Auch wenn die Promis bei «Sing wie dein Star» live singen, hat Pilawas Musiksendung einen gewissen «Mini Playback Show»-Vibe.
Was für ein Showabend
Die erste (und womöglich letzte) Ausgabe von «Sing wie dein Star» suchte sich einen hart umkämpften Abend für ihre Ausstrahlung aus. Bei ProSieben buhlte «Schlag den Raab» mit der ersten Folge nach der Sommerpause ums Publikum, im ZDF wiederum warb die musikalisch geprägte Live-Gala «40 Jahre Deutsche Krebshilfe» um die Zuschauer. Vor allem die Kampfprogrammierung zwischen ARD-Musikspaß und ZDF-Charityshow wurde auch von Fritz Pleitgen scharf kritisiert. Mehr dazu
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Selbst der Quizonkel braucht ab und zu etwas Abwechslung. Und so präsentiert Jörg Pilawa nach einer Reihe von Ratesendungen, in denen er genüsslich sein Image auf den Arm nahm und ganz nebenher frische Quizkonzepte vorstellte, eine moderne Version der «Mini Playback Show». Alles, was den 90er-Hit ausmachte, ist nun zur besten Sendezeit im Ersten anzutreffen: Die Kandidaten kommen in der Aufmachung eines vergötterten Musiksuperstars auf die Bühne und versuchen sich (mal schlecht, mal recht) von bunten Lichtern begleitet an einer Choreographie. Die wirkt so, als würden die Teilnehmer für «Switch reloaded» eine persiflierende Version des imitierten Interpreten einstudieren – das hat Charme und Witz, ist aber auch ohne Zweifel keine gute Bühnenperformance im üblichen Sinne. Im Anschluss kommentiert eine wohlwollende Jury das Gesehene.
Dennoch ist «Sing wie dein Star» kein Revival des 90er-Quotenhits. Die Adaption des in rund 30 Länder verkauften, spanischen Formats «Your Face Sounds Familiar» setzt, im Gegensatz zu Marjike Amados Kindersendung, auf Livegesang. Und es sind hier keine Kinder, die so tun als wären sie Superstars – es sind deutsche Promis, die in die Kluft ihrer Vorbilder schlüpfen. Dies ändert aber wenig daran, dass der Auftritt mehr zählt als das stimmliche Können. So versetzt «Bauer sucht Frau»-Moderatorin Inka Bause als Cher das Saalpublikum nahezu in Euphorie. Dabei passt der Song „If I Could Turn Back Time“ wenig zum Timbre ihrer Gesangsstimme und die längeren Noten trifft sie auch schlechter als etwa Michelle, die sich zuvor in Katy Perry verwandeln ließ. Dafür mutiert Bause im Studio aber zur Rampensau, interagiert mit ihren hyperaktiven Backgroundtänzern, der Jury sowie dem Saalpublikum.
Insofern hat die Grundidee von «Sing wie dein Star» etwas von einer Promi-Kostümparty. Die Kandidaten Michelle, Janina Hartwig, Matthias Steiner, Lutz van der Horst, Francis Fulton-Smith und Inka Bause schmeißen sich in ikonische Outfits von Tom Jones, Freddy Mercury, Madonna und Konsorten, hüpfen mit ansteckender Freude am Auftritt vor einer schillernd beleuchteten Showbühne herum und obendrein singen sie eben. Neue Gesangstalente werden hier nicht entdeckt – die Promis ohne Musikhintergrund machen ihren Vorbildern wahrlich keine Konkurrenz. Trotzdem muss den Teilnehmern, ihren Gesangstrainern und wohl auch den fürs Casting verantwortlichen Redakteuren ein Kompliment ausgesprochen werden: Obwohl der Gesang eher schmückendes Beiwerk darstellt, lassen sich die Darbietungen der Promis angenehm hören. So gesehen ist «Sing wie dein Star» auch eine bessere Version der grottigen RTL-Show «Star Duell», die 2004 eine verdiente Bruchlandung hinlegte.
