Nach dem «Avatar»-Boom folgte der Absturz, dann das erstaunliche «Gravity»-Comeback – und nun? Quotenmeter.de blickt auf die jüngste Vergangenheit, die Gegenwart und die nahe Zukunft des 3D-Films.
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Wir alle sind zu der grausamen und völlig falschen Schlussfolgerung gekommen [...], dass 3D nur für Action- und Effektfilme da ist. Nein, ist es nicht! [...] Diesen Filmen gehört 3D nicht, es gehört niemandem! Es ist ein Medium, das jedem zur Verfügung steht, der es nutzen möchte. Und hoffentlich wird es in Zukunft mit mehr Einfallsreichtum gebraucht, denn aktuell ersäuft diese wundervolle Filmsprache in einem See der Ideenlosigkeit.
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Wim Wenders kommentiert gegenüber 'Hollywood Reporter' die kreative Lage des 3D-Films
Die Blockbustermonate liegen hinter uns und somit die Hochsaison für 3D-Filme. Zu Beginn des sommerlichen Reigens an kostspieligen, in der dritten Dimension gezeigten Hollywood-Filmen tönte es optimistisch aus den Vereinigten Staaten: 3D ist wieder auf dem Vormarsch! Der vermeintliche Grund dafür: Nachdem in der ersten Jahreshälfte 2013 immer weniger US-Kinogänger die 3D-Versionen neuer Filme besuchten, sorgte «Gravity» für einen kurzfristigen Kurswechsel, der Kinoanalysten davon überzeugte, dass 3D vom Publikum erneut als lohnenswertes Event verstanden wird (
mehr dazu). Doch wie war es diesen Sommer rückblickend um die viel diskutierte Technologie bestellt?
Wirtschaftliche Höhen und Tiefen für Filme mit Tiefenwirkung
Ein Blick auf die 3D-Ticketverkäufe der größten Kassenschlager des bisherigen Kinojahres verrät: Der erhoffte, stolze Höhenflug blieb in den Staaten zwar aus, trotzdem wurde diese Blockbustersaison ein Aufwärtstrend gemessen. Scheiterten im Vorjahr viele Produktionen daran, einen 3D-Marktanteil von mehr als 35 Prozent zu erzielen, lief es dieses Mal solider: Die «Guardians of the Galaxy» schossen mit einer 3D-Quote von 45 Prozent aus dem Startblock, «Transformers – Ära des Untergangs» brachte es sogar auf 47 Prozent, genauso wie der Sci-Fi-Actioner «Edge of Tomorrow». «Godzilla» kam indes auf 51 Prozent und «The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro» auf 43 Prozent. Auch «The Return of the First Avenger» lag mit 40 Prozent über dem Vorjahrestrend, während «The LEGO Movie» und «Planet der Affen – Revolution» mit 35 und 36 Prozent vorführten, dass sich das Verhalten des US-Publikums nicht vollauf änderte.
In Deutschland war 2014 derweil ein durchwachsenes Jahr für die 3D-Technik. Mit «Transformers – Ära des Untergangs» (Bild links) gab es diesen Sommer einen der größten Erfolge aller Zeiten zu verbuchen: Insgesamt 2,35 Millionen Tickets wurden für die 3D-Vorführungen gelöst – nur neun Filme hatten hierzulande mit ihrer 3D-Fassung zuvor eine größere Zugkraft. Dies sind überragende 94,3 Prozent sämtlicher «Transformers 4»-Kinobesuche. Aber auch «Planet der Affen – Revolution» hatte in Deutschland einen deutlich besseren 3D-Anteil als in den USA: 92,5 Prozent der Kinogänger entschieden sich für diese Version – in reellen Zahlen ausgedrückt bedeutete dies 1,14 Millionen gelöste Eintrittskarten. Sonst waren laut Angaben von Insidekino.de dieses Jahr nur die 3D-Fassungen von «Drachenzähmen leicht gemacht 2» (1,42 Mio. bzw. 61,1 Prozent) und «Maleficent – Die dunkle Fee» (1,04 Mio. bzw. 71,9 Prozent) weiter der Rede wert. Zum Vergleich: 2013 knackten 13 3D-Versionen die Eine-Millionen-Besucher-Marke, weshalb 2014 trotz der stattlichen Werte von «Transformers 4» einen 3D-Rückschlag bedeutete.
