Popcorn und Rollenwechsel: Handyhölle Kino
Das ständige Rumgespiele am Smartphone nervt ab sofort nicht nur in den Kinoreihen, sondern sogar auf der großen Leinwand.
Neulich im Multiplex meiner Wahl: Die Kassiererin verschwindet plötzlich, um bei einem Kollegen einige Cent für mein Wechselgeld zu holen – und taucht erst lange Zeit später wieder auf. Auf dem Weg zum Saal fällt mir obendrein auf, dass die Gute meine Antwort auf ihre Frage „Wo möchten Sie sitzen? Vorn? Mittig? Hinten?“ wohl missinterpretiert haben muss. Ich wollte „mittig im ersten Drittel des Saals“ sitzen und erhielt eine Karte für Reihe zwölf. Reihe zwölf von 20. Nicht das, was ich wollte. Und nicht unbedingt ideal für einen 3D-Film. Vor allem aber: Ich habe die vorderen Reihen bei vollen Vorführungen auch daher lieben gelernt, weil ich somit logischerweise weniger Menschen vor mir sitzen habe als weiter hinten. Und je weniger Kinogänger in meinem Blickfeld sind, desto geringer die Anzahl an potentiellen Dauer-Smartphonenutzern.
Ich weiß noch, wie es war als die Handyplage in den Kinos anfing. Damals haben viele Leute sich noch für ihre Handynutzung geschämt und ihr Display mit einer Hand verdeckt oder das Handy auf Hüfthöhe gehalten. Mittlerweile dagegen sind Smartphones mit ihren Benutzern verwachsen, eine absolute Selbstverständlichkeit – und werden daher voller Stolz auf Augenhöhe emporgehoben. Man will ja die Fotos auf dem IMDb-Profil eines Darstellers direkt mit der Visage auf der großen Leinwand vergleichen. Oder WhatsApp und das Filmgeschehen gleichzeitig im Blick haben, um möglichst wenig zu versäumen, während man einem Kumpel schreibt, wie öde der Streifen ist.
Da ich noch einige Zeit habe, bis ich 30 Jahre alt bin, zähle ich mich dreist zu den jungen Kinogängern und somit zum Mitglied der technikaffinen Altersgruppe. Mir kann also niemand vorwerfen, ich würde einfach nur „über diese unmögliche Jugend von heute“ meckern. Zumal viele der Täter im Saal so aussehen, als seien sie älter als ich. Ich habe schlicht kein Verständnis dafür, dass sich Leute ununterbrochen über horrende Eintritts- und Verzehrpreise aufregen, dann aber ihre Aufmerksamkeit unentwegt auf ihr Smartphone richten.
Ich kann mich da wohl nur glücklich schätzen, nicht in China zu leben, denn laut 'China Youth Daily' wird dort aktuell mit einer interaktiven Form des Kinobesuchs experimentiert: Einige Kinos bieten einen kostenpflichtigen Service an, des es ermöglicht, eine Textnachricht zu schreiben, die während des laufenden Films auf der Leinwand gezeigt wird. Inspiriert sei dies durch den Umstand, dass noch immer für viele Chinesen ein Abstecher ins Lichtspieltheater ungewohnt ist. Dafür wurde es längst landesweit Usus, Filme auf dem Smartphone zu schauen. Währenddessen wird üblicherweise mit Freunden darüber getextet, was einem am Film gefällt und was nicht. Und dies sollen die sogenannten „Bullet Screen“-Vorführungen im leinwandfüllenden Stil imitieren. Zuschauer, deren Akku zu neige geht, können sogar via Textnachricht Ersatzakkus ordern, die von Kinomitarbeitern gereicht werden.
Zwar laufen einige namhafte chinesische Regisseure Sturm gegen diesen Trend, doch ihnen sind die Hände gebunden: Es sind die Autoren, die beim Vertragsabschluss mit Produzenten gegen die Option einer „Bullet Screen“-Auswertung ihres Werks stimmen müssen, wenn sie dagegen sind, dass sich Film und Zuschauerkommentare auf der Leinwand treffen.
Wie idiotisch das „Bullet Screen“-Konzept ist, muss ich ja hoffentlich nicht erklären. Schließlich bekommt dadurch ein gesamter Kinosaal das Geschreibsel fremder Menschen aufgehalst – parallel zum Film. Der wird somit in seiner Wirkung beschränkt. Dramen und Thriller verlieren an Atmosphäre, bei Actionfilmen wird die audiovisuelle Kraft durch blöde Kommentare verwässert. Hoffentlich bleibt China auf dieser Schnapsidee sitzen. Wenn ich in Filmen Textnachrichten lesen will, dann so:
Abgesehen von Textnachrichten, die zum Film gehören, hat das Kino eine von Smartphones befreite Zone zu sein. Ende der Durchsage. YOLO, ROFL. LOL. Angryface!