Nach langen Debatten haben sich Privatsender und Medienwächter nun auf einen Minimalkonsens hinsichtlich der Kennzeichnung von gescripteten Formaten einigen können. Er dürfte vor allem den Sendern in die Karten spielen.
Für TV-Gourmets und Kritiker sind Scripted Realitys wie «Verdachtsfälle», «Berlin - Tag & Nacht» oder «Anwälte im Einsatz» eines der größten Ärgernisse der aktuellen Fernsehlandschaft. Aufgrund geringer Produktionskosten und oftmals sehr guter Einschaltquoten greifen Privatsender jedoch insbesondere zur Daytime gerne auf diese Programmfarbe zurück, um Sendeplätze möglichst gewinnbringend zu füllen. Doch nachdem die Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein im Herbst des vergangenen Jahres derartigen Formaten ein "erhebliches Potenzial zur Desorientierung von jungen Zuschauern" zuschrieb und auf Grundlage dieser Erkenntnis auf Warnhinweise bestand, waren die Sendeanstalten gezwungen, mit den Landesmedienanstalten über konkrete Regelungen zur Umsetzung dieser Forderung zu verhandeln. Nun ist es zu einer Einigung gekommen, mit der wohl vor allem die Sender sehr gut leben können.
Die ausgehandelten Leitlinien sehen in erster Linie vor, dass entsprechende Sendungen künftig mit einem der folgenden Hinweise versehen werden: "Der/Die Fall/Geschichte/Handlung ist (frei) erfunden/(frei) erzählt.", "Alle handelnden Personen sind (frei) erfunden." oder "Nach einer/einem realen/tatsächlichen Geschichte/Handlung/Ereignis (frei) erzählt." Diese Markierung geschieht zum einen freiwillig und kann zum anderen bei Bedarf auch noch leicht abgewandelt oder ergänzt werden. Schwerer wiegt allerdings die Entscheidung, dass eine Kennzeichnung als gescriptetes Format erst im Abspann - und nur optional zu Sendungsbeginn - in "gut lesbarer" Schriftgröße zu erfolgen hat. Von offensiveren Platzierungen in üppiger Schriftgröße oder gar dauerhaft am Bildschirmrand ist hingegen nichts zu lesen. Bereits ausgestrahlte Episoden sind überdies komplett von der Regelung ausgenommen.
Gerade in Anbetracht der monatelangen Verhandlungen entpuppt sich diese Regelung nun als äußerst zahm und senderfreundlich, schließlich sind derartige Sätze schon jetzt bei den Produktionen der großen Sendestationen zu finden - und werden zum Teil sogar übererfüllt. Bestenfalls kann man den Medienanstalten also noch zugute halten, dass sie mit dem Beschluss eventuellen zukünftigen Tendenzen vorbeugen, die Hinweise nicht mehr zu platzieren und eine etwas einheitlichere Basis schaffen. Meint man es weniger gut mit den Medienwächtern, kann man allerdings auch von einer leeren Hülle sprechen, die für die tägliche Ausstrahlungspraxis von RTL, Sat.1 und Co. quasi wirkungslos ist.
Erwartungsgemäß tendiert Winfried Engel als Vorsitzender der Gremienvorsitzendenkonferenz der Landesmedienanstalten zu ersterer Interpretation: "Die Gremienvorsitzendenkonferenz begrüßt einhellig die verabschiedeten Leitlinien. Sie sind Ergebnis eines sachlich und konstruktiv angelegten Dialogs zwischen Gremienmitgliedern und Sendervertretern und legen den Grundstein für eine künftig verständlichere und besser wahrnehmbare Kennzeichnung von Scripted-Reality-Sendungen."
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