Das «Wetten, dass..?»-Kondolenzbuch

Bedauern, Unverständnis und Schadenfreude: Die Fernsehbranche reagiert auf das Ende von «Wetten, dass..?».

#Themenwoche «Wetten, dass..?»

Anlässlich des Finales der Show setzt Quotenmeter.de in dieser Woche einen Schwerpunkt und berichtet am Donnerstag in einem Kommentar von Manuel Weis über die Personalie Markus Lanz. Am Freitag folgt ein "Kondolenzbuch" mit Stellungnahmen verschiedener Promis. Am Samstag schließlich erinnern wir an die kuriosesten Wetten in der Geschichte der Sendung, ehe Dennis Weber am Sonntag nochmal auf die Quotenhistorie zurückblickt. Zudem reaktivieren wir zur letzten Sendung des Showdinos am Samstagabend unseren Live-Ticker! Schaut die Live-Show also zusammen mit Quotenmeter.de.
Am späten Samstagabend wird sie Geschichte sein: Die legendäre Samstagabendshow «Wetten, dass..?». 1981 von Frank Elstner erfunden, wurde es sie alsbald zu einem der televisionären Lagerfeuer Deutschlands. Und das blieb sie trotz Personalwechsel jahrzehntelang: 1987 von Thomas Gottschalk übernommen, 1992 kurzfristig zum größten gesamtdeutschen Fernseheinsatz Wolfgang Lipperts geworden, 1994 wieder an Thomas Gottschalk gereicht und 2012 an Markus Lanz übergeben. Unter Lanz nahm der schon in den letzten Gottschalk-Jahren spürbare Zuschauerrückgang neue Ausmaße an, wobei unter Fernsehmachern und -zuschauern Unklarheit herrscht, ob es am Moderator, am Sender oder schlicht am Zeitgeist liegt.

Fakt ist aber: Dass mit Ansage eine feste Institution des deutschen Fernsehens zu Grabe getragen wird, ist ein besonderes Ereignis in der TV-Branche. Und wo ein großes Begräbnis ist, da gehört es sich auch, ein Kondolenzbuch zu erstellen. Unser «Wetten, dass..?»-Kondolenzbuch ist jedoch etwas unüblich: Es versammelt praktisch und kompakt Reaktionen zahlreicher Fernsehpersönlichkeiten zum Abgang des großen Showdinos, die mal emotional, mal sarkastisch sind. Und teils gar von ganz oben kommen. Schauspieler und Autor Carsten Strauch richtet seine Worte an die gern überziehende Samstagabendshow nämlich in seiner «Götter wie wir»-Rolle Renate Gott:

„«Wetten, dass..?» war auch unter uns Göttern eine Institution. Ich verbinde schöne Erinnerungen damit. Vor «Wetten, dass..?» ging's samstags immer in die Badewanne und zur Sendung gab's meist einen Käseigel. Uns hat das häufig auch zu eigenen Wetten inspiriert. Zum Beispiel hatte ich 2002 mit Inge eine Wette laufen, wie viel Wasser ich in die Elbe gießen kann, bevor sie überläuft. Gut, ich hatte mich da etwas verschätzt, das muss ich zugeben.“

TV-Satiriker Philipp Walulis wiederum verfasste exklusiv für unser Kondolenzbuch sogar ein ausführliches, an die todgeweihte Sendung adressiertes Schreiben:

„Liebes «Wetten, dass..?»,

wir kennen uns leider nicht persönlich. Ich habe dich nie vor Ort erlebt in der Dreiländerhalle Passau oder Jahrhunderthalle Bitterfeld. Das letzte Mal, dass ich freiwillig eine komplette Ausgabe von dir gesehen habe, ist lange her. Da standen die beiden Türme des World Trade Centers noch.
Allein das Wort 'Ausgabe' sagt doch schon alles. Es stammt aus einer Zeit, in der noch 'Interpreten' ihre neuen 'Titel' präsentierten. In der Phil Collins vor einem schwingenden Riesenpendel auftrat.

Du hattest das Glück, in einer Zeit an den Start zu gehen, in der es nur drei Sender gab und die Auswahl begrenzt war. In der die Leute noch einschalteten um internationalen Stars dabei zu bestaunen, wie sie Floskeln zu gerade erschienenen Kinofilmen abgaben. Um überambitionierte Normalbürger dabei zu beobachten, wie sie irgendwelche im Partykeller ersonnenen Kunststückchen aufführten. Mit diesem Konzept der kleinbürgerlichen Konsens-Unterhaltung konntest du deine Zuschauer paralysieren und bis ins digitale Zeitalter hinein betäuben.

Einzelne Elemente von dir funktionieren natürlich auch heute noch. Die Wetten gibt es beim «Supertalent», Schauspieler die ihre Filme/Bücher/Mode promoten bei Lanz und eine ins Mikrofon plärrende Celine Dion sicher auch irgendwo.

