Die Kino-Kritiker: «Serena»

Auch in diesem Jahr dürfte Jennifer Lawrence einmal mehr im Rennen um den Oscar mitmischen. Dem Shootingstar wurde die Hauptrolle in «Serena» wie auf den Leib geschrieben. Doch obwohl Lawrence in diesem Film wohl ihre bislang beste Leistung abliefert, könnte es für der Film selbst schwer werden.

Filmfacts: «Serena»

  • Kinostart: 18. Dezember 2014
  • Genre: Drama
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 109 Min.
  • Kamera: Morten Søborg
  • Musik: Johan Söderqvist
  • Buch: Christopher Kyle
  • Regie: Susanne Bier
  • Darsteller: Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Toby Jones, Rhys Ifans, Sean Harris, Sam Reid, Charity Wakefield, Ana Uluru, Blake Ritson
  • OT: Serena (USA 2014)
Es ist das Jahr der Jennifer Lawrence. Die 24-jährige Schauspielerin gewann Anfang des Jahres ihren zweiten Golden Globe für ihre Rolle der Rosalyn Rosenfeld in der Gangster-Posse «American Hustle» und erobert als «Tribute von Panem»-Heldin Katniss Everdeen derzeit nicht nur die Spitze der Kino- sondern mit dem dazugehörigen Filmsong „Hanging Tree“ auch direkt die oberen Ränge der weltweiten Singlecharts. Darüber hinaus stehen die Regisseure bei ihr Schlange: David O. Russell, mit dem sie bereits «Silver Linings» und eben «American Hustle» drehte, bestätigte bereits, die kesse Blondine in seinem nächsten Projekt «Joy» zu besetzen und zu Lawrences «X-Men»-Nebenrolle der Mystique wünschen sich die Macher längst ein Spin-Off. Da wundert es kaum, dass der gebürtig aus Kentucky stammenden Aktrice erneut ein aktives Mitmischen in der kommenden Awardseason zugetraut wird. JLaws diesjähriges Ass im Ärmel: das Wirtschafts- und Charakterdrama «Serena», in dessen Rahmen Lawrence und ihr Schauspielkollege Bradley Cooper («Hangover 1-3») bereits zum dritten Mal gemeinsam auf der großen Leinwand zu sehen sind. Die Aufsicht über dieses melancholisch-tragische Psychoduell hat die dänische Regisseurin Susanne Bier, die nach «Love is All You Need», ihrem bis dato ersten Ausflug über die dänischen Kinogrenzen hinaus, erneut einen beachtlichen Cast um sich schart, und sich in «Serena» ganz auf das perfide Katz-und-Maus-Spiel ihrer durch und durch destruktiven Protagonisten konzentriert. Das Ergebnis ist eine kompromisslose, bisweilen etwas schwerfällige Charakterstudie zweier Menschen, deren Schicksal von Anfang an unter keinem guten Stern steht.

1929 lassen sich George (Bradley Cooper), Spross einer alten Holzfällerdynastie und seine Frau Serena (Jennifer Lawrence) in den endlosen Wäldern von North Carolina nieder. Hier wollen die frisch Verheirateten reich werden und ihr eigenes Imperium aufbauen. Bald schon zeigt sich die junge Serena ihrem Mann ebenbürtig: Sie übernimmt das Kommando über die Holzfäller und verdient sich in der rauen Wildnis bald deren Respekt. Beflügelt von ihrer Leidenschaft und der Macht, die sie bald haben, gehen Serena und George ihren Weg ohne Rücksicht auf Verluste. Doch als Serena erfährt, dass George ein Kind mit einer anderen Frau hat, lässt sie der Gedanke daran nicht mehr los. Von Eifersucht getrieben schmiedet sie einen grauenhaften Plan…

Bier lässt in ihrem Filmprojekt nicht bloß auf Seiten der Figuren immer wieder Gegensätze aufeinanderprallen. Wenngleich «Serena» weit davon entfernt ist, dem Zuschauer so etwas wie Effektkino zu liefern, gehört ausgerechnet die optische Gestaltung und das spektakuläre Szenenbild zu den wohl größten Vorzügen des Dramas. Schon Bestsellerautor Ron Rash, der die gleichnamige Buchvorlage zu «Serena» lieferte, legt in seinem Roman großen Wert auf die Beschreibung der Stimmung, deren wabernde Bedrohlichkeit vor der Kamera besonders gut zur Geltung kommt. Gedreht wurde zwar zu Großteilen in den Wäldern von Prag, doch aufgrund der recht beschränkten Kulisse eines waldumsäumten Holzfällerdorfes büßt «Serena» zu keinem Zeitpunkt an Authentizität ein. Morten Søborg, Stammkameramann von Susanne Bier, bewies schon in dem auf Handlungsebene wenig auffälligen Found-Footage-Horrorfilm «Chernobyl Diaries», mit welchem Fingerspitzengefühl er in der Lage ist, Schwachstellen im Storytelling mit dem richtigen Blick für das Schaffen visueller Atmosphäre auszugleichen. So auch diesmal. Während dunkle Blau- und Grüntöne umgebungsbedingt ein Bild dominieren, das einzig von den hellhäutigen Charakteren immer mal wieder durchbrochen wird, sorgen außergewöhnlich starke Kontraste dafür, dass sich die Umgebung von den Figuren und diese von sich selbst abgrenzen. Ein cleverer Kniff, wenn man bedenkt, dass sich dieser Aspekt auch in der Geschichte wiederspiegelt, in welcher sich die Figuren zwar umtänzeln, jedoch nie auch nur ansatzweise zusammenfinden.

