Anlässlich der Free-TV-Premiere des finalen Quartetts ab «Breaking Bad»-Folgen blickt Quotenmeter.de auf den Schluss der besten Serie der TV-Geschichte.
Die Verantwortlichen der letzten «Breaking Bad»-Folgen
- „To'hajiilee“ – Regie: Michelle MacLaren, Drehbuch: George Mastras
- „Ozymandias“ – Regie: Rian Johnson, Drehbuch: Moira Walley-Beckett
- „Granite State“ – Regie und Drehbuch: Peter Gould
- „Felina“ – Regie und Drehbuch: Vince Gilligan
In einer Hinsicht ist die Gesprächskultur über Fernsehserien über die Jahre ärmer geworden. Einst waren praktisch alle Fans einer Serie auf demselben Stand. Manchmal gab es Fälle, in denen es vielleicht galt, die auf Video aufgenommene Episode der Vorwoche aufzuholen, doch generell haben alle, die eine Serie sehen wollten, sie zeitgleich verfolgt. Will man dieser Tage ein Gespräch über eine Serie beginnen, muss man sich erst absichern. Befindet sich das Gegenüber auf US-Stand? Auf deutschem Pay-TV-Stand? Auf dem Stand der DVD-Veröffentlichungen? Auf dem Free-TV-Stand? Oder hinkt der Gesprächspartner noch weiter hinterher und wartet auf eine DVD-Komplettbox, darauf, das sein liebster Streamingdienst die Serie erwirbt, oder, oder, oder …
Andererseits dürfen sich Fernsehende sehr glücklich schätzen, schließlich befinden wir uns im Goldenen Zeitalter fiktionaler TV-Unterhaltung. Sogar das Ende der wohl besten Serie der Geschichte tut dies keinem Abbruch. Besagtes Ende bahnt nun auch endlich seinen Weg ins frei empfangbare deutsche Fernsehen: RTL Nitro zeigt im Viererpack die abschließenden Episoden der mit Preisen überhäuften AMC-Serie «Breaking Bad». All jenen, die erst jetzt den Abschluss von Vince Gilligans Geniestreich sehen, sei versichert: Das Warten hat sich gelohnt. Die «Breaking Bad»-Zielgerade beginnt stark, steigert sich dann weiter mit „Ozymandias“, einer Folge, die in wohl jeder anderen Serie das Finale dargestellt hätte. Und im Anschluss daran geht die Geschichte mit einem verständigen, würdevollen Ende in Form zwei beinahe makelloser Folgen weiter.
Mehr sollten ungespoilerte Zuschauer im Idealfall nicht wissen. Aber es gibt ja auch jene, die «Breaking Bad» bereits komplett gesehen haben oder keinerlei Furcht vor Spoilern kennen. Und jenen sei hier ein intensiver Blick zurück auf die finalen Stunden dieses Fernsehmeilensteins geboten – denn manche Serien haben es einfach verdient, immer wieder neu thematisiert zu werden!
Die 13. Episode der fünften «Breaking Bad»-Staffel beginnt, nachdem Walts Imperium unter seinem von Ehrgeiz und falschem Stolz zerfressenen Hintern zusammen bröckelte. Ex-Geschäftspartnerin Lydia hat in Walts Lehrling Todd einen Methkoch gefunden, dessen Produkt mit 76-prozentiger Reinheit achtbare Qualität aufweist. Wäre da nicht das kleine Problem, dass Todd nicht in der Lage ist, der Droge das markante Blau zu verleihen, dass die Kunden verlangen. Walt hat aber mit deutlich größeren Problemen zu kämpfen: Jesse hat sich gegen ihn gewendet und arbeitet mit der Polizei an einem Plan, ihn ans Messer zu liefern. Also geht Walt einen neuen Pakt mit dem Teufel ein: Er bittet Todds Onkel Jack und seine Neonazi-Bande, Jesse zu töten, ehe er auf seine Geldreserven stößt. Die Pläne Walts, Jesses und Jacks kreuzen einander, mit verheerenden Folgen ...
Durch die engagierten Schauspieler, einer gewissenhaften Inszenierung sowie die raffinierten Dialoge, in denen sich Rückgriffe auf vergangene Ereignisse sowie Höhen und Tiefen im Inneren der Figuren zu einem packenden Ganzen entwickeln, ist „To'hajiilee“ eine der rasantesten und spektakulärsten «Breaking Bad»-Folgen. Es gibt nicht eine Minute Leerlauf, und dennoch fühlt sich die Episode nie gehetzt an. Trotzdem ist sie nichts weiteres als die Vorbereitung auf die fesselndste Stunde, seit es Fernsehserien gibt: „Ozymandias“.