Aber ich glaube, die Zeit der generationsübergreifenden Samstagabendshows (3-99 Jahre) ist einfach vorbei. Da hilft auch keine optischen Korrekturen wie eine überdimensionierte LED-Wand oder eine leidliche Comedienne als Sidekick. Denn beim Versuch, es allen Recht zu machen hast du uns einen faden Konsensbrei aufgetischt, der keinen mehr so richtig glücklich macht. Weder die Alten (50+) noch die Jungen (40-49).

Vielen Dank, dass du die Menschen damals unterhalten hast – aber jetzt ist dann auch mal Schluss!

Tschüss.

Dein Philipp

P.S: Solltest du über ein Comeback nachdenken: Warte bitte, bis es ZDF Gold gibt oder versuche es beim «Fernsehgarten» – den schaue ich nämlich auch nicht.“

Ein anderer Fernsehsatiriker, nämlich «Die schlechtesten Filme aller Zeiten»-Zyniker Oliver Kalkofe, spart ebenfalls nicht mit Kritik, sucht die Schuld aber weniger beim Konzept, sondern bei der Mainzer Sendestation. Seine Abschiedsworte an «Wetten, dass..?» kommen daher fast einem Aufruf zur Vergeltung gleich:

„Lanz ist keineswegs verantwortlich für den Untergang von «Wetten, dass..?», man kann einem einzelnen Schwein auch nicht die Schuld geben, wenn die Leberwurst versalzen ist. Aber wenn ein Sender von der Größe des ZDF, auch noch von uns finanziert, es nicht schafft seine wichtigste Show im Laufe von 30 Jahren moderat zu modernisieren und frisch zu halten, dann aber nach ersten Problemen aus Unvermögen lieber vorsichtshalber selbst absetzt – das ist ein trauriges Armutszeugnis, wie ein Hund der sich winselnd auf den Rücken wirft und selber einnässt. Ich erwarte als Konsequenz die zeitnahe, endgültige Einstellung des ZDF.“

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Ausgerechnet die für ihre Verrücktheiten bekannte «Circus HalliGalli»-Redaktion schlägt beim Thema «Wetten, dass..?» sanftere Töne an. Mittels einer Texteinblendung verabschiedete sie sich in der Episode vom 1. Dezember 2014 von der ZDF-Sendung: „Wir verneigen uns vor allen Machern, Kandidaten und Moderatoren von «Wetten, dass..?». Vielen Dank für tonnenweise Diskussionsstoff, schöne Kindheitserinnerungen und 34 Jahre 'großes Fernsehen'. Diese Show wird fehlen. Top, die Wette gilt!“ Ähnlich liest sich der Kommentar des ARD-Moderators Florian Silbereisen (Foto rechts) der schon im April gegenüber der 'BILD' über das Ende der Wettshow sagte: „«Wetten, dass..?» wurde, genau wie ich, 1981 geboren. Ich habe nie eine Zeit ohne die Sendung erlebt und finde das Aus sehr schade! Mit ein paar neuen Ideen kann die Show aber ganz schnell wiederauferstehen!“

Viele Promis sehen das Ende von «Wetten, dass..?» zwiegespalten. Darunter TV-Legende Dieter Thomas Heck, der sich ebenfalls im Frühjahr an 'BILD' richtete: „Es ist wirklich schade um diese fabelhafte Sendung. Ich glaube, dass Markus Lanz in den letzten Monaten zu viele Fehler gemacht hat und letztendlich Schuld am Ende von «Wetten, dass..?» ist. Er hätte auf Leute hören sollen, die mehr Erfahrung haben und es besser können als er. Ich bin sicher, mit Thomas Gottschalk oder Frank Elstner wären die Quoten nicht so gesunken wie mit Lanz und die Show würde weitergehen.“ Sänger Heino stimmte in der Axel-Springer-Publikation ganz und gar nicht zu: „Ich finde es richtig, dass mit ,«Wetten, dass..?» Schluss gemacht wird. Damit wird auch Markus Lanz erlöst, den ich als Moderator immer gut fand. Er hat in meinen Augen keine Schuld am Tod der Sendung, denn der Niedergang hat schon bei Gottschalk eingesetzt. Einen weiteren Verfall der Show hätte man wirklich nicht mitansehen können.“

Schauspieler, Regisseur und «Tatort»-Kommissar Til Schweiger dagegen glaubt nicht daran, dass Gottschalk die Sendung hätte retten können: „Ich kann die Entscheidung nachvollziehen. Offenbar trifft die Sendung nicht mehr den Geist der Zeit. Unfair finde ich, dies Markus Lanz alleine in die Schuhe zu schieben. Die gleichen Leute, die diese unsägliche Anti-Lanz-Kampagne fahren und sich nach Gottschalk zurücksehnen, haben, als Gottschalk noch moderiert hat, auf ihn eingeschlagen. Jeden Montag, nach jeder «Wetten, dass..?»-Sendung. Schon vergessen?“, mahnte er in der 'BILD'.

