Als vor einem Jahr Hayao Miyazaki (Foto) seinen geplanten Ruhestand bekannt gab, sorgten sich einige um die weitere Fortführung des Studio Ghibli. Der 1941 in Tokio geborene Japaner ist Mitbegründer des Animationsstudios und eine Koryphäe in seinem Fach. Im August diesen Jahres war es nun auch soweit: Das Studio Ghibli schloss vorerst seine Tore und der Japaner verabschiedete sich in Deutschland mit seinem letzten Film «Wie der Wind sich hebt». In diesem Jahr zeigen deutsche Kinos noch den abschließenden Film des Studios «Die Legende von Prinzessin Kaguya», der von seinem Partner Isao Takahata inszeniert wurde.
Gegründet wurde das Studio Ghibli gemeinsam von Isao Takahata und Hayao Miyazaki 1985. Myiazaki, der ein Faible für die Luftfahrt hat, übernahm den Studionamen vom Saharawüstenwind „Gibli“ und implizierte damit einen „frischen Wind“, der dafür stehen sollte, einen Aufwind in der Anime-Industrie zu bewirken. Mit seinem letzten Film schließt er damit eine Ära ab. Der erste Film des Studios kam 1986 in die japanischen Kinos und trug den verspielten Titel «Das Schloss im Himmel». Dieser kam bei den Zuschauern sehr gut an und ließ die ersten großen Summen in die Kasse fließen. Durch den kommerziellen Erfolg beflügelt, arbeiteten Miyazaki und Takahata an einem Doppelfeature, das 1988 erschien. Mit «Mein Nachbar Totoro» und «Die letzten Glühwürmchen» erhielt das Studio zum ersten Mal größeres Aufsehen. Während «Mein Nachbar Totoro» ein Film für Kinder ist und für das Studio ein finanzielles Risiko darstellte, war die Geschichte in «Die letzten Glühwürmchen» eher etwas für Erwachsene.
Inhaltlich basierte der Animefilm auf dem Roman „Das Grab der Leuchtkäfer“ von Akiyuki Nosaka, der während des zweiten Weltkriegs seine kleine Schwester an Unterernährung verlor. Die Geschichte der zwei Kinder während der Bombardements der Amerikaner auf die Hafenstadt Kobe, erzählt «Die letzten Glühwürmchen» realistisch und gefühlsecht. Die Ernsthaftigkeit und die Trauer, die der Film vermittelte, waren für die jungen Zuschauer weniger geeignet, weswegen der Film bei den Erwachsenen besser ankam. Nichtsdestotrotz entwickelten sich beide Animes 1988 zu Kassenschlagern. Die Umrisse des Fabelwesens Totoro aus „Mein Nachbar Totoro“ wurden danach für das Logo des Studios verwendet. Trotz kindgerechter Geschichte verarbeitet der Film auch die Themen Tod und Verlust eines geliebten Menschen.
Die Auszeichnungen des Studio Ghibli
- 1989 Blue Ribbon Award Spezialpreis für «Die letzten Glühwürmchen»
- 1995 Mainichi Eiga Concours Preis in der Kategorie Bester Animationsfilm für «Pom Poko»
- 2002 Goldener Bär der Berlinale für «Chihiros Reise ins Zauberland»
- 2003 Oscar in der Kategorie "Bester Animationsfilm" für «Chihiros Reise ins Zauberland»
- 2006 Nebula Award in der Kategorie „Bestes Drehbuch“ für «Das wandelnde Schloss»
- 2010 Auszeichnung als bester Animationsfilm im Langfilmwettbewerb AniMovie beim Trickfilmfestival Stuttgart für «Ponyo – Das große Abenteuer am Meer»
Im Laufe der Jahre kamen noch etliche Filme hinzu, die langsam aber auch stetig in Deutschland bekannt wurden. Filme wie «Prinzessin Mononoke», «Chihiros Reise ins Zauberland» oder «Das wandelnde Schloss» brachten RTL II und Super RTL ins Fernsehen und so an die deutschen Zuschauer. Die Deutschlandpremiere eines Ghibli-Anime fand 1998 auf der Berlinale statt. Der damalige Klassiker des Studios «Prinzessin Mononoke» wurde im Original mit deutschen Untertiteln gezeigt und kam bei der Öffentlichkeit gut an. Seit «Ponyo – das große Abenteuer am Meer» von 2008, bringen auch die deutschen Kinos mittlerweile so zeitnah wie möglich die Animefilme ins Programm. Das Studio Ghibli arbeitete seit August 1996 mit Walt Disney zusammen, um die Filme auch auf dem westlichen Markt zu vermarkten. Aufgrund der Tatsache, dass Disney gerne mal Filme kürzt, vereinbarten Miyazaki und Takahata mit Disney eine „No Cuts“-Regelung. Nur die Namen der Charaktere dürfen dabei verändert werden, inhaltliche Kürzungen sind jedoch nicht erlaubt. In Deutschland vertreibt Universum Anime, ein Label von Universum Film, die synchronisierten Produktionen des Studio Ghibli.
