Drei Redakteure stellen zehn Sendungen vor, die auch im kommenden Fernsehjahr laufen sollen.
«Hell’s Kitchen» (mittwochs, 20.15 Uhr)
12 Staffeln, noch immer ansehnliche Quoten – das ist die Bilanz von «Hell‘s Kitchen» auf FOX in den USA. Eine gute Chance also, dass das Format auch in Deutschland funktionieren könnte? Diesem Trugschluss fiel bereits RTL zum Opfer, als der Kölner Sender vor einigen Jahren «Teufels Küche» mit einem noch weitgehend unbekannten Christian Rach nach US-amerikanischem Vorbild ins Rennen schickte, das sich aufgrund mäßiger Quotenerfolge jedoch nur eine Staffel hielt. In den vergangenen Wochen startete Sat.1 mit «Hell’s Kitchen» einen zweiten Anlauf, doch das deutsche Fernsehpublikum will sich einfach nicht für die Showidee begeistern. Dabei machte Sat.1 in diesem Jahr einiges richtig. Dreh- und Angelpunkt des Formats ist nach wie vor der Kochlehrer: In den USA schaffte es Gordon Ramsay, Choleriker mit Herz, wunderbar zu polarisieren und dadurch das Fernsehpublikum langfristig an sich zu binden. Auch Frank Rosin vermag es in der deutschen Neuauflage gut die Brücke zwischen knallhartem Chef und fairem Mentor zu schlagen und zeigte damit, dass er ein solches Format tragen kann. Die Gagen für die prominenten Kochlehrlinge und das Restaurant-Studio machten die Sendung jedoch zu einem solch aufwendigen Unterfangen, dass die ständigen Marktanteile unter Senderschnitt wohl nicht für eine Verlängerung genügen.
«Keep Your Light Shining» (donnerstags, 20.15 Uhr)
Trotz intensiver Marketingmaßnahmen startete der von Annica Hansen moderierte Gesangswettbewerb am 22. Mai vor gerade einmal 1,17 Millionen Fernsehenden. In der werberelevanten Zielgruppe standen nur magere 9,1 Prozent zu Buche, womit das Format unter dem Niveau des Flops «Millionärswahl» vom Stapel lief. Sieben Tage später ging es weiter bergab. Die Absetzung der ProSieben-Musikshow ließ nicht lange auf sich warten: Gemeinsam mit den Quoten der dritten Folge gab der Münchner Sender bekannt, das Projekt aufzugeben. Schade, denn auch wenn der Showablauf noch etwas gestrafft werden könnte, wusste die Idee eines Gesangswettstreits, bei dem die Kandidaten ein und denselben Song zum Besten geben müssen, während das Publikum live via App übers Weiterkommen entscheidet, zu packen.
«100 Songs, die die Welt bewegten» (dienstags, 21.15 Uhr)
Musikformate tun sich bei den privaten Vollprogrammen seit einigen Jahren recht schwer. Auch die bereits seit einigen Jahren zum Senderinventar gehörende RTL-«Chart Show» ist Quotenschwankungen ausgesetzt und bei ihrem Erfolg stark vom Thema und dem Konkurrenzprogramm abhängig. Zudem beklagen Musikliebhaber regelmäßig, dass sie zu sehr auf leichtfüßige Unterhaltung setzt und zu wenig Erkenntnisse liefert. Die achtteilige VOX-Dokumentation «100 Songs, die die Welt bewegten» wiederum nahm die Welt der Pop- und Rockmusik ernster und behandelte neben amüsanten Anekdoten auch Künstlerbiografien, die steten Wandel der Branche und auch populäre Fehlinformationen über beliebte Lieder. Die Premiere räumte mit 10,0 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe auch ordentlich ab, in den Folgewochen lief es dagegen schlechter. Unterm Schnitt sprangen nur mäßige 7,3 Prozent raus. Auf der hohen Qualität des Formats wäre eine Fortsetzung dennoch wünschenswert. Und wenn es nicht 100 weitere weltbewegende Songs sein sollen, dann vielleicht «100 Filme, die die Welt bewegten»?