Gerade aufgrund der ewigen Diskussionen um «Wetten, dass..?» begrüßt «Danni Lowinski»-Hauptdarstellerin Annette Frier das Ende der Show: „Ich finde das irgendwie konsequent, nach dieser ganzen Chose, wie die gelaufen ist. Das war glaube ich für alle Beteiligten anstrengend, und insofern kann ich das sehr gut verstehen“, zitiert sie die Agentur all4radio. Widerspruch erhält Frier durch «Quizduell»-Moderator Jörg Pilawa, der via 'Berliner Morgenpost' den Entschluss des ZDF kritisierte: „Ich finde die Entscheidung mutig bei einer Sendung, die um die sieben Millionen Zuschauer generiert. In welcher deutschen Show sitzen Stars wie Cameron Diaz oder Tom Hanks? Ich habe die Sendung gerne gesehen, und sie bleibt eine gute Marke.“

ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner bezog in einem Pressestatement ebenfalls Stellung: „Wirtschaftlich und programmstrategisch können wir als Co-Partner diese Entscheidung nachvollziehen und müssen diese zur Kenntnis nehmen. ORF und ZDF bekräftigen den Wunsch, die Stärken der erfolgreichen Zusammenarbeit in den Bereichen Film und Serie auch für zukünftige Schnittstellen im Unterhaltungsbereich zu nutzen. Der ORF bedankt sich bei seinem langjährigen Partner ZDF und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, so Zechner.

Norbert Himmler, Programmdirektor des ZDF, kommentiert: „In den letzten Jahren hat sich im Showbereich sehr viel verändert. Das trifft alle Sender und Unterhaltungsprogramme, besonders hart aber «Wetten, dass..?» als traditionsreichste Show in Deutschland. Der Rückgang der Zuschauerzahlen zeigt, dass sich die Sehgewohnheiten verändert haben und das Format an Anziehungskraft verloren hat. Es ist uns nicht leicht gefallen, einen Klassiker wie «Wetten, dass..?» vom Schirm zu nehmen. Der Aufwand einer so großen Show steht aber nicht mehr im Verhältnis zur Zuschauer-Resonanz.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Wettkandidat Samuel Koch und die «Wetten, dass..?»-Moderatoren zur Absetzung sagen.

Der frühere Wettkandidat Samuel Koch, der 2010 in der Show einen schweren Unfall erlitt, wird bei der letzten Ausgabe live auf der Bühne dabei sein: „Das Ende von «Wetten, dass..?» ist auch das Ende für einen Lebensabschnitt von mir. Wir verabschieden uns voneinander“, sagte er im Dezember gegenüber der 'BILD'. Im Frühjahr erklärte er der Online-Ausgabe des Magazins zudem: „Sollte tatsächlich jemand denken, dass «Wetten, dass..?» durch meine Teilnahme einen Bruch erlebt hat, tut mir das sehr leid.“ Weiter hieß es: „Zumal sie in der deutschen und ich glaube auch internationalen Fernsehwelt fast einen epischen Charakter hat und gleichzeitig für viele Familien der Grund eines abendlichen Wohnzimmerzusammentreffens war.“

Auch «Wetten, dass..?»-Erfinder Frank Elstner hatte viel zum Aus der Show zu sagen. So twitterte er: „Das geht an die Nieren. Alles andere wäre gelogen!“ Angesichts der nahenden letzten Ausgabe kommentierte er zudem: „Danke an alle ZDF-Mitarbeiter, die jahrzehntelang hinter den Kulissen für den Erfolg von «Wetten, dass..?» mitgearbeitet haben.“ Gegenüber SWR3 zeigte er sich aber auch froh, dass seine Erfindung nun erst einmal vor den ständigen Negativdebatten sicher ist: „Ich bin froh, dass jetzt wieder Ruhe einkehrt. Das Potenzial des Formats schätze ich so ein, dass die Grundidee bei zeitgemäßer Anpassung Überlebenschancen hat.“

Für Verwunderung sorgte dagegen sein Nachfolger Thomas Gottschalk (Foto links). Dieser wurde von 'Spiegel Online' im April zitiert: „Dann hätte ich das Ding auch gleich selbst an die Wand fahren können.“ Für diese Reaktion entschuldigte sich der 64-Jährige allerdings, da diese dem Schock geschuldet sei. Eine weitere Stellungnahme Gottschalks folgte, in Absprache mit dem ZDF, seither jedoch nicht. Wolfgang Lippert erklärte indes der 'Berliner Morgenpost': „Ich bin stolz, einer der Moderatoren dieser Show gewesen zu sein.“ Dass das Format auslaufen soll, sei zwar schade, „aber, wie ich das Fernsehen kenne, wird diese nach wie vor gute Idee bestimmt bald wieder auftauchen.“

Markus Lanz schlussendlich wird von all4radio voller Bedauern zitiert: „Die Show ist etwas, was das deutsche Fernsehen eigentlich dringend braucht. Aber offenbar passt es im Moment wahrscheinlich nicht mehr so richtig in die Zeit.“ Wehmütig hält er «Wetten, dass..?» als „feine Familienunterhaltung ohne Zynismus und Sarkasmus“ in Erinnerung.
12.12.2014 12:12 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/75045