«Zwischen den Zeiten» ist ein Film über die Aufarbeitung der Stasi-Verbrechen. Das ZDF zeigt ihn am Sonntagabend unter seiner Herzkino-Marke. Kann das gut gehen?
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Sophie von Kessel als Annette Schuster
Benjamin Sadler als Michael Rosch
Marcus Mittermeier als Johannes Güttler
Bernhard Schütz als Dr. Jörn Rabe
Katharina Thalbach als Prof. Dagmar Evert
Jürgen Schornagel als Simon Rosch
Hans Peter Hallwachs als Führungsoffizier
Hinter der Kamera:
Produktion: Ninety-Minute-Film GmbH
Drehbuch: Sarah Schnier und Carl-Christian Demke
Regie: Hansjörg Thurn
Kamera: Peter Joachim Krause
Produzent: Ivo Alexander BeckWahrscheinlich zum ersten Mal seit seinem Bestehen will das Herzkino diesen Sonntag relevant sein. Das wirft einige Fragen und Befürchtungen auf: Auf einem Sendeplatz, wo sich normalerweise Utta Danella, Inga Lindström und Rosamunde Pilcher die Klinke in die Hand geben, sind geschichtliche Aufarbeitung und politische Themen das Letzte, was man erwartet. Der Sonntagabend ist im ZDF ein Hort von Kitsch und Klischees. Im Normalbetrieb finden dort die absurdesten Plotverrenkungen statt, die nicht einmal mehr so tun, als wollten sie halbwegs glaubwürdig sein, mit den abgestandensten Figurenimitaten, die gefühlt ein Drittel des Films im Close-up in die Kamera heulen oder sich dem überzeichneten, variationsarmen Dialoggepolter ergeben, dessen Anspruch und Zielsetzung darin besteht, bloß nicht mehr als eine Plattitüdensammlung zu sein, herumgebaut um das narrative Kernelement einer Frau, die zwischen zwei Männern steht.
Am kommenden Sonntag heißt diese Frau Annette Schuster und rekonstruiert mit aufwendigen technischen Mitteln, die sie entwickelt hat, Unmengen alte Stasi-Akten, die in den letzten Tagen des Regimes in klitzekleine Fetzen zerrissen und in diesem Zustand jahrzehntelang in alten Säcken in verstaubten Archiven gelagert wurden. Der erste Mann, ihr Lebenspartner Johannes Güttler, ist Historiker und arbeitet an ihrem Projekt in leitender Funktion mit.
Ihr anderer Mann heißt Michael Rosch. Als sie ihn kennengelernt hat, stand die Mauer noch. Damals war die 17-jährige Annette auf Klassenfahrt in der DDR und Michael war ein mehr oder weniger angepasster ostdeutscher Jugendlicher. Die Funken sprangen über, es knisterte gehörig und als sich Annette mit ihrer Klasse wieder zurück auf den Weg in den freien Westen machte, versteckte sich Michael im Schulbus, um über die Transitstrecke dem Unrechtsstaat zu entfliehen. Dort wurde er im letzten Moment von Annette an einer Raststätte entdeckt, wo sie ihn in großer Angst vor etwaigen Schwierigkeiten aus dem Fahrzeug gescheucht hat.
Von dem, was danach passierte, wusste sie jahrzehntelang nichts: Die Stasi, die Transitstrecken sowieso engmaschig kontrolliert hat, verhaftete Michael damals wegen versuchter Republikflucht. Doch das erfährt sie erst, als sie die diesbezüglichen Dokumente beim Rekonstruieren findet. Sie kontaktiert ihn, will wissen, ob sie ihm das Leben verpfuscht hat – und schwupps, wir sind schließlich immer noch beim Herzkino, fliegen wieder die alten Funken durch die Gegend.
Die Wendungen dürfen allerdings politischer sein, als man das diesem Sendeplatz zutrauen würde. Denn Michael hat nach ein paar Nächten in Hohenschönhausen als IM bei der Stasi angefangen. Und «Zwischen den Zeiten» darf hier durchaus ein paar wichtige, intelligente Fragen stellen: Gab es sowas wie schuldlose Inoffizielle Mitarbeiter, die niemandem geschadet haben? Soll man die Vergangenheit nach so vielen Jahren wirklich nochmal aufarbeiten?
