Der Fernsehfriedhof: Der deutsche Columbo

Christian Richter erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 288: Eine fast exakte Kopie des amerikanischen Kultinspektors.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir eines Formats, das gar nicht erst versuchte zu verschleiern, dass es von vorn bis hinten geklaut war.

«Ein Mord für Quandt» wurde am 12. Februar 1997 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit, als mit Serien wie «Alarm für Cobra 11 - Die Autobahnpolizei», «SK Babies», «Der Clown», «Balko» oder «A.S.» zahlreiche Krimis das deutsche Abendprogramm prägten, in denen meist Action und harte Männer mit wenig Feingefühl dominierten. Diesem Trend widersetzte sich jedoch die amerikanische Reihe «Columbo», in der ein schrulliger Inspektor die Verbrechen mit Logik, Verstand und clever gestellten Fragen anstatt mit Gewalt und halsbrecherischen Stunts löste. Obwohl seine Abenteuer größtenteils aus den 70er Jahren stammten und damit zur damaligen Zeit schon über 20 Jahre alt waren, erreichten sie selbst in der x-ten Wiederholung noch hohe Sehbeteiligungen - gerade weil sie so ruhig und altbacken daher kamen. Die Sendung hatte sich damit längst zu einem wahren, zeitlosen Klassiker entwickelt. Was lag angesichts dieses dauerhaften Erfolgs näher, als ein heimisches Remake herstellen zu lassen?

Die deutsche Variante hielt sich dabei sowohl bezüglich des Aufbaus als auch der Beschaffenheit der Hauptfigur eng am Original und wich nur in einigen Details ab. Diese marginalen Änderungen waren allerdings aus rechtlichen Gründen nötig, weil das verantwortliche Produktionsunternehmen Nostro Film keine Lizenz erworben hatte, wodurch es sich nicht um eine offizielle Adaption handelte. Im Zentrum der Handlung stand nun der Berliner Kommissar Martin Quandt, der ebenso wie sein Vorbild hauptsächlich mit Mordfällen in der gehobenen Gesellschaft beschäftigt war. Dabei verfügten beide über einen brillanten Verstand, den sie jedoch hinter einer gespielten Tollpatschigkeit verbargen, auf diese Weise unterschätzt und von ihren Gegnern (zu Unrecht) als harmlos eingestuft wurden. Beide Figuren verband außerdem, dass sie die jeweiligen Mörder im Finale stets durch eine eher charmante Art überführten und dabei obendrein wenig Gegenwehr erfuhren. Wer der jeweils Schuldige war, war für die Zuschauer nie ein Geheimnis, denn die Anfangsszenen aller Episoden enthüllten das betreffende Verbrechen sowie die Identität des Täters. Die Spannung bestand also eher daran, zu erleben, wie die Ermittler ihre Gegner entlarven konnten. Dieses Konzept hatte man ebenso vom US-Vorbild übernommen.

Die rechtlich nötigen Abweichungen zwischen beiden Figuren bestanden indessen darin, dass Quandt anstatt mit einem alten Peugeot 403 Cabriolet mit einem gelben Motorroller zum Tatort fuhr. Zudem trug er keinen zerknitterten Trenchcoat, sondern war immer adrett (meist mit rotem Schal) gekleidet und insgesamt etwas penibler und hochnäsiger. Während Columbo ständig von seiner Frau sprach, die aber in all den Jahren niemals zu sehen war, wiederholten die deutschen Macher diesen Running Gag mit Quandts Vorgesetztem. Damit war das Team mit dem Abkupfern noch immer nicht am Ende, denn die gesamte Handlung des 90minütigen Pilotfilms erinnerte obendrein stark an den Hitchcock-Streifen «Der Fremde im Zug».

Dem noch recht jungen, deutschen Schauspieler Martin Armknecht oblag es, in die riesigen Fußstapfen von Hollywood-Ikone Peter Falk aus dem Original zu treten. Obwohl Armknecht mit 35 Jahren noch recht jung war, konnte er zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine beachtliche Filmografie zurückblicken, in der sich unter anderem eine fünfjährige Hauptrolle als „Fiesling" Robert Engel in der «Lindenstraße» sowie wiederkehrende Auftritte in der Ruhrpott-Klamotte «Und Tschüss!» befanden. Außerdem war er in den Kinofilmen «Manta, Manta», «Der bewegte Mann» sowie dem TV-Movie «Der Sandmann» zu erleben. Armknecht vermochte die Rolle des eigenwilligen Gesetzeshüters gut auszufüllen, konnte aber nie an die legendäre Vorlage heranreichen. Dies lag weniger an seiner Leistung, als an der insgesamt blasser wirkenden deutschen Figur.

Trotz dieser grundsätzlichen Schwäche und der Tatsache, dass das gesamte Konzept geklaut war, fielen die meisten Kritiken zum Ergebnis erstaunlich freundlich aus. Viele Journalisten verstanden die Kopie weniger als Plagiat als vielmehr als Hommage an die tolle Vorlage. Interessanterweise erblickte der deutsche Columbo das Licht der Welt nicht bei RTL, also der Heimat seines Vorbilds, sondern bei dessen Dauerkonkurrenten Sat.1. Die dortigen Verantwortlichen entschieden sich für eine Ausstrahlung am Mittwochabend um 21.15 Uhr und damit für jenen Sendeplatz, auf dem zuvor in «Stockinger» ein weiterer kauziger Kommissar auf Verbrecherjagd gegangen war.

Anfänglich zeigten sich durchschnittlich fast fünf Millionen Zuschauer an Quandts unkonventionellen Ermittlungsmethoden interessiert, doch schon bald sanken die Reichweiten stetig ab und lagen ab Mitte der ersten Staffel meist unterhalb der Dreieinhalb-Millionen-Marke. Dazu muss bedacht werden, dass das Format meist gegen starke Fußball-Spiele des UEFA-Cups, der Champions League oder sogar der deutschen Nationalmannschaft antreten musste. Wohl auch deswegen legte man trotz des verhaltenen Zuspruchs im Sommer 1998 weitere Fälle nach. Weil diese dann aber mit rund zwei Millionen von noch weniger Menschen eingeschaltet wurden, erfuhr die Ausstrahlung nach fünf Einsätzen ihr baldiges Ende. Als Grund für das abgenommene Interesse wurde später immer wieder die vorzeitige Offenbarung der Täter vermutet, mit dem sich das deutsche Publikum nie anfreunden konnte. Diverse Quellen sprechen zwar davon, dass in den Archiven zwischen acht und 13 fertiggestellte, aber nie gezeigte Episoden schlummern sollen, doch dies wurde von der damaligen Produktionsfirma auf Anfrage verneint.

«Ein Mord für Quandt» wurde am 19. August 1998 beerdigt und erreichte ein Alter von 17 ausgestrahlten Folgen plus Pilotfilm. Die Serie hinterließ den Hauptdarsteller Martin Armknecht, der im Jahr 2002 an der Seite von Anette Frier in der launigen ZDF-Reihe «Du & Ich - Männer sind anders - Frauen erst recht» in einer weiteren Hauptrolle zu sehen war, bevor er in der gescheiterten ARD-Soap «Eine für alle - Frauen können's besser» mitwirkte. Zuletzt kursierten Gerüchte über eine mögliche Rückkehr in die «Lindenstraße». Übrigens, das amerikanische Original «Columbo» wird noch immer regelmäßig bei SuperRTL mit Erfolg wiederholt.


Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am Donnerstag in zwei Wochen und widmet sich dann einem Kriminalmagazin, das mehr an Panik als an Aufklärung interessiert war.
22.05.2014 11:05 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/70876