Die Besonderheiten der Filme von Miyazaki und Takahata liegen nicht nur in den künstlerischen Aspekten der gezeichneten und animierten Figuren, auch die Geschichten sind inhaltlich tiefgründig und philosophisch. Themen wie Umweltschutz, Krieg, Tod, Fliegen und auch Feminismus stehen im Zentrum der Filme. Die Dialektik von Gut und Böse, von Yin und Yang, bildet in jedem der Filme eine moralische Aussage. Der Shintoismus, eine der weitverbreiteteren Religionen in Japan, steht meistens im Mittelpunkt. In Deutschland, wo das Christentum vorherrschend ist, werden viele Facetten der Filme so nicht eins zu eins wahrgenommen – so könnte man meinen. Symbole und verschiedene Fabelwesen scheinen fremdartig und neu. Bei «Prinzessin Mononoke» tauchen Kreaturen wie Baumgeister, Dämonen und Shoujous auf, die für viele deutsche Kinder unbekannt sind. Nichtsdestotrotz wirken die Filme nie ganz fremd, Miyazaki schafft es in ruhigen Tönen und sanften Übergängen die Geschichten zu erzählen und die Figuren natürlich darzustellen und in die Geschichte einzubauen.
Filmkritiker Roger Ebert beschreibt den Stil des Studios mit den Worten: „Diese Titel zu sehen lässt einen selbst erkennen, dass Animationen mehr sind als nur die Beschränkung auf süße kleine Tiere und tanzende Teetassen. Sie regen die Fantasie so an, dass jede Geschichte möglich wird und es zeigt Seiten, die in der realen Welt niemals möglich sein werden. (…) «Totoro» und «Kiki» sind so lebendig, intelligent und erfinderisch, dass Erwachsene sogar mehr daraus machen können als Kinder.“ Außerdem lobt er die Filme des Studios: „Diese Filme zu entdecken führt zu einer Erkenntnis: Wir haben davor Animation noch nie ganz verstanden und deswegen haben wir nie verstanden zu was das Kino fähig ist. Als ich zum ersten Mal «Totoro» gesehen habe, wusste ich, dass niemand mir jemals wieder Animes erklären müsste. Natürlich sind einige Titel Müll. Vieles von vielem ist Müll. Aber ich hab noch nie etwas von Ghibli gesehen, was keinen Schatz darstellt.“
Die Bedeutung des Studio Ghibli für Asien entspricht dem Disneys für die westliche Welt. Die Kinder Japans, Chinas oder Korea wachsen mit «Mein Nachbar Totoro» auf, wie die Kinder hier mit «dem Dschungelbuch». Neben Schlafanzügen und Kuscheltieren gibt es sogar Möbel in dem Ghibli-Look. Auch in der westlichen Welt sind die Figuren aus den Federn Miyazakis und Takahata in den Medien angekommen. Der große, weiche und kinderfreundliche Totoro taucht in «Toy Story 3» in einer Nebenrolle auf, die Simpsons widmeten dem Studio einen eigenen Vorspann, den man sich weiter unten anschauen kann und FOX hat zum Abschied von Studio Ghibli ein Video produziert:
Themenwoche Anime
Sie senden hierzulande weiterhin in der Nische, haben aber eine ungemein treue Fanbase: Anime-Formate. Quotenmeter.de widmet diesen Sendungen in dieser Woche fünf Themen.
Am Montag geht es um das "Disney Japans", das Studio Ghibli, das nun seine Pforten schließt.
Am Dienstag checken wir die Quoten der hierzulande bei ProSieben Maxx laufenden Serie «Naruto Shippuden».
Der Faszination Anime gehen wir am Mittwoch auf den Grund. Worin liegt der Reiz dieser Formate?
Am Donnerstag haben wir zehn wissenswerte Facts zu «One Piece».
Abgeschlossen wird die Themenwoche am Freitag mit der Vorstellung von «Attack on Titan», Japans neuestem Anime-Hit. Was kommt nach, worüber werden Anime-Fans in Deutschland im Jahr 2015 sprechen?Seit Beginn der Ghibli-Ära leidete das Studio immer wieder unter finanziellen Problemen. Die beiden Filmschöpfer führten zu zweit das Unternehmen, schrieben die Drehbücher und waren abwechselnd für die Produktionen verantwortlich. Der mittlerweile 73-jährige Miyazaki und der 78-jährige Takahata verliehen den Filmen ihre unverkennbare Handschrift und so wird es schwierig sein Nachfolger für sie zu finden, die den Stil so weiterführen können.
Wie es in Zukunft weitergeht, ist bereits traurige Gewissheit. Nach fast 30 Jahren schließt das Studio Ghibli vorerst seine Pforten. 2010 gab Miyazaki bekannt, dass es bald nur noch kleinere Rechtegesellschaften geben wird und er sich um die bisherigen Werke und deren Lizenzen kümmern wird. Gerüchten zufolge sollte Miyazakis Sohn Goro Miyazaki das Studio übernehmen. Sein Regiedebüt «Die Chroniken von Erdsee» fiel jedoch bei den Kritikern und beim Publikum durch. Im August dieses Jahres teilte der Produzent Toshio Suzuki jedoch vorerst das Ende der Studioära der Öffentlichkeit mit. Im Interview mit dem japanischen Sender MBS gab Suzuzki bekannt, dass es erst mal eine längere Pause geben wird, die genutzt wird um sich neu zu strukturieren. In Deutschland startet am 20. November 2014 noch der letzte Ghibli-Film «Die Legende der Prinzessin Kaguya», der 2013 bereits in Japan anlief. Danach heißt es erst mal „Sayonara Studio Ghibli“.