Wenn Politik auf Frau Lucas trifft

Am Samstagabend ermittelt Ellen Lucas in einem neuen Fall. Unsere Vorab-Kritik.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Ulrike Kriener als Ellen Lucas
Michael Roll als Boris Noethen
Anna Brüggemann als Alex Eggert
Lasse Myhr als Tom Brauer
Anke Engelke als Rike
Tilo Prückner als Max
Christina Große als Claudia Bittner

Hinter der Kamera:
Produktion: Olga Film GmbH
Drehbuch: Holger Karsten Schmidt
Regie: Tim Trageser
Kamera: Eckhard Jansen
In der Firma AI Drones, die ihre sensible Drohnentechnik offiziellen Statements zufolge ausschließlich für zivile Zwecke herstellt, wird eingebrochen und eine Festplatte entwendet. Die Identität des Täters ist dem Zuschauer dabei von Anfang an bekannt: Claudia Bittner arbeitet für die Firma, die sie in den ersten Szenen gerade bestiehlt. Sie ist mit Leon Kern liiert, dessen achtzehnjährige chinesische Tochter als Dissidentin in einem Straflager in der Volksrepublik festgehalten wird. Für den chinesischen Geheimdienst ein willkommener Anknüpfungspunkt, um Kern zu erpressen: Entweder er liefert streng geheime Daten aus der Entwicklungsabteilung von AI Drones – oder er sieht seine Tochter nie wieder. Kerns Lebensgefährtin hat großes Mitleid mit ihm und hilft ihm trotz starker Gewissensbisse.

In der Nacht des Einbruchs ist es jedoch nicht beim Diebstahl einer Festplatte geblieben. Einer der beiden Geschäftsführer von AI Drones, der Chinese Jian Chien, ist ermordet worden. Claudia Bittner scheidet als Täterin aus. Eine erste Spur führt zu einer Hilfsorganisation für chinesische Dissidenten, mit der Chien in Verbindung gestanden war.




Die neue Folge von «Kommissarin Lucas» ist so politisch geraten, wie es die Reihe bisher selten war. Glücklicherweise geht man jedoch nicht den Weg vieler anderer öffentlich-rechtlicher Krimiformate, in die der politische Diskurs zumeist in didaktisch-suggestiver Form Einzug hält. Nein, in „Der nette Herr Wong“ entspinnt sich aus der tragischen Grundsituation mit ihrem starken politischen Hintergrund ein interessanter, dicht erzählter Plot, der weder belehren noch am Stammtisch entworfene meinungszentrische Untertöne vermitteln will, sondern aus den politischen Zusammenhängen einen starken dramaturgischen Ausgangspunkt macht, von dem aus sich die Narrative ihren Weg bahnt.

Die fiktive Firma AI Drones ist nicht der erhobene Zeigefinger, mit dem ZDF-Redakteure von gestern pathetisch vor den vermeintlichen Gefahren von morgen warnen wollen, sondern Ausgangspunkt, um das Für und Wider, Chancen und Gefahren moderner Drohnentechnologie zu diskutieren. Manchmal etwas zu didaktisch, zu sehr aus Gründen der Pflichterfüllung und zu wenig aus Gründen dramaturgischer Notwendigkeit. Dabei aber ehrlich, unvoreingenommen, mit einem intelligenten und klugen Blick, ohne rechten Stammtisch oder linke Baumtänzerei. Das ist erfreulich clever und ausgewogen für einen öffentlich-rechtlichen Krimi.

In dieses Bild fügt sich auch der Sub-Plot um die in einem chinesischen Internierungslager festgehaltene Tochter von Leon Kern ein, der in seinen politischen Anklängen klar und unprätentiös Position bezieht, und aus dem sich im letzten Drittel noch ein dynamisches, wendungsvolles Katz-und-Maus-Spiel entspinnt. Da wird die von Ulrike Kriener wieder angenehm unaffektiert gespielte Ellen Lucas stellenweise ein bisschen aus dem narrativen Zentrum bugsiert. Doch auch das stört nicht. Im Gegenteil: Es ist Ausdruck davon, dass die dramaturgischen Prioritäten richtig gewählt wurden.

Das ZDF zeigt «Kommissarin Lucas – Der nette Herr Wong» am Samstag, den 20. September um 20.15 Uhr.
19.09.2014 10:17 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/73221