Eine Politserie, der es an Haltung fehlt, um eine Außenministerin, deren Privatleben auffallend stark in den Mittelpunkt gerückt wird. Ohje...
Hinter den Kulissen
- Produktion: CBS Television Studios und Revelations Entertainment
- Schöpferin: Barbara Hall
- Darsteller: Téa Leoni, Tim Daly, Patina Miller, Bebe Neuwirth, Evan Roe, Katherine Herzer, Željko Ivanek u.v.a.
- Executive Producer: Barbara Hall, Morgan Freeman, Lori McCreary und Tracy Mercer
Elizabeth Faulkner McCord hat den Washingtoner Politbetrieb hinter sich gelassen. Sie war mal eine hochrangige Analystin bei der CIA, doch seit kurzem unterrichtet sie an der renommierten University of Virginia. Ihre außenpolitische Expertise setzt sie nicht mehr im aktiven Tagesgeschäft ein, sondern nur noch wissenschaftlich – ein entspannterer Lebenswandel, als wenn einem ständig eilige Mitteilungen einen Strich durchs Privatleben machen. Das kann sie jetzt mit ihrem liebevollen Gatten, seines Zeichens Professor für Theologie, und zwei Kids im Teenageralter deutlich besser auskosten.
Das war zumindest der Plan.
Natürlich kommt alles ganz anders. Eines Abends, als Elizabeth gerade in entspannter Runde mit ehemaligen Kollegen aus CIA-Tagen in einem schicken Restaurant sitzt, tickert bei ihnen eine Eilmeldung über die Smartphones: Das Flugzeug der Außenministerin ist (wie sich später herausstellt: unter ziemlich mysteriösen Umständen) abgestürzt. Der Präsident muss den Posten rasch neu besetzen, Außenpolitik ist schließlich ein volatiles Geschäft. Und wer wäre für den Job qualifizierter als Elizabeth?
Der Commander-in-Chief fackelt nicht lange und stattet ihr flugs in ihrem Häuschen außerhalb der Metropole (mit Pferdchen im Stall!) einen Besuch ab. Er gibt ihr den Rest des Tages Bedenkzeit, ob sie das Amt will, und fügt beim Hinausgehen ein abgedroschenes „I won’t take no for an answer“ an, nachdem er schon vorher an Plattitüden nicht gespart hat.
An Plattitüden wird bei «Madam Secretary» nämlich grundsätzlich nicht gespart: Nachdem Liz McCord mit ihrer Schwäche für dunkelblaue Blazer erwartungsgemäß den Weg zurück ins politische Tagesgeschäft eingeschlagen hat und nun das State Department leitet, wird ihr als erstes eine nervige Stylistin zur Seite gestellt. Ihre Mitarbeiter können die neue Außenministerin entweder nicht leiden, sind nur beschränkt kompetent oder trauen ihr nicht einmal zu, den Namen des Stabschefs des Weißen Hauses zu kennen. Und dann erst die Dialoge: „You don’t even know there is a box“, konstatiert US-Präsident Dalton, als er die unabdingbaren Thinking-outside-the-box-Kompetenzen der blaublazerigen Lizzie hervorheben will. Gegen
Jed Bartlett könnte dieser Typ
keinen Blumentopf gewinnen.
Hinzu kommt der Versuch, im Piloten gleich ein Maximum an Dramatik erreichen zu wollen: Zwei amerikanische Studenten sind – ohne, dass irgendjemand davon wusste – über die türkische Grenze nach Syrien eingereist und im Bürgerkrieg zwischen die Fronten geraten. Jetzt sitzen sie dort in Haft und sollen bald hingerichtet werden. Das bietet Spielraum, um allerhand (zumeist ziemlich unausgegorene) geopolitische Winkelzüge zu zeigen – und natürlich, um das Privatleben von Madam Secretary noch auf einer weiteren Ebene im Handlungsgeflecht unterzubringen. „Ihre Kinder sind nicht viel älter als meine“, sagt sie bei einer Krisensitzung den Eltern in betont betroffenem Tonfall.
Vielleicht würde einem das alles nicht ganz so negativ auffallen, wenn man nicht sofort einige Beispiele im Kopf hätte, bei denen Polit-Stoffe tausendmal besser gelungen sind. Das von Kritikern ubiquitär angeführte «House of Cards» ist eines davon, aber nicht einmal das zentrale. Schließlich ist die Kevin-Spacey-Serie ein knallharter Intrigen-Thriller. «Madam Secretary» will dagegen vielmehr ein zynismusfreier Blick hinter die Kulissen sein, durch die Schlüssellöcher des Harry S. Truman Buildings und des Weißen Hauses. Das erinnert eher an Aaron Sorkins «The West Wing», wahrscheinlich eine der besten Serien, die je produziert wurden, an der sich alle US-Politstoffe messen lassen müssen. Ein Litmus-Test, den «Madam Secretary» haushoch verliert.
Es fehlt an Haltung. Denn neben vielen anderen Dingen, war es gerade die klare politische Positionierung, die «The West Wing» zu einer der besten Serien aller Zeiten machte, weil sie einen Diskurs politischer Ideen auf höchstem intellektuellen Niveau ermöglichte. Das fehlt bei «Madam Secretary» vollkommen. Wo bei Sorkin ein waschechter Demokrat im Weißen Haus saß, weiß man bei Elizabeth Faulkner McCord und ihrem Präsidenten nicht einmal, in welcher Partei sie sind. Das schränkt die narrativen Möglichkeiten deutlich ein. McCords Jobbeschreibung und dramaturgische Aufgabe wird deswegen wohl immer dieselbe sein: Krisen bewältigen, Krisen bewältigen, Privatleben regeln, Krisen bewältigen.
Auf die Dauer dürfte das noch öder werden, als es jetzt schon ist.