Die Show der großen Gefühle kehrte am Dienstagabend zurück zu Sat.1 - und schien nie weg gewesen zu sein. Gehörigen Anteil am gelungenen Comeback hatte auch der ewig unterschätzte Wayne Carpendale.
«Nur die Liebe zählt»: TV-Geschichte
- Zwischen 1993 und 2011 von Kai Pflaume moderiert
- In den ersten beiden Jahren bei RTL, ab 1995 in Sat.1
- Sendezeit meist ca. 19 Uhr, Sendetag schwankend
- Produktion von Endemol
- Mitte 2011 aufgrund schwacher Quoten abgesetzt
Was macht ein Sender, der eine umfassende Show-Historie vorzuweisen hat, in der jüngeren Vergangenheit allerdings kaum mehr Erfolge feiern konnte? Bei Sat.1 beantwortet man diese Frage mit dem ebenso pragmatischen wie einfallsarmen Konzept, die alten Hits zu reaktivieren und sie an einigen Stellschrauben zu verjüngen. Bei
«Nur die Liebe zählt» lässt Moderator Wayne Carpendale sein Publikum an dieser Grundidee gleich zu Beginn teilhaben und stellt zur Begrüßung die rhetorische Frage, warum man "hätte viel ändern sollen"? In der Tat fühlte sich der Zuschauer am Dienstagabend an die alten Zeiten erinnert, als zur ungewohnten Sendezeit um 20:15 Uhr der Beatles-Hit "All You Need Is Love" im heimischen Wohnzimmer erklang. Allzu große Wehmut kam dabei allerdings nicht auf, denn die Neuauflage wusste mit ihrem bewährten Konzept und ihrem neuen Moderator zu jeder Zeit zu überzeugen.
Um sich für die Sendung erwärmen zu können, muss man sich aber gewiss mit ihrer Ausrichtung arrangieren. Man bekommt verlässlich großes televisionäres Gefühlskino mit vielen Tränen, einer gehörigen Portion Kitsch und Rührseligkeit geboten, was gewiss nicht jedermanns Metier ist und allzu leicht hämisch kommentiert werden kann. Lässt man sich aber darauf ein, gut zwei Stunden lang das Herz sprechen zu lassen und einmal nicht verkopft zu agieren, wird man Teil eines sehr emotionalen und mitunter auch ehrlich nahegehenden Stücks TV-Unterhaltung. Die Macher bemühen sich sichtlich darum, den Höhepunkt des überraschenden Aufeinandertreffens sich liebender Menschen besonders stark in Szene zu setzen, indem sie den Akteuren die nötige Zeit geben, ihre Lebens- und Liebesgeschichte ausführlich darzulegen. Die Schilderungen wirken zu jedem Zeitpunkt authentisch, ungezwungen und so "echt", dass man mehrmals das Gefühl bekommt, gerade einen Menschen kennen und schätzen zu lernen. Dies zu bewerkstelligen, ist die Grundvoraussetzung, um Empathie beim Publikum zu schaffen - und es gelingt mit Bravour.
Lobend zu erwähnen ist auch die Auswahl der Kandidaten, die fast ausnahmslos eine spannende Geschichte zu erzählen haben und einen gewissen natürlichen Unterhaltungsfaktor besitzen - wohlgemerkt einen natürlichen, keinen aufgesetzten und überkandidelten, woran
zuvor noch «Deal or No Deal» krankte. Und wenn die Telegenität mal zu wünschen übrig lässt, gelingt es durch eine gekonnte Inszenierung, dies zu kaschieren. So etwa bei einer sechsfachen Mutter aus dem Kosovo, die von ihren Kindern überrascht werden soll - und nicht allzu gesprächig daherkommt. Dagegen ist der Talk zwischen Carpendale und einer 85-jährigen Frau, die noch einmal ihren in Australien lebenden Bruder sehen möchte, ebenso herzlich wie amüsant. Entsprechend rückt man hier den Fokus mehr auf die betagte Dame, die ihr Vertrauen dem Moderator gegenüber damit begründet, dass er doch "der Sohn von Howard Carpendale" sei.
Anders als zuletzt unter Pflaume hat man der Neuauflage auch wieder ein Studio spendiert, das zum Glück nicht nur dazu dient, den nächsten Einspielfilm anzusagen. Es entwickelt sich viel mehr ein griffiges Zusammenspiel zwischen den voraufgezeichneten Clips und den Studio-Elementen, die sich bei den meisten Geschichten auch ergänzen sollen. Besonders schön zur Geltung kommt das Schmuckstück mit Publikum bei besagter Kosovarin, die zunächst auf einer Couch auf der drehbaren Bühne zum kurzen Plausch mit dem Moderator Platz nimmt. Sobald der Einspieler mit der Botschaft ihrer Kinder folgt, dreht sich die Couch um 180 Grad, sodass sie nun auf eine Videowand blicken kann. Nach dem Einspieler öffnet sich diese Wand auf einmal und bringt eine weitere kleine Bühne zum Vorschein, auf der sich nach und nach ihre Kinder einfinden - die eine leicht umgedichtete Version des Bourani-Hits "Auf uns" zum Besten geben. Dezente Fremdscham kommt hier auf, es überwiegt allerdings die Rührung und der Respekt ob dieser mutigen Aktion.
Einen gehörigen Anteil am Gelingen der Show hat natürlich auch Wayne Carpendale, der die nicht ganz einfache Aufgabe hat, Pflaume würdig zu ersetzen - der immerhin fast zwei Dekaden lang die Show präsentierte. Umso höher ist ihm anzurechnen, dass er auf Anhieb mit seinem eigenen Stil zu punkten weiß und kein einziges Mal unsicher daherkommt. Er wirkt herzlich, authentisch und ernsthaft interessiert an seinen Kandidaten und hat augenscheinlich keinerlei Schwierigkeiten dabei, auf diese zuzugehen und mit ihnen zu interagieren. Sein Hang zur Selbstironie und Schlagfertigkeit ist insbesondere in einer Sendung angenehm, die ansonsten wenig humoristische Elemente beinhaltet und somit droht, etwas zu ernst zu geraten. Noch etwas mehr im Zaum halten darf Carpendale allerdings den Drang, permanent zu lächeln oder grinsen - denn hier fühlt man sich dann manchmal schon an das etwas unfaire Image erinnert, das ihm seit Jahren anhaftet: Das des schmierigen Schönlings, dessen größtes Talent ist, der Sohn eines bekannten Musikers zu sein.
Wie gefiel Ihnen der Auftakt von «Nur die Liebe zählt»?
Insgesamt ist den Machern von «Nur die Liebe zählt» kaum etwas vorzuwerfen, weshalb man ohne jeden Zweifel von einem gelungenen Comeback sprechen kann. Wie langlebig es ausfallen wird, hängt letztlich aber primär wieder einmal von den Einschaltquoten ab - die vor allem auch deshalb spannend zu beobachten sein werden, weil die Dienstags-Primetime in Sat.1 zuletzt fast immer mit deutschen Filmproduktionen bestückt wurde. Die Zahl der neuen Spielfilme für diesen Programmslot sank aber schon zuletzt deutlich, weshalb die Filmemacher mit einer gewissen Sorge auf dieses neue Konzept blicken, mit romatischer Färbung Quote zu generieren. Carpendale jedoch hätte sich den Erfolg verdient - und könnte weiter dazu beitragen, als Moderator ernst genommen zu werden.
Sat.1 zeigt an den kommenden drei Dienstagabenden jeweils zur Primetime weitere «Nur die Liebe zählt»-Folgen.