Das Herzstück von «Serena» ist jedoch weniger die eindrucksvolle Szenengestaltung. Stattdessen liegt das Hauptaugenmerk, der Titel kündigt es bereits an, auf dem seelischen Verfall der von Jennifer Lawrence mitreißend verkörperten Hauptfigur Serena Pemberton. Die zwar selbstbewusste, aber emotional wenig gefestigte Millionärstochter legt eine beeindruckende Präsenz an den Tag, sodass nie auch nur im Ansatz die Frage aufkommt, weshalb all die zu ihrem Lager gehörenden Arbeiter einen solchen Respekt vor der zarten Frau haben. Diese widersprüchliche Rolle ist der zierlichen Jennifer Lawrence wie auf den Leib geschrieben. Mit ihren 24 Jahren steht ihr die bisweilen naive Weltsicht der Serena ebenso gut zu Gesicht wie die resolute Lady; beide Züge vereinen sich in der Figur zu einer unberechenbaren Mischung, die jedwede Kommunikation zu Serena zu einem Tanz auf der Rasierklinge macht. Besonders im Anbetracht der Tatsache, dass sich starke Frauenrollen in Hollywood nicht gerade die Klinke in die Hand geben, wirkt das Charakterprofil der Serena Pemberton umso spektakulärer.

Dem steht mit der Rolle des George Pemberton, nicht minder eindringlich von Bradley Cooper verkörpert, eine ebenso paradoxe Figur gegenüber, auf der zwar nicht solch ein Fokus liegt, wie ihn Serena vorweisen kann. Gleichzeitig hat George das Maß an Ausstrahlung, um seiner Angetrauten die Paroli zu bieten, die es braucht, um neben seiner enorm charismatischen Ehefrau nicht unterzugehen. Die hochemotionalen Rededuelle, die sich das Paar immer wieder liefert, wandeln stetig auf dem schmalen Grad zwischen Verführung und Provokation, was die Spannung konstant auf einem hohen Niveau hält. Gleichzeitig ist «Serena» kein Ereigniskino. So wird es dem Drehbuchautor Christopher Kyle («Alexander») durchaus mehrmals zum Verhängnis, dass sich sein Vertrauen in die Geschichte hauptsächlich auf die, zugegebenermaßen äußerst intensiven Dialoge beschränkt. Abgesehen von Serena und George erhalten sämtliche Nebenfiguren allenfalls die Umrisse eines Profils. Darüber hinaus schreitet der Plot nur äußerst gemächlich voran, was insbesondere in der ersten Hälfte ordentlich Sitzfleisch fordert. Die Einführung in die Geschehnisse wird den kommenden Verwicklungen schlicht nicht gerecht und lässt große Erwartungen zu, die so in der Form nicht erfüllt werden. Dafür weiß die zweite Hälfte umso stärker zu überzeugen. Ana Ularu («Die Borgias») mimt mit stoischer Verdrossenheit die Verflossene Georges, die wie das fleischgewordene schlechte Gewissen im Holzfällercamp herumschleicht. Sie ist es, die es soweit kommen lässt, dass sich die Begebenheiten schließlich überschlagen, was «Serena» in einen packenden, zum eigentlichen Tonfall des Films jedoch nicht recht passenden Schlussakt münden lässt.

Wenngleich Susanne Bier mit «Serena» eine absolut runde Geschichte erzählt, bleibt jedoch die Frage nach der Moral. Der Film legt die Fakten von Anfang an offen und hantiert nicht etwa unangenehm mit vermeintlichen Plottwists. Gleichzeitig lässt das Drama eine gewisse Form des Zugangs vermissen. Den beiden Hauptfiguren zuzusehen, hat einen makaberen Unterhaltungswert. Auch die Symbiose aus Beziehungsdrama und Wirtschaftskrimi, rund um Vertrauen, Verrat und Vergeltung, versprüht einen gewissen Reiz. Doch weder die Handlungen von Serena, noch von George Pemberton sind vollends nachzuvollziehen. So bleibt man als Zuschauer schlussendlich kaum berührt von den eigentlich so tragischen Ereignissen.

Fazit: Oscars fraglich. Susanne Bier verliert bei aller Ambition die Zugänglichkeit ihrer Geschichte aus den Augen und macht «Serena» so zwar zu Schauspielkino erster Klasse, doch außer für Szenenbild und Kamera dürften die Goldjungen in dieser Saison an andere Filme gehen.

«Serena» ist ab dem 18. Dezember in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen!
16.12.2014 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/75129