Popcorn und Rollenwechsel: «Wetten, dass..? – Der Film»
Da sich der ZDF-Showdino seinem Ende nähert, plant unser Kinokolumnist bereits einen Historienfilm über «Wetten, dass..?».
Unsere Gesellschaft hat ein großes Interesse an filmischen Verarbeitungen der Geschichte entwickelt. Und diese Begeisterung wird auch durch eine lange Reihe an Projekten befriedigt. So lange es darum geht, einschneidende politische oder gesellschaftliche Momente cineastisch umzusetzen, ist der deutsche Film in dieser Hinsicht mindestens so eifrig wie das US-Kino. Selbstredend werden aber nicht nur derartige Ereignisse verfilmt, sondern gerne auch bedeutungsvolle Momente aus der Welt des Sports – etwa der erste deutsche WM-Sieg in «Das Wunder von Bern».
Bereits diesem Themenkomplex nähern sich deutsche Filmschaffende wohlgemerkt längst nicht in so hoher Frequenz wie die Kollegen aus den Vereinigten Staaten. Einem anderen Themenfeld schenkt der deutsche Kinomarkt aber nahezu gar keine Beachtung: Den großen Fernsehmomenten. In den USA gibt es Dramen über TV-Skandale (Robert Redfords «Quiz Show») und über TV-Duelle (Ron Howards «Frost/Nixon») sowie Thriller über das geheime Leben von Fernsehmoderatoren (George Clooneys «Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind»). Wo aber sind die deutschen Kinoproduktionen, die sich den TV-Themen annehmen, die unsereins in den Bann ziehen?
Wo bleibt Dennis Gansels stylischer Thriller zum Betrugsskandal bei den Rankingshows? Wann dreht Helmut Dietl endlich eine Filmsatire, die hinter die Kulissen von «Schwiegertochter gesucht» spielt? Und wann zum Teufel kommt endlich die Kinoproduktion über den dahinsiechenden Show-Dinosaurier: Wo bleibt «Wetten, dass..? – Der Film»?!
Und ich möchte nun keine Lacher hören. Die ZDF-Unterhaltungssendung gehört sogar jetzt noch zu den meistgesehenen Programmen des deutschen Fernsehens, sie erlebte strahlende Höhepunkte und niederschmetternde Schlappen. Hollywood hätte längst einen Film darüber gedreht, Stoff genug gibt es ja. Die Frage ist nur, welche der vielen möglichen Geschichten über «Wetten, dass..?» ins Kino sollte.
Naja, das wäre natürlich vom Regisseur abhängig. Ein Michael Haneke würde sich gewiss die besonders deprimierenden Aspekte aus der Showgeschichte rauspicken. Ein karges Drama über Samuel Koch, das sich mit Medienwirkung, Ehrgeiz und dem Leben danach befasst. Klingt preisverdächtig – jedoch auch anstrengend. Vielleicht dann lieber Wim Wenders? Dabei käme eine nachdenklich-poetische Momentaufnahme aus der Blütezeit des televisionären Gala-Kindergeburtstags raus. Vielleicht mit dem Titel «Das Sofa der Republik». Kling gut. Aber noch immer nicht sehr publikumsträchtig. Dabei wäre es «Wetten, dass..?» zu gönnen, noch einmal ordentliche Zuschauerzahlen zu schreiben.
Daher muss wohl Til Schweiger ran. «KeinGottschalkShow» würde die Dramödie dann heißen, die sich darum bemüht, das Lustige am Quotenabsturz des Formats zu entdecken. Thomas Gottschalk spielt sich sich in den zahlreichen Rückblicken selber, Jürgen Vogel ist sein leidender Nachfolger und Emma Schweiger gibt die anstrengende Showassistentin. OneRepublic reinterpretiert die Titelmusik von «Wetten, dass..?» und Matthias Schweighöfer leistet einen Cameo als angepisster Tom Hanks. Das Ganze hat dann die Farbpalette eines ausgebleichten 70er-Polaroid-Fotos und am Ende feiert die gesamte ZDF-Belegschaft auf dem Lerchenberg die Hochzeit zwischen Thomas Gottschalk und Jürgen Vogels neurotischer Nichte, die zufälligerweise das Patentrezept für eine Wiederbelebung der Sendung in der Hinterhand hält. Fortsetzung folgt!
Andererseits: Zu große Hoffnungen sollte ich mir nicht machen, denn genauso, wie «Wetten, dass..?» nicht mehr der stolze Platzhirsch unter den deutschen Unterhaltungssendungen ist, muss sich auch die Til-Schweiger-Formel mittlerweile mit einer neuen, wilden Filmrezeptur messen. Wer also garantiert uns, dass Bora Dagtekin nach «Fack ju Göhte 2» nicht plötzlich mit «Kraul mir die Eier, Elstner!» ankommt? Mit einem gelockten Axel Stein als unangepasster Thomas Gottschalk, der seinen Vorgänger (ergraut: Andreas Hofer) übertrifft. Frederick Lau tritt als scheiternder Markus Lanz auf und selbstredend hat Elyas M'Barek einmal mehr die Rolle des Migranten zu mimen. Beziehungsweise dieses Mal den Beinahe-Ausländer: Weil ja noch nie ein Moderator mit Migrationshintergrund «Wetten, dass..?» präsentiert hat, muss M'Barek halt den Ostdeutschen Wolfgang Lippert verkörpern. Josefine Preuß und Karoline Herfurth dürfen unterdessen bei einem Paintball-Duell kurz vor Drehbeginn darum kämpfen, wer Michelle Hunziker spielt, und wer als Cindy aus Marzahn herumlaufen muss.
Je mehr ich darüber nachdenke: Vielleicht sollten wir die Sache mit der filmischen Verarbeitung der TV-Historie lieber weiter den Amis überlassen.