Und siehe da, der Herzkino-Film gibt sogar Antworten, zeigt Haltung und bezieht Position: Ja, auf jeden Fall muss man sich diesen Fragen stellen, die Bundesrepublik könne es sich nicht leisten, einen weiteren Unrechtsstaat unaufgearbeitet zu lassen, sagt Katharina Thalbachs Figur Prof. Dagmar Evert, die für Annette den Kontakt in den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags hält. Und auch wenn es gerade beim Voice-Over sendeplatzkonform gerne pathetisch wird, kann man doch nicht grundlegend widersprechen. „Vergangenes ist nie vergangen“ mag etwas arg plakativ klingen, rahmt das zentrale Thema des Films aber gekonnt ein, „Die Macht der Stasi war das Schweigen“ ist keine unintelligente Einordnung.
Problematisch wird es aber, wenn sich der Herzkino-Duktus besonders penetrant zeigt: Wenn im letzten Drittel Annettes komplizierte Familiensituation auf die klischeehafte Spitze getrieben wird. Wenn vor dem knisternden Lagerfeuer die stereotypisierten Dialoge das Ruder übernehmen. Wenn sich die Wendungen streckenweise eher aus dem Frau-steht-zwischen-zwei-Männern-Quatsch statt aus den politisch-gesellschaftlichen Verflechtungen ergeben.
Noch weniger Verständnis kann man dem banalisierenden Duktus entgegenbringen, wenn er den relevanten Teilen in die Parade fährt, etwa bei einem gut geschriebenen Monolog von Benjamin Sadlers Michael, den Sophie von Kessel als Annette mit allerhand banalem Gefasel torpedieren muss. Dann weiß man wieder, dass es doch Sonntagabend im ZDF ist.
ZDF/Schlicht.de
Mit «Zwischen den Zeiten» zeigt das ZDF am Sonntag einen weiteren Film mit gesellschaftsrelevantem Hintergrund anlässlich "25 Jahre Mauerfall". Die Verbrechen der DDR-Staatssicherheit bilden den Hintergrund der Dreiecksgeschichte um eine Liebe aus den letzten Jahren der DDR, die nach einem Vierteljahrhundert wieder lebendig wird.
«Zwischen den Zeiten» ist ein erster Lackmustest für Heike Hempels Versuch, das Melodram im ZDF zeitgenössischer – und damit unweigerlich auch relevanter – zu machen. Die Frage, ob der geglückt ist, ist auch eine Frage der Erwartungshaltung. Relevanz und beinharten Kitsch zu vereinen, wo Klischees normalerweise Plots ersetzen, wo verträumte Lagerfeuerromantik sich selbst oft genug war und wo es so unpolitisch zuging wie im «Musikantenstadl», das ist nicht die einfachste Aufgabe. Wer auch nur zehn Minuten «Weissensee» gesehen hat und hier die Messlatte anlegen will, der wird «Zwischen den Zeiten» unweigerlich in den Boden kloppen müssen. Wer schon froh ist, dass nicht nur eineinhalb Stunden lang pathetischer Stuss runtergerattert wird, wird unweigerlich einen deutlichen Aufstieg feststellen.
Nur: Ist es überhaupt sinnvoll, das ansonsten vollkommen eskapistische Herzkino politischer, gesellschaftlich relevanter zu gestalten? Man könnte das bejahen, wenn man dem Sendeplatz oder der Marke aufgrund ihres großen Zuschauerzuspruchs einen normativen Charakter zugesteht. In jedem Fall verneinen müsste man es, wenn daraus ein Forum für allerhand undurchdachtes Gefasel würde, das eher desinformierte, als dass es einen halbwegs ernst zunehmenden Teil zur Meinungsbildung beitragen könnte. Doch zumindest das ist bei «Zwischen den Zeilen» nicht passiert: die DDR wird klar als das bezeichnet, was sie war. Ein Unrechtsstaat; den Fragen nach Schuld und Aufarbeitung nähert man sich so differenziert, wie es sie Umstände erlauben: also nicht nur zwischen den Zeilen. Damit dürfte man die Erwartungen weit übertroffen haben. Die lagen aber auch nahe bei Null.
Das ZDF zeigt «Zwischen den Zeiten» am Sonntag, den 9. November um 20.15 Uhr.