Popcorn und Rollenwechsel: Die Ersten sind die Besten
Ein jeder weiß: Eine Fortsetzung ist nie so gut! Nicht wahr?
Neulich im Foyer des Kinos meiner Wahl: Während ich darauf warte, dass die Kassiererin endlich zu ihrem Platz zurückkehrt und mir mein Wechselgeld überreicht, blickt das ältere Pärchen hinter mir auf den Bildschirm mit der Programmübersicht. Und beginnt, zu lästern: „Herrgottsakramentnochmal. Fortsetzungen, Fortsetzungen, Fortsetzungen. Gibt es überhaupt noch neue Filmgeschichten?“ –„Himmelherrje, ja. Das ist sicher schon der zwölfte «Planet der Affen», Richard.“ „Und diese ganzen Fortsetzungen sind eh allesamt schlechter als der erste Teil!“
Ungewöhnlich sind derartige Unterredungen wahrlich nicht. Die These, dass nichts an das Original heranreicht, ist sogar dermaßen populär, dass sie dieses Frühjahr im Intro zu «Muppets Most Wanted» von Kermit dem Frosch und Fozzie Bär sogar musikalisch verewigt wurde. „Die Story geht weiter, so läuft das hier in Hollywood. Obwohl ein jeder weiß: Eine Fortsetzung ist nie so gut!“, singt das geschuppt-pelzige Duo, ehe es aus Angst vor Repressionen eilig aus dem Bild tanzt und in der nächsten Einstellung wieder sein eigenes, gerade beginnendes Sequel lobpreist.
Ein chronologischer Streifzug durch die Filmgeschichte kommt zunächst auch einer Bestätigung der frechen Aussage gleich, die die Muppets so humorvoll trällern. Steven Spielbergs «Der weiße Hai» ist ein Glanzstück des Spannungskinos, die Fortsetzungen werden mit jedem Mal lächerlicher. Die mehrfach Oscar-prämierte Verquickung aus Kriminalfilm und Rassendrama «In der Hitze der Nacht» beeindruckt noch heute, die Fortsetzungen sind bestenfalls nett. «Halloween» revolutionierte das Horrorgenre, die Sequels sind weitestgehend Fließbandware. Und während «Matrix» berechtigterweise zum Kultfilm erhoben wurde, werden manche Zeitgenossen noch immer zu kratzenden, beißenden Ungetümen, sollte in ihrer Nähe von den Fortsetzungen gesprochen werden.
Aber wenn ich ganz ehrlich bin: Der Glaube, dass Fortsetzungen schlecht sind, deckt sich lange nicht mehr mit dem modernen Filmangebot. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass immer öfter der Erstling einer Kinoreihe der schwächste Part ist. Dass ist zwar noch nicht zur Regel geworden, geschieht allerdings so häufig, dass es ebenso wenig weiterhin als Ausnahme durchgeht. Innerhalb des aktuellen «Planet der Affen»-Reboots wischt der hochspannende, smarte «Revolution» mit dem bereits gelungenen Vorgänger namens «Prevolution» den Gorilladreck auf. Und so spaßig die erste Hälfte von «Iron Man» sein mag, an Shane Blacks energetischen «Iron Man 3» reicht der Erstling nicht heran. «Die Tribute von Panem – Catching Fire» ist intelligenter, besser gespielt und in seiner Satire bissiger als der kurzweilige, aber hinter seinem Potential zurückbleibende «Die Tribute von Panem – The Hunger Games», und da die noch ausbleibenden zwei Filme auf das schwächste Element ihrer Vorgänger verzichten werden, besteht weiterhin Luft nach oben.
Mit «The Raid 2» gibt es in deutschen Kinosälen aktuell außerdem den überwältigen, aufregenden nächsten Akt in der Story von «The Raid» zu sehen, der praktisch jeden einzelnen Schnitzer seines Vorläufers ausbügelt. Damit ist er im Grunde genommen, so kurios das klingen mag, ein Bruder im Geiste von «Planes 2 – Immer im Einsatz». Bessere Optik, interessantere Figuren und ein Drehbuch, das nicht so lau ausfällt wie beim Erstling, machen sowohl den ultraharten Polizeifilm als auch Disneys liebenswerte Flugzeuggeschichte zu qualitativen Neustarts ihrer jeweiligen Franchises.
Ich hätte es mir als Kind nie erträumen lassen, doch ich muss Kermit, dem berühmtesten Frosch der Weltgeschichte, leider widersprechen. Und natürlich auch dem älteren Paar, das im Kinofoyer hinter mir die Lage der Filmindustrie für unrettbar erklärt hat. Wenn das nun bedeuten würde, dass sich die nette Kassiererin wieder blicken lässt, wäre meine Welt in Ordnung. Aber vielleicht spart sich mein Kino die Rückkehr der jungen Dame für ein anderes Mal auf? Für ein Sequel braucht es ja immerhin ein paar lose Fäden, nicht wahr? Tja, in diesem Sinne heißt es dann jetzt wohl: Fortsetzung folgt!