig. Diese Mischung finde ich gut.

Welche Rolle spielt der Quotendruck?
Ich persönlich habe keinen Quotendruck. Ich freue mich natürlich, wenn viele Leute einschalten, aber Quotendruck habe ich nicht, nein. Ich möchte viel mehr gute Geschichten erzählen und möchte hinter den Projekten stehen, die man macht. Das ist mein Qualitätsansatz – auch eine Form von Druck - und dieser ist mir eigentlich wichtiger.

Wie sehen Sie denn diesen Spagat zwischen Quote und Qualitätsanspruch, den vor allem das öffentlich-rechtliche Fernsehen ohne so starken wirtschaftlichen Druck schaffen müsste?
Es gibt vereinzelt Sparten, wie „Der Montagsfilm“ oder „Das kleine Fernsehspiel“ im ZDF, wo der Quotendruck nicht ganz so hoch ist. Das wird also auch gemacht. Ich finde, bei allen Formaten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sollte der Quotendruck nicht höher sein als der Qualitätsdruck. Dann weiß man auch, wofür man Gebühren zahlt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Zurück zu Ihrem neuen «Tatort», der am 27. April um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen ist. Worum geht es da?
Ich will nicht zu viel verraten, nur so viel: Wir haben diesmal die gesellschaftspolitische Instanz auch wahrgenommen, das heißt, es geht da um die Flüchtlingsproblematik und Menschenschleusung, die sich dann entpuppt als eine Vorgeschichte für eine Lobby, an die die Kommissare kaum rankommen. Zusätzlich spielt diesmal auch die persönliche Geschichte von Thorsten Falke eine besondere Rolle. Er reist an und eine Kollegin, die ihn freudig erwartet hat, gibt es plötzlich nicht mehr. Das ist etwas, was Thorsten Falke weiter stark beschäftigt. Das ist vielleicht auch ein etwas düsterer Film. Wir sehen uns da überwacht von Drohnen, die es ja wirklich gibt. Es ist ein Fall, wo er die Bösen am Schluss nicht bekommt. Aber das ist ein realistisches Szenario. Das war uns wichtig.

Gedreht wurde im Jade-Weser-Port, einem Tiefseehafen. Eine sehr bildstarke Kulisse mit genug Zeit für Sie zum Dreh, da man munkelt, der Hafen sei nicht wirklich ausgelastet angesichts der Rekordbausumme…
Ja, genau richtig – sehr bildstark. Und von Thorsten Falke wird es ja auch kommentiert: „Hier ist ja nichts los“! Das sind Gerätschaften, die regelmäßig bedient werden müssen, damit sie intakt bleiben, auch wenn gerade mal kein Schiff kommt.

Leider ein weiterer Fall der Steuerverschwendung. Wie sehen Sie diese Problematik als Hamburg-Ermittler, wo es ähnliche Probleme bei der Elbphilharmonie gibt…?
Ja, das ist auch bei der Elbphilharmonie ähnlich. Das ist eine riesen Sauerei, wenn einem was versprochen wird, was sich dann ganz anders entwickelt. Dass da keiner für gerade stehen muss und das einfach so durchgewunken wird, ist für alle anderen Steuerzahler natürlich ein riesen Ding!

Neuerdings macht Ihnen ja nicht nur der Hamburger «Tatort»-Kollege Til Schweiger, sondern auch Ihr Bruder Sönke Möhring schauspielerisch Konkurrenz… Drehen Sie auch mal gemeinsam? Wie ist das für Sie als „Großer Bruder“, gibt man da Tipps?
Wir haben schon gemeinsam gedreht, zum Beispiel bei der «Hindenburg». Das ist natürlich immer ein besonderes Erlebnis, wenn man mit seinem Bruder vor der Kamera steht. Wenn ich nach Tipps von Sönke gefragt werde, gebe ich ihm natürlich Antworten. Aber er kriegt das auch super allein hin. Ich freue mich natürlich über und für jeden, der in Lohn und Brot ist und seine Leidenschaft beruflich ausleben kann.

Zuletzt kam es zu immer mehr neuen «Tatort»-Ermittlern. Haben Sie keine Bedenken, dass es irgendwann zu viele Ermittler-Teams oder eine Übersättigung beim Zuschauer gibt?
Nein, es gibt jeden Sonntag einen «Tatort» – daran hat sich ja nichts geändert. Das ist natürlich auch immer so eine mediale Geschichte – oh, hier gibt es jetzt schon wieder neue Ermittler und so weiter. Und durch die zuletzt hohen Reichweiten bei den Zuschauern ist das dann noch mehr was Besonderes. Ich denke, das wird sich auch wieder einpendeln. Deswegen gibt es den «Tatort» auch schon so lange - weil er sich immer wieder erneuert und belebt wird mit neuen Ermittlern und neuen Geschichten. Das ist auch ganz gut so.

Welche Rolle spielt das Internet für den «Tatort», bei dem es beispielsweise parallel das „Tele-Twitttern“ gibt…?
Was Abrufe in der Mediathek betrifft: Da kommt man zukünftig wohl auch nicht drum herum, dies mit in die Quote reinzunehmen. Denn wir wollen ja nicht nur wissen, wer guckt um viertel nach acht, sondern auch wer ist bei der jüngeren Zielgruppe dabei?
Wotan Wilke Möhring über die Zukunft der Quotenmessung
Das spielt für mich eine große Rolle, weil man direkt und ungefiltert mitbekommt, was der Zuschauer denkt. Und was Abrufe in der Mediathek betrifft: Da kommt man zukünftig wohl auch nicht drum herum, dies mit in die Quote reinzunehmen. Denn wir wollen ja nicht nur wissen, wer guckt um viertel nach acht, sondern auch wer ist bei der jüngeren Zielgruppe dabei? Die sagt vielleicht: Ich lasse mir meinen Tagesablauf nicht vom Sendeplatz diktieren. Die schauen das online und sollten gezählt werden. Ich finde das spannend und völlig legitim, diesen Weg zu wählen. Diesen Effekt kann man sehen wollen oder nicht. Aber auf jeden Fall ist das die ganz spannende Wirklichkeit.

Vielen Dank für das Gespräch, Wotan Wilke Möhring.
26.04.2014 12:15 Uhr  •  Benjamin Horbelt Kurz-URL: qmde.de/70333