Mit der Rückblende zu Beginn der Folge und der viel sagenden letzten Einstellung wäre „Ozymandias“ die perfekte Finalfolge. Sie greift erst auf Episode eins zurück und veranschaulicht, wie sich das Format von einem schwarzhumorigen Kleinganovendrama zum komplexen, hochdramatischen, teils sehr tragischen Epos über korrumpierte Moral entwickelte. Dann packt sie sich alles, was Walt geblieben ist, und nimmt es ihm in einer atemberaubenden Aneinanderreihung eskalierender Ereignisse weg. Diese Ereignisse umfassen ebenso ikonisch gefilmte Taten - etwa den erschütternden Tod Hanks – wie auch meisterlich in Szene gesetzte Monologe und Dialoge. Das gesamte Ensemble, allen voran natürlich der begnadete Bryan Cranston, spielt sich bildlich die Seele aus dem Leib und es gibt nicht nur unvergessliche Wenden zu verdauen, sondern auch intelligent verfasste, mehrschichtig umgesetzte Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelten der Figuren zu bestaunen. Mehrmals stockt der Atem und Gänsehaut ist ebenfalls an diversen Stellen garantiert – etwa während Walts energisch vorgetragenem, hinter der Fassade fast schon von überwältigen emotionalen Deutungsmöglichkeiten geprägten Telefonat mit Skyler. Und obwohl „Ozymandias“ nicht die letzte «Breaking Bad»-Episode ist, in gewisser Weise stellt sie trotzdem das Finale dar. Das letzte große Kapitel. Alles was folgt, ist reiner Epilog.
War es klug von den «Breaking Bad»-Machern, die Serie nicht auf ihrem qualitativen Höhepunkt zu beenden, sondern auf diese schockierende, formvollendete TV-Stunde zwei weitere Episoden folgen zu lassen? Kurzfristig schien sich dieser Entschluss tatsächlich nicht vollends auszuzahlen: Kritiker und Zuschauer hatten für die letzte Staffel zwar fast ausschließlich Komplimente übrig, allerdings gab es unter den Lobeshymnen auch zahlreiche Einschränkungen zu verorten, die mehr oder minder aussagten: „Und nach dem perfekten Ende folgen zwei sehr gute Folgen, die zwar nichts kaputt machen, aber den hohen Ansprüchen nicht mehr ganz gerecht wurden.“
Es ist eine Zwickmühle, in der sich alle Serienmacher befinden, die eine beliebte und ambitioniert erzählte Sendung beenden müssen. Soll die letzte Folge auf den Affekt abzielen, euphorisieren, verwundern und schlichtweg aufsehenerregend sein – all dies, um den Finalcharakter zu unterstreichen, so als sei sie das Feuerwerk am Ende einer Großveranstaltung? Oder ist die Nachhaltigkeit bedeutsamer?
Wäre „Ozymandias“ das Letzte, was die Fernsehwelt jemals von Walter White alias Heisenberg zu sehen bekam, hätten «Breaking Bad»-Fans auf dem Höhepunkt Abschied genommen. Ja. Und dann hätte der kalte Entzug begonnen. Die an „Ozymandias“ anschließenden Episoden erreichen zwar nicht die Größe dieser viel besprochenen Sternstunde der Serienhistorie. Dessen ungeachtet erfüllen sie einen narrativen Zweck, sie untermauern die Motive von Vince Gilligans Meisterwerk und helfen dem Betrachter zugleich, loszulassen.
Außerdem ist es ja nicht gerade so, als passiere nichts Sehenswertes in „Granite State“: Schon das mit kargem Humor und schlecht unterdrückter Wut aufgeladene Aufeinandertreffen zwischen Walt und Saul begeistert und mit dem clever, ja, gar mitreißend von der Titelmusik begleiteten Schluss steigt die vorletzte «Breaking Bad»-Folge in die Liga ihres Vorläufers auf. Zu sehen, was Drogenkönig Walt im Exil widerfährt, bietet Cranston nicht nur Gelegenheit, neue Facetten seiner Rolle zu enthüllen, sondern gibt auch dem Zuschauer eine neue Perspektive auf die Schattenseiten seiner Taten. Zuvor zeigte «Breaking Bad» den aktiven Walt in jeglichem nur erdenklichen Grad von Macht und Entschlossenheit. Getreu des doppeldeutigen Titels, der ebenso auf den US-Bundesstaat New Hampshire referieren kann (wo sich Walt versteckt) sowie auf eine Leichenbeschau, skizziert die Handlung, was alles ewige Geltung hätte, wäre Walt in der letzten Folge gestorben. Denn alles, was er jahrelang vermeintlich nur für seine Familie und später auch für Jesse getan hat, ist null und nichtig. Behutsam versucht Walt daher, sich wieder ins Spiel zu bringen, diesen steinernen Stand seines Werks zu bewegen. Jedoch sind ihm sprichwörtlich die Hände gebunden – zu seinem eigenen Schutz, und gleichwohl, weil selbst Walter Jr. von ihm nichts mehr wissen will.
