Mal einen unkritischen Blick wagen

Fußball-Kommentator Wolff Fuss ist eigentlich immer auf Höhe des Balls. In diesem Sommer darf der die WM aber ganz entspannt verfolgen. Quotenmeter.de verrät er, wofür er die Zeit nutzt und was einen guten TV-Kommentator ausmacht.

Ich bin keiner der Skeptiker und tippe einfach so lange auf Deutschland als Weltmeister, bis mir einer das Gegenteil beweist. Viele Länder beneiden uns um unsere Nationalmannschaft. Bis zum Thron fehlen höchstens Millimeter und ich hoffe, dass Jogi Löw sie in diesem Jahr freilegen kann.
Sky-Kommentator Wolff-Christoph Fuss
„Alles entspannt“, grinst Fußballkommentator Wolff-Christoph Fuss. Gerade hat er sich das Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft in einem Berliner Hotel-Garten angeschaut. Mit etwa 30 anderen Gästen, darunter zufällig auch Ex-Kicker Mario Basler. Für seinen Heimatsender Sky ist der 38-Jährige in diesen Tagen nicht im Stadion unterwegs. Nach 2002, 2006 und 2010 entschied sich der Pay-TV-Anbieter die WM in Brasilien nicht parallel zu ARD und ZDF zu übertragen. „Es ist richtig schön, mal einen emotionalen und unkritischen Blick auf die Spiele zu werfen. Ich muss nicht alles hinterfragen, darf mich einfach mal freuen“, sagt Fuss, den nicht wenige zur Zeit für den besten deutschen Fußballkommentator halten.

Seine Karriere begann Fuss vor vielen Jahren bei Sport1, dann wechselte er zu Premiere, wo er neben der Bundesliga vor allem in der Premier League für Furore sorgte. Ganz große Aufmerksamkeit erlangte er ab 2009, als er für «ran – Sat.1 Champions League» drei Jahre lang durch Europa tourte. Zudem arbeitete er für Liga total! und Sport1. Als Sat.1 und Liga total! die Rechte verloren, ging er zurück zu Sky, darf inzwischen dort sogar bei Finalspielen ran. „Ich darf Woche für Woche die größten Spiele des europäischen Vereinsfußballs kommentieren. Sky hat gute Gründe, warum sie keine Live-Rechte an der WM erworben haben.“ antwortet er auf die Frage, ob er WM-Spiele bei Sky begrüßt hätte. Keine Frage aber sei, dass eine WM für einen Sportjournalisten immer etwas Tolles sei.

Ein solches Turnier sei wegen seines Event-Charakters alleine schon einmal nicht vergleichbar mit der spielerisch ebenfalls auf sehr hohem Niveau angesiedelten Champions League. „Man hat so etwas nur alle zwei Jahre – und da macht es dann sogar Spaß mal richtige Exoten zu sehen, wo plötzlich Spieler Säulen einer Mannschaft sind, die eigentlich zum letzten Mal vor fünf Jahren bei uns in der zweiten Liga rumgefallen sind“, witzelt Fuss. Für seine lockeren Sprüche ist der 38-Jährige schließlich bekannt. Für seinen Haussender Sky darf er vielleicht auch deshalb in diesen Wochen nach Kommentatoren-Nachwuchs casten. Vor einigen Wochen endete ein entsprechender Aufruf, derzeit werden die Kandidaten gesichtet.

„Ein guter Kommentator muss authentisch sein. Jeder, der Kommentator werden will, ist schon einmal in höchstem Maße regelkundig und kennt die Spieler“, ist er sich sicher. „Wichtige Fragen sind dann: Kann er mit Sprache umgehen? Hat er eine gute Stimme?“ Am Ende müsse ein jeder angehender Kommentator wissen, es sowieso nie allen recht machen zu können. „Wer wirklich jedem gefallen will, fängt an zu spielen und das nimmt der Zuschauer nicht ab.“ Die Grundformel von Fuss: Wenn 50 Prozent dich als Kommentator mögen, hat man viel gewonnen.

Neben dem Kommentatoren-Casting und einigen Auftritten beim Sky-Nachrichtensender Sky Sport News HD während der Weltmeisterschaft bereist der 38-Jährige derzeit die ganze Republik, um sein neues Buch vorzustellen und daraus zu lesen. In Berlin sei er kürzlich in einer Jugendarrest-Anstalt gewesen, habe 90 Minuten lang mit jugendlichen Straftätern über Fußball diskutiert. Eine neue Welt für den Fußballfachmann. Wichtige WM-Spiele schaut er trotzdem in Ruhe und nicht auf großen Fanfesten. Langweilig wird es Fuss bis Mitte August, wenn die Liga und der Pokal wieder starten, also sicherlich nicht.
26.06.2014 10:26 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/71435