Die neue Kabarett-Sendung des ZDF legte am Dienstagabend optisch wie inhaltlich einen durchaus runden Start hin. Dominiert wurde sie in weiten Teilen von Urban Priol, während Alfons kaum Punkte sammelte.
Infos zu «Ein Fall fürs All»
- Einmal monatlich geplante Kabarettsendung mit jeweils zwei Gästen
- Arbeitstitel war «Urban & Alfons»
- Priol sagte für die Sendung erstmals geplante Bühnenauftritte ab
- ZDF-Eigenproduktion aus München
Ein Jahr ist es nun her, dass Urban Priol nach über sechseinhalb Jahren die Moderation seiner hochgelobten Satire-Sendung «Neues aus der Anstalt» beendete. Die neuen Anstaltsleiter Max Uthoff und Claus von Wagner führen seither das Erbe mit einem neuen Stil fort und sorgten bereits für einige Kontroversen - nach vier erfolgreichen Shows musste man sich zuletzt aber mit einer etwas enttäuschenden Zuschauerresonanz von gerade einmal 2,15 Millionen zufrieden geben. Priol wiederum gab am Dienstagabend sein ZDF-Comeback mit einem Format, das konzeptionell in vielen Punkten an die Anstalt erinnerte. Doch während die Premiere von
«Ein Fall fürs All» vor allem durch seinen Biss sowie eine optisch ansprechende Studiodeko zu überzeugen wusste, kam sein neuer Kompagnon Alfons kaum zur Geltung.
Als Rahmen des neuen Projekts fungiert eine etwas wirr anmutende Weltraum-Geschichte, in der die beiden Hauptakteure als Reaktion auf das politische Chaos in die Weiten des Alls geflüchtet sind und lediglich einmal monatlich für eine satirische Stipvisite zu ihrer alten Heimat Erde zurückkehren. In einer Pressemitteilung liest sich die Intention dieser temporären Rückkehr folgendermaßen: "Ausgestattet mit fantastischer Technik schauen sie schonungslos und scharfzüngig auf die Politik der Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit und sogar direkt in die Gehirne der Mächtigen und Macher. Sie beamen sich in die Schaltzentrale politischen Irrsinns, angetrieben von nur einer Frage: Ist die Erde noch zu retten?"
Erwartungsgemäß entpuppt sich die All-Story schnell als Mittel zum Zweck, um dem Publikum recht geerdetes und keineswegs intergalaktisches Kabarett zu präsentieren. Mit gewohntem Biss kommentiert Priol die Absurditäten der Tagespolitik und bemüht sich überdies auch um Zukunftsvisionen mit leicht dystopischem Einschlag - was er allerdings auch schon in der Vergangenheit oft und gerne in der «Anstalt» oder seinen Bühnenprogrammen getan hat. Wenn der astronomische Einschlag dem Format in irgendeiner Form real zugute kommt, dann wohl am ehesten insofern, dass sich die Verantwortlichen sehr dabei ins Zeug gelegt haben, eine futuristische und ansehnliche Studiodeko auf die Beine zu stellen. Hat man bei der «Anstalt» durchaus seine Probleme, aus der recht spärlichen Deko auf eine psychiatrische Klinik zu schließen, ist das Weltraum-Setting hier klar erkennbar und erfreulich aufwendig gestaltet.
Die insgesamt vier Kabarettisten - neben Priol und Alfons sind das in der ersten Sendung die aus der «heute-show» bekannte Christine Prayon sowie Andreas Rebers - mühen sich auch sichtlich darum, das Studio-Design in ihre Vorträge zu integrieren und es somit nicht zum schmucken und wohl auch nicht ganz kostengünstigen Eyecatcher ohne Funktion zu degradieren. Das ist sympathisch, wirkt an manchen Stellen aber auch ein wenig bemüht und unbeholfen - und vor allem kann man sich letztlich nicht des Eindrucks erwehren, die Sendung wäre auch ebenso gut in einer weitaus kargeren Umgebung durchführbar gewesen.