«Stuckrad-Barre» (donnerstags, 23.15 Uhr)
Wen wundert es, dass trotz ganz viel Werbung für eine gesunde Wahlbeteiligung, sich noch immer ein Großteil der Jugend nicht für Politik interessiert? Insbesondere im Fernsehen haben Jugendliche und generell Personen, die mit der Politik nicht warm werden wollen, die Möglichkeit, vertrauter mit Wahlprogrammen, Politikern oder Hintergründen zu werden, insbesondere wenn kurze Zeit später eine Wahl ins Haus steht. Nur leider ist die dröge Atmosphäre vieler Polit-Talks diesem Vorhaben nicht gerade zuträglich. Für unterhaltsame Abwechslung sorgte Benjamin Stuckrad-Barre, der mit seinen Sendungen «Stuckrad Late Night» bei ZDFneo und «Stuckrad-Barre» bei Tele 5 zeigte, wie man einen Polit-Talk mit viel Humor, Charme und Agilität aufpeppen kann und sogar auch die sonst so distanziert wirkenden Politiker dazu bringen kann sich von einer sehr viel persönlicheren Seite zu präsentieren. Anders als andere Genrevertreter lud das Format zum Schmunzeln ein und sorgte mit einer leichten Anarcho-Attitüde auch für Schlagzeilen, als beispielsweise FDP-Politiker Martin Lindner während der Sendung an einer Hasch-Zigarette zog. Die Zuschauer dankten es nicht: 0,6 Prozent bei allen, 0,8 Prozent in der Zielgruppe – später wechselte der Moderator zum rbb.
«Null gewinnt» (freitags, ab 18.50 Uhr)
Bevor Das Erste mit «Quizduell», Jörg Pilawas losgelöste Moderation des Formats und die zahlreichen Technikpannen der App-Adaption in die Medienschlagzeilen geriet, versuchte die öffentlich-rechtliche Anstalt, die Programmfarbe Quiz mit dem Ratespaß «Null gewinnt» neu zu beleben. Moderiert von Dieter Nuhr und Ralph Caspers verstand sich die einstündige Sendung als eine Art umgekehrtes «Familienduell». Auf Fragen galt es nicht, die Topantwort zu finden, sondern eine korrekte Antwort, auf die möglichst wenig Menschen kommen. Somit vereinte die Sendung Wissensspiel mit einer guten Dosis Humor – im Gegensatz zum britischen Original fand «Null gewinnt» jedoch nur wenig Zuspruch beim Publikum. Desaströse 5,2 Prozent Marktanteil standen insgesamt zu Buche, bei den Jüngeren kamen schwache 3,2 Prozent bei den Jüngeren. Um der genialen Idee zuliebe wäre ein Revival dennoch eine erfreuliche Nachricht. Zur Not mit App-Einbindung?
«Tagesschaum» (drei Mal wöchentlich, 23.15 Uhr)
Im Vorfeld der Bundestagswahlen versuchte Journalist Friedrich Küppersbusch, „Leute mit sanftem Nachdruck bis an die Tür des Wahllokals“ zu begleiten. Dieser Nachdruck erfolgte in Form einer ganz eigenmütigen Mixtur aus Kommentar, Satire und Information über das politische Tagesgeschehen. Im Internet erarbeitete sich die von Stefan Niggemeier und Stefan Reinecke mitverfasste Sendung eine große Fangemeinde, die Einschaltquoten fielen mit 1,4 Prozent insgesamt und 0,7 Prozent bei den Jüngeren auch an WDR-Maßstäben gemessen mau aus. Doch gut Ding will Weile haben und die Diskrepanz zwischen TV-Erfolg und Webpopularität sollte gerade beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht zu viel Gewicht haben. Gerne mehr davon. Vor der Europawahl hätte die TV-Landschaft den «Tagesschaum» dringend gebraucht!
«Durch die Nacht mit …» (monatlich sonntags, 22.15 Uhr)
Nach zwölf Jahren bekam «Durch die Nacht mit…» endlich einen moderaten Sendeplatz im Programm von arte. In den vergangenen Jahren wurde das Format in der Nacht von Samstag auf Sonntag ausgestrahlt, inzwischen werden neue Episoden einmal im Monat sonntags um 20.15 Uhr gesendet. Im Vordergrund stehen zwei Prominente, die gemeinsam ein Abenteuer erleben. Der Zeitraum variiert zwischen ein paar Stunden und einem Wochenende. Zu den bemerkenswertesten Ausgaben gehörten das Aufeinandertreffen von Anne Will und Serdar Somuncu in Istanbul. Neben deutschen Stars wie Wolfgang Joop, Uli Edel, Kraftclub, Lena Meyer-Landrut, Henrik M. Broder und Kai Diekmann, stehen auch international anerkannte Menschen wie James Ellroy, Moby, James Franco, Stanley Tucci und Gregory Porter vor der Kamera. Das Besondere an der Sendung ist, dass man völlig ohne Moderator oder Redaktion auskommt.