Ein gewisser Anteil des Sehvergnügens generiert sich auch aus der Unterschiedlichkeit der gesanglichen Leistungen: Matthias Steiners Tom-Jones-Cover „It's Not Unusual“ klingt nach einer soliden Elvis-Nummer, Lutz van der Horst gibt sich eher als Howard-Carpendale-Parodist und Janina Hartwig versucht sich ganz stringent darin, Madonna zu imitieren. Wenn Pilawa dagegen zur Eröffnung des Abends zur Melodie von ABBAs „Dancing Queen“ bemüht die Showidee erklärt und daraufhin hoch und heilig verspricht, nie wieder zu singen („Hat hier jemand 'Zugabe!' gerufen? Nein? Sehr gut! Sonst hätte ich denjenigen rausgeschmissen!“), beweist der Quizexperte, dass er auch für andere Showstoffe geeignet ist.
Dass allein die Jury (Yvonne Catterfeld, Ben Becker & Rolando Villazón) und das Saalpublikum abstimmen dürfen, entschuldigt Pilawa derweil damit, dass man heutzutage eh keine Zuschauervotings wagen sollte. Der wahre Grund ist, dass es sich bei «Sing wie dein Star» um eine Aufzeichnung handelt. Da die Show auch ohne Livecharakter funktioniert, fällt dies aber nicht weiter ins Gewicht. Sollte Das Erste mit einer Fortsetzung liebäugeln, wäre es dafür ratsam, den Sendungsablauf zu straffen. Denn zumindest die Premiere ließ sich so ihre Zeit: Vor jedem Auftritt gibt es einen ausgedehnten Beitrag, der die Proben zeigt, wobei die Clips zum ersten Durchlauf außerdem eine Vorstellung des Promis und ein Interview zwischen Pilawa und dem Kandidaten umfassen. Nach der Performance folgen darüber hinaus eine lange Jurystellungnahme sowie Videogrußbotschaften von Kollegen des singenden Promis.
Zum Vergleich: Bevor auch nur der zweite Vorstellungsclip des Abends anfing, wurden parallel dazu bei «Schlag den Raab» (der Mutter der modernen deutschen Showlänge) fünf potentielle Kandidaten vorgestellt, Raabs Herausforderer gewählt und das erste Spiel absolviert. Die lange Laufzeit ist natürlich kein Problem, das sich auf «Sing wie dein Star» beschränkt. Seit Stefan Raabs epochale Wettbewerbsshow Teil der hiesigen Fernsehlandschaft ist, scheint sich jede neue Produktion mit ihr messen zu wollen. „Kurz und knackig“ sollte aber kein Tabu sein. Manche Shows können mehr als drei Stunden tragen – wie nun einmal «Schlag den Raab». «Sing wie dein Star» hingegen will gar nichts vom Bombast der Raab-Show haben – wieso also nicht die Spritzigkeit der Bühnenauftritte unterstreichen und die Sendung rascher abhandeln?
Mit weniger Einspielern, die sich zudem kürzer fassen, und notfalls auch im Schneideraum zusammengerafften Jurykommentaren kann «Sing wie dein Star» gut und gerne 30 bis 45 Minuten Laufzeit verlieren. Und somit an Energie gewinnen, sich auf Anblicke konzentrieren, wie Matthias Steiner als Meat Loaf, Lutz van der Horst als Amy Winehouse und Michelle in einer toll gefilmten Mireille-Mathieu-Hommage. Schade nur, dass sich das wenig geräumige, etwas piefige Bühnenbild trotz vielseitigem Lichtdesign kaum für die oft mit vielen Requisiten und Tänzern arbeitenden, exzentrischen Auftritte eignet.
Unterm Strich bot die «Sing wie dein Star»-Premiere genau das, was sie wollte. Es war gut, entgegen ursprünglicher Pläne keine mehrwöchige Wettbewerbsshow daraus zu machen, denn für diese Dramaturgie ist das Format in dieser Form nicht geschaffen. Und selbst wenn entgegen Pilawas Urteil nicht ausschließlich die Crème de la Crème der deutschen Medienszene dabei war, entschied man sich für eine illustre Runde aus oft gesehenen und raren Promishow-Teilnehmern. Auch die Idee, jeden Promi einen Song aussuchen zu lassen und ihm einmal eine Aufgabe aufzudrücken, sorgt für eine gewisse Vielfalt. Und wenn eine potentielle zweite Folge das Ganze rascher ablaufen lässt, dann lässt sich mit Fug und Recht zusammenfassen: «Sing wie dein Star» ist eine kleine, feine, etwas alberne Show, in der bekannte Gesichter harmlosen, ansteckenden Spaß haben. Es gibt wahrlich Unschöneres im deutschen Fernsehen.