Doch wichtiger als der optische Rahmen sollte beim Kabarett ohnehin die Vermittlung von Inhalten sein. Priol weiß das und vor allem weiß er es auch umzusetzen. In gleich mehreren Monologen knüpft er nahtlos an vorherige Bühnenauftritte an, umfasst ein breites humoristisches Spektrum von kleinen Kalauern zur Aufheiterung über bissige Anmerkungen zum aktuellen Weltgeschehen bis hin zu substanziellen und nachdenklich stimmenden Ausführungen, in denen er sich oftmals auch sehr kritisch gegenüber dem Wahlvolk äußert. Auch in den Sequenzen, in denen er entweder mit dem neuen Mann an seiner Seite oder mit den einmaligen Gästen der Sendung auftritt, dominiert er das Geschehen meist sowohl verbal als auch physisch - und markiert damit zunächst mal seine sehr exponierte Stellung.
Mit einem solchen kabarettistischen Vollprofi mitzuhalten, der im Prinzip sein altes Erfolgsrezept unter neuem Namen wiederholt, ist eine große Herausforderung, der sich Alfons stellen muss. Im ersten Anlauf jedenfalls ist es ihm noch nicht gelungen, seine Rolle zu finden und wirkliche Glanzpunkte zu setzen - es sei denn, er interpretiert seine Position tatsächlich dahingehend, nur mehr der drollige Sidekick mit dem französischen Akzent zu sein, der ein paar Mal auf die Beliebtheitswerte der Hollande-Regierung seiner Heimat hinweist und ein paar harmlose Kalauer ablädt. Denn gerade in den Momenten, wo er gemeinsam mit Priol auf der Bühne steht, wird Alfons zum Teil beinahe schon an die Wand geredet und ist nicht mehr als ein Stichwortgeber. Wenn sein Kollege zum Teil fast zum Overacting neigt, steht er nickend und fast unbeholfen daneben und... ist bestenfalls physisch anwesend. Im direkten Vergleich mit Georg Schramm und Erwin Pelzig fällt der Franzose bisher noch zu klar ab.
Aber auch Prayon und Rebers gehen in der Auftaktfolge ein wenig unter, wenngleich letzterem zumindest das Ende der Show gehört, wo er mit seinem musikalischen Beitrag immerhin nochmal ein bis dato nicht vorhandenes Element integriert. Prayon setzt sich in einigen Dialogen mit Alfons in Szene und versucht in ihrem einzigen längeren Monolog, auf die Behäbigkeit des deutschen Volkes unter der Führung der Bundeskanzlerin hinzuweisen. Doch letztlich sind beide unter dem Strich relativ verzichtbar, was schon zu Priols «Anstalt»-Zeiten häufig zu beobachten war. Bei der Integration ihrer Gäste vermochten zuletzt Uthoff und von Wagner in der Regel deutlich mehr zu überzeugen.
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Insgesamt legt «Ein Fall fürs All» einen zufriedenstellenden Start hin, der allerdings klar von Urban Priol dominiert ist. Alfons Aufgabe sollte deshalb sein, sich an seiner Seite stärker in Szene zu setzen, ohne seinem Kollegen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Optisch weiß das Format zu überzeugen, inhaltlich schwankt die Qualität der Vorträge ein wenig, was allerdings auch bei der «Anstalt» meist der Fall war und ist. Gerade alte Fans des Satire-Meilensteins dürfen sich darüber freuen, dass der Dienstagabend um ein gelungenes Format reicher ist und Urban Priol dem deutschen Fernsehen erhalten bleibt. Ein wenig Wehmut kommt aber doch bei dem Gedanken auf, dass man auch künftig weiter auf dessen Zusammenspiel mit Erwin Pelzig (der immerhin noch seine eigene Sendung «Pelzig hält sich» behält) und Georg Schramm verzichten muss. Alfons ist da bisher leider noch kein adäquater Ersatz.
«Ein Fall fürs All» läuft ab sofort einmal monatlich dienstags gegen 22:15 Uhr im Zweiten Deutschen Fernsehen. Die nächste Sendung ist für den 11. November auf genau diesem Sendeplatz geplant.