«Der Lehrer» (donnerstags, 21.15 Uhr)
2009 noch als Sitcom mit dramatischen Zwischentönen gestartet, kehrte
«Der Lehrer» 2013 als Dramedy mit längerer Laufzeit und stärkerer Kritik am deutschen Schulsystem auf die Bildschirme zurück. Inhaltlich und darstellerisch wusste die RTL-Serie in ihrer neuen Form zu überzeugen, die Drehbücher waren weitestgehend ebenfalls gelungen, manche Episoden hätten nur einen Hauch mehr Subtilität vertragen können. Vor allem hätte «Der Lehrer» aber mehr Erfolg verdient gehabt. Nur die beiden letzten Folgen der achtteiligen Staffel lagen bei den Werberelevanten über Senderschnitt, die erste Hälfte der Staffel schrieb bei den Umworbenen richtig enttäuschende Zahlen.
«Mit offenen Karten» (samstags, gegen 15.00 Uhr)
Bereits seit dem Jahr 1992 führt der Franzose Jean-Christophe Victor durch die Welt der Karten. Das Konzept ist weder besonders spannend, noch innovativ. Dennoch ist «Mit offenen Karten» die am längsten laufende Sendung beim deutsch-französischen Kulturkanal arte. Aufgrund niedriger Einschaltquoten verlor das Format seinen Sendeplatz am Samstag um 19.00 Uhr und ist seit Jahresbeginn am Samstagmittag zu sehen, die genauen Sendezeiten variieren. Zuletzt wurden die Olympischen Winterspiele von Sotchi, die Zukunft des Panama-Kanals und die neutrale Macht Schweiz behandelt. Das knapp zwölfminütige Format arbeitet fast elf Minuten ausschließlich mit Landkarten und erklärt historische, wirtschaftliche oder geopolitische Sachverhalte.
«Herr Eppert sucht…» (donnerstags, 23.00 Uhr)
Thorsten Eppert schafft es wie kaum ein anderer so grundehrlich und aufrichtig neugierig an seine Reportage-Themen heranzutreten. Anders als der Großteil der Wissens-Dokus befasst sich „Herr Eppert“ mit populär-philosophischen und sehr viel wenig greifbareren Themen, die jedoch im Vergleich zur x-ten Doku über den zweiten Weltkrieg dem Zuschauer Informationen und Eindrücke vermitteln, die für die Lebenswirklichkeiten der Zuschauer wesentlich relevanter sind. Wenn Thorsten Eppert sich beispielsweise mit universellen Themen wie Glück, Liebe, Tod, Heimat oder Ruhe befasst, holt er sich mit seinem Mix aus Sympathie, Gutmütigkeit und der für einen Journalisten notwendigen Hartnäckigkeit allerlei interessante Meinungen von Fachkundigen des jeweiligen Themengebietes ein und erweitert damit den Horizont eines jeden Zuschauers, auch in Bezug auf die Fernsehenden, die schon alles über das jeweilige Thema zu wissen geglaubt haben. Damit zeichnete sich «Herr Eppert sucht…» wohl als qualitativ hochwertigsten Produktion am ZDFneo-Donnerstag, an dem der Digitalsender bereits viele Eigenproduktionen präsentierte. Die Quotenerfolge im Rahmen der Ausstrahlungen am späten Abend lassen jedoch noch auf sich warten. Dabei beweist Thorsten Eppert, dass es, wie im Rahmen etlicher Wissensmagazine, nicht immer abgefahrene Themen sein müssen, um für Abwechslung zu sorgen – das vermeintlich Alltägliche kann allerlei neue und interessante Aspekte zu Tagte fördern – eine Erkenntnis, die das Grimme-Institut in diesem Jahr bereits mit einer Nominierung bedachte.