Als Gretchen und Elliot, Walts Geschäfts- und Forschungspartner aus braveren, seligeren Tagen, in den Medien seinen Beitrag zu ihrer Firma Gray Matter Technologies als nonexistent bezeichnen, fühlt sich der gescheiterte Verbrecherbaron zutiefst in seinem Stolz verletzt. Also kehrt er sozusagen von den Toten zurück und läutet somit „Felina“ ein. Und exakt diese letzte Folge von «Breaking Bad» ist allein daran interessiert, den Themen der Serie und ihrem Protagonisten einen verdienten, zufriedenstellenden Abgesang zu verschaffen. Und nicht etwa daran, mit großem Getöse zu berauschen und diese Saga mit einem Knall in die Luft zu jagen.
Über den Titel des Finales
„Felina“ hat mehrere Bedeutungen. So ist es ein Anagramm von "Finale" sowie die Lautschrift des Namens einer Figur aus dem Marty-Robbins-Song „El Paso“, der in der Episode eine zentrale Bedeutung hat. Zudem setzt sich der Titel aus den chemischen Kürzeln Fe (Eisen), Li (Lithium) und Na (Natrium) zusammen. Diese drei Elemente sind wichtige Bestandteile von Blut und Tränen.Es fällt nicht schwer, nachzuvollziehen, weshalb manche «Breaking Bad»-Anhänger den Mangel an einschneidenden Überraschungen in „Felina“ enttäuschend fanden. Die Serie, die zu so überwältigenden Twists fähig war, wählte hier immerhin ein gelasseneres Finale. So wenig diese Finalfolge auch zu erstaunen weiß, auf lange Sicht ist sie ein kaum zu verbessernder Abschied von diesem Format. Der Beginn ist gewiss etwas rau, das Haus des Schwartz-Duos ist längst nicht so prägnant eingerichtet wie von «Breaking Bad» gewohnt und somit ein öder Schauplatz. Und auch den Dialogen fehlt in den ersten Minuten der Feinschliff, die letzte Dosis dieser unvergleichlichen Mischung aus Unvorhersehbarkeit und Prägnanz, den die Serie in ihren stärksten Momenten aufwies. Sobald Walter seine alten Kollegen hinter sich lässt, wird „Felina“ aber zu einem schnörkellosen Epilog mit einfühlsamen letzten Szenen liebgewonnener Figuren und clever eingefädelten Auflösungen der wenigen noch zentralen, offen gebliebenen Fragen.
Es ist kein konventionelles TV-Ende. Sondern ein Ende, wie es im Buche steht. Es ist kein herber Einschnitt, durch den die Figuren verloren gehen und die Geschichte vollständig abgehakt wird. Das Ende von «Breaking Bad» erlaubt es dem geneigten Betrachter, sich weiter mit der Erzählung zu beschäftigen. Wie ergeht es noch Marie, Skyler oder Jesse? Und was wird aus dem Mythos Heisenberg? Gleichzeitig ist es ein idealer Punkt, die Geschichte zu beenden, denn kurz bevor ein regungsloser Walt von der Polizei am Boden eines Methlabors aufgefunden wird, gesteht er sich selbst endlich ein, dass er all das Leid seiner Verbrechen nur für sich und sein Ego auf sich nahm. Stirbt Walt exakt im Moment der Abblende? Erlebt er noch, wie ihn die Polizei davon schleppt? Diese Fragen bleiben im Hinterkopf, sind aber irrelevant. Die Geschichte plätschert aus – im besten Sinne. Sie endet nicht mit einem plötzlichen Halt, trotzdem ist klar, dass es keinen wertvollen inhaltlichen Beitrag mehr gibt, den ein Erzähler leisten könnte …
Naja, so sollte es zumindest sein. Aber es kommt ja noch der Ableger «Better Call Saul». Es muss sich noch zeigen, ob Vince Gilligan tatsächlich ein weiteres Ass im Ärmel hat, oder ob er wie seine faszinierende Schreckensschöpfung Walter White nicht weiß, wann er zu gierig wird …
Die vier alles beendenden Episoden von «Breaking Bad» feiern ihre deutsche Free-TV-Premiere am 7. November 2014 ab 22 Uhr bei RTL Nitro.