Schlechteste Quoten seit Jahren: Dem Premium-Sender Pro Sieben laufen die Zuschauer davon - und die Konkurrenz ist schadenfroh
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Pro Sieben mußte in den letzten Monaten abenteuerliche Quotenverluste hinnehmen. Im Vergleich zum Vorjahr mußte man in der Zielgruppe der 14- bis 49Jährigen ein Viertel seiner Zuschauer abgeben und lag damit im Juni nur noch bei einem Marktanteil von 10,6 Prozent - dem schlechtesten Wert seit Jahren (Quotenmeter berichtete).
Trotz der Konkurrenz durch die Fußball-WM in den letzten Wochen ist das sicherlich ein Desaster für den selbst ernannten 'Premium-Sender', der lange Zeit getönt hatte, die Marktführerschaft bei den 14- bis 49-Jährigen zu übernehmen.
Die Konkurrenz glaubt, daß das schlechte Abschneiden selbst verschuldet ist und heuchelt auf Grund des Falls gar nicht erst Anteilnahme. Regelrecht vernichtend fällt zum Beispiel eine Diagnose aus der Führungsetage von RTL aus. 'Das Image von Pro Sieben ist völlig diffus geworden', heißt es beim Marktführer. 'Die Marke Pro Sieben, die mal eine gute Spielfilmmarke war, funktioniert nicht mehr.' Heute wisse die Zielgruppe doch gar nicht, warum sie den Sender einschalten solle. Stefan Raabs 'tv total', vor Jahren ein Quotengarant, sei mit der Ausweitung der Sendung 'zu Tode programmiert' worden, so RTL.
Aus Sicht der öffentlich-rechtlichen Sender liegen die Ursachen viel tiefer. 'Jetzt rächt sich, dass Pro Sieben nie Wert darauf gelegt hat, Redaktionsfernsehen zu machen', so das ZDF. 'Der Sender habe sich darauf beschränkt, Trends aufzugreifen und international erfolgreiche Formate produzieren zu lassen. Langfristig zahle es sich eben nicht aus, Fernsehen mit dem Scheckheft zu machen', heißt es schadenfroh. Man müsse auch eigene Formate entwickeln und Talente fördern: 'Wer immer nur auf Wellen setzt, geht irgendwann baden.'
Pro-Sieben-Geschäftsführer Nikolas Paalzow mag solche Vorwürfe natürlich nicht hören. 'Pro Sieben ist der FC Bayern unter den Fernsehsendern'. Spätestens bis zum Herbst will er den Sender wieder nach vorn bringen; für den Nachmittag zum Beispiel werden derzeit gleich eine ganze Hand voll neuer Formate entwickelt.
Mit Talkshows wie 'Arabella' und 'Andreas Türck' war Pro Sieben lange Zeit klarer Markführer am Nachmittag; Gerichtssendungen wie 'Das Jugendgericht' (RTL) oder 'Richter Alexander Hold' (Sat.1) sorgten allerdings für dramatische Verluste. Ob man nun seinerseits mit einer ähnlichen Reihe antworten wird, lässt der Geschäftsführer offen: 'Wir prüfen im Moment alle Optionen.'
Die 'Erfolgsrezepte', mit denen Paalzow die Krise langfristig meistern will: Top-Spielfilme, Top-Serien und Comedy. 'Dies haben wir im ersten Halbjahr nicht konsequent genutzt, und das müssen wir uns vorwerfen lassen', sagt er. Neue US-Serien sollen im Herbst für ähnlich viel Gesprächsstoff sorgen wie ein Jahr zuvor 'Sex and the City'. Mit Highlights dieser Art hofft Paalzow jene Kratzer auszubessern, die das vollmundig angekündigte Reality-Spektakel 'Mission: Germany' hinterlassen hat. Die aufgeblasene Schnitzeljagd kam auf klägliche fünf Prozent Markanteil. Auch die Wiederholung der Superserie 'Emergency Room' war ein völliger Flop. '
Der Pro-Sieben-Zuschauer erwartet eben immer Top-Entertainment', sagt Paalzow und ist trotzdem überzeugt, dass die 'kleinen Verwerfungen' keine Image-Schäden hinterlassenen und rasch zu korrigieren sind. Ungleich prägender für das Image seien all jene Formate, die im Sender selbst entwickelt wurden, weshalb er den Vorwurf, Pro Sieben mache kein Redaktionsfernsehen, auch nicht auf sich sitzen lassen will. Paalzow verweist auf Magazine wie 'Sam', 'taff' und 'Galileo' sowie die verschiedenen Comedy-Reihen: 'Würden wir immer nur auf Programmmärkten einkaufen, würde es 'tv total' nicht geben.'
Eine Lehre war ihm der Fehlschlag des Politthrillers 'Operation Rubikon', dessen zwei Teile nur jeweils 1,7 Millionen Zuschauer erreichten. 'Ein hervorragender Film, nur leider auf dem falschen Sender.' Deshalb werde Pro Sieben zwar auch in Zukunft TV-Movies produzieren, sich aber auf Stoffe beschränken, die das Publikum auch erwarte. Trotz der nach wie vor schwierigen wirtschaftlichen Lage bleibe es bei den angekündigten 15 Fernsehfilmen und fünf Kinokoproduktionen pro Jahr. Gespart aber wird auch: 'Wir haben unseren Etat der Umsatzentwicklung angepasst.'
Quelle: "Die Welt"