Popcorn und Rollenwechsel: Digital oder Zelluloid?

Liebes Kino, wir müssen uns über deine Projektionstechnologie unterhalten!

Themenwoche

Kino ist ein Milliardengeschäft. Werden die Tage kürzer und kälter, kommen wieder vermehrt Qualitätsproduktionen auf die Leinwände. In dieser Woche dreht sich bei Quotenmeter.de alles um das Geschehen in den deutschen Lichtspielhäusern.
Am Montag hat Sidney Schering eine neue Ausgabe von «Popcorn und Rollenwechsel» parat und geht der Frage nach, wie erfolgreich der einstige Trend 3D noch ist. Zudem: Antje Wessels mit einer Kritik zu «The Riot Club».
Unser Thema am Dienstag: Eine Vorabkritik zu «Maze Runner».
Mittwoch: Im Kino-Check der kompakte Überblick über alle Neustarts, außerdem Kritiken zu «Der Richter: Recht oder Ehre» und «Ninja Turtles»
Am Donnerstag im Fokus: Zach Braffs «Wish I was Here».
Am Freitag blicken Antje Wessels und Sidney Schering auf internationale Kino-Geheimtipps und am Samstag geht es um Jugendbuchverfilmungen. Im Jahre 2001 lieferte man Teenie-Mystery im Akkord. Quotenmeter.de blickt auf den Trend und mutmaßt, was nach Zauberern, Vampiren und toughen Kampfamazonen im Mittelpunkt steht.
Kino, was sollen wir nur mit dir machen? Mit der digitalen Revolution gingen millionenschwere Umbauten in unzähligen Lichtspielhäusern einher – die alte Technik wurde rausgeschmissen, digitale Projektoren wurden angeschafft. Kinomitarbeiter müssen nun keine schweren Filmrollen mehr durch die Gegend schleppen, es kommt nicht länger zu solch häufigem Materialverschleiß und es ist viel leichter, verschiedene Fassungen des gleichen Films anzubieten. 2D und 3D, Synchro, Originalton und Originalton mit Untertiteln. Die Bild- und Tonqualität? Sofern die Projektoren gescheit eingestellt sind, ist sie gleichbleibend – um nicht zu sagen makellos. Egal, ob es sich um die erste Vorführung eines Films handelt oder die hundertste.

Und doch ist nicht alles eitel Sonnenschein, wenn über deine Technik geredet wird, liebes Kino. Was es noch heikler macht: Diese Kontroversen sind verdammt gut nachzuvollziehen. Es beginnt schon bei der Frage, wie Filme für dich gedreht werden sollen. David Fincher, Nicolas Winding Refn, Danny Boyle, Robert Rodriguez und viele mehr schwören nunmehr allein auf Digitalkameras. Quentin Tarantino, Christopher Nolan, J. J. Abrams, Martin Scorsese, Paul Thomas Anderson, Wes Anderson und Rian Johnson dagegen machen sich bei jeder Gelegenheit dafür stark, die alte Kunst des Filmens auf Zelluloid zu bewahren.

Wenn es Streit darüber gibt, wie Kinowerke zu drehen sind, gibt es natürlich auch Debatten darüber, wie sie idealerweise geguckt werden sollten. Für David Fincher etwa ist digitale Projektion ein Segen, weil seine Filme endlich in jedem Kino gleich aussehen. Wer möglichst satten Sound und detailliertes, glatt poliertes Bild herbeisehnt, stimmt wahrscheinlich Fincher zu. Wenn man schon das Geld für eine Eintrittskarte zahlt, soll ja bitte die Auflösung noch höher sein als auf dem HD-Fernseher zu Hause. Oder?

Aber dann haben wir die Liebhaber der alten Filmkunst. Etwa einen Christopher Nolan, der sich dafür einsetzt, dass in den USA Kinos, die «Interstellar» analog vorführen, ihn früher zeigen dürfen als digitale Spielstationen. Oder Quentin Tarantino, der nun sogar Leiter eines Kinos ist, das ausschließlich auf Filmrollen zurückgreift. Eine Passionsentscheidung: „Wenn man mich fragt: Wenn wir digitale Projektion einfach hinnehmen, haben wir den Barbaren bereits zu viel Raum gelassen“, zeterte der «Django Unchained»-Regisseur kürzlich beim LA-Radiosender 'KCRW'. „Es ist einfach nur öffentliches Fernsehen“, erklärt er. Auch eine 4K-Vorführung habe den Charme einer DVD-Sichtung in den eigenen vier Wänden. Was ihm fehlt? Die Textur einer Filmkopie, die ihre ganz eigene Geschichte erzählt und sich von Kino zu Kino unterscheiden kann. „Ich finde, all diese Kopien haben eine besondere Qualität und Ausstrahlung, egal ob sie in perfekt gepflegtem Zustand sind oder nicht.“

Und irgendwie hat er ja auch recht. Makellose, ewig gleiche Qualität kann jeder auf Blu-ray haben. Aber das ungewöhnliche Flair einer Filmkopie ist das cineastische Pendant einer Vinyl-Platte: Im bestmöglichen Zustand kann sie mehr zeigen als digital, sie bedient ein breiteres, manchen Filmfreunden vielleicht nur unterbewusst ins Auge stechendes Spektrum. Dies gilt vor allem für IMAX und alte Superbreitbildformate. Und wenn der Zustand nicht mehr einwandfrei ist? Nun, sofern das Material nicht völlig desaströs ist, kann ein leichtes Rauschen Charme haben. Charakter. Und wenn ich schon mein Haus verlasse, um ein Kino zu besuchen, will ich da denn nicht etwas einmaliges sehen, das mir Blu-ray nicht bieten kann?

Kino, zwei Seelen schlagen derzeit in deiner Brust. Eine deiner Seelen ist derzeit umfangreicher vertreten als die andere. Doch sie beide haben ihre Daseinsberechtigung, ihre unverkennbaren Reize. Wäre es doch nur möglich, dass jeder stets entscheiden könnte, nach welcher deiner Seelen es ihm gerade beliebt …
13.10.2014 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/73654