Weiter östlich erfreut sich 3D dagegen ungebrochen wachsender Beliebtheit. Dies war auch der Grund, weshalb Sony ausschließlich in China das «RoboCop»-Remake in einer 3D-Konvertierung aufführte, die auch sogleich eines der besten Frühjahrsergebnisse für einen US-Film ergatterte. In Japan derweil reichte Disney aufgrund großer Publikumsnachfrage mehrere Wochen nach Kinostart von «Die Eiskönigin – Völlig unverfroren» eine japanisch synchronisierte 3D-Fassung nach. Zuvor mussten Kinobesucher zwischen 3D im Originalton mit Untertiteln und einer synchronisierten 2D-Version entscheiden.
Neue Technologien brauchen den Fortschritt, um zu bestehen
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Wenn ein Film in 3D gedreht oder von Beginn an auf eine 3D-Konvertierung ausgelegt wurde, spielt er in einer völlig anderen Liga.
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James Cameron
Auch auf dem Heimkinomarkt ist 3D nicht mehr wegzudenken, und dies, obwohl sich weiterhin viele Filmfreunde weigern, auf ihrem bequemen Sofa eine entsprechende Brille anzuziehen. Mit Filmen wie «Nurse 3D» bekommen dank der eingefleischten 3D-Fangemeinde nun auch mehr und mehr Produktionen, die keinen regulären Kinostart genossen, aufwändige 3D-Blu-ray-Editionen spendiert – und da Fernseher mit guter 3D-Technologie fast schon Monat für Monat bezahlbarer werden, wagen immer mehr Zweifler den Schritt von 2D zu 3D. Vielleicht lohnt es sich für jene, die mit einem 3D-Fernseher liebäugeln jedoch, noch einige Monate zu warten.
James Cameron, einer der Pioniere im 3D-Bereich, prognostizierte erst kürzlich im 'Hollywood Reporter', dass ab Anfang 2015 auch Fernseher den Markt erobern werden, die gutes 3D anbieten, ohne dass 3D-Brillen nötig sind. Dies löst eines der größten Probleme, mit dem sich die Technologie in den heimischen vier Wänden herumschlagen musst. Und selbst über den Wolken machen es sich 3D-Filme bequem: Wie Airbus im Juli bekannt gab, sind alle ab 2017 im Einsatz befindlichen, neuen Modelle des A330-Jets mit Bildschirmen ausgestattet, die es den Passagieren erlauben, ihre Reiseunterhaltung in 3D zu sehen.
Seine größten Zweifler wird 3D durch solche geschäftlichen Fortschritte gewiss nicht überzeugen. Dennoch sorgt es dafür, dass weiterhin Märkte für die entsprechende Hardware sowie 3D-Filme gegeben sind – und so lange Elektrohersteller und Hollywood-Studios mit 3D Geld machen, wird dieser Trend nicht von ihnen aufgegeben. Zumal auch viele angesehene Regisseure der Technologie den Rücken stärken, die sonst gemeinhin als Geldmacherei verschrieen ist. Ob James Cameron («Avatar – Aufbruch nach Pandora»), Ang Lee («Life of Pi», Bild links), Martin Scorsese («Hugo Cabret») oder Wim Wenders, der aktuell die Postproduktion des mit Rachel McAdams, James Franco und Charlotte Gainsbourg besetzten 3D-Dramas «Every Thing Will Be Fine» betreut. „Wir erkunden weiterhin neues Gebiet. Und vielleicht gewinnen wir ja was dadurch: Intensität, Identifikationsmöglichkeiten, Immersion“, erläuterte er gegenüber 'Hollywood Reporter' seinen Entschluss, in 3D zu drehen. Wenders fasst so auch den Stand der Technologie und Kunstform zusammen. Es ist noch immer unerprobt und es ist nicht sicher, ob es immer seine Daseinsberechtigung hat. Aber manchmal funktioniert es eben doch, und allein dafür lohnt sich die Pionierarbeit jener Regisseure, die das Format verstehen.