Die aufwändige BBC-Serie «Die Musketiere» kommt als Weihnachtsevent ins deutsche Fernsehen. Lohnt es sich, einzuschalten?
Cast und Crew
- Idee: Adrian Hodges, basierend auf Alexandre Dumas' „Die drei Musketiere“
- Regie: Andy Hay, Farren Blackburn, Richard Clark, Toby Hayners, Saul Metzstein
- Chefautor: Adrian Hodges
- Darsteller: Tom Burke (als Athos), Santiago Cabrera (als Aramis), Howard Charles (als Porthos), Peter Capaldi (als Richelieu), Maimie McCoy (als Milady de Winter), Luke Pasqualino (als D'Artagnan)
- Ausführende Produzenten: Adrian Hodges, Jessica Pope
- Produktion: Colin Wratten
- Schnitt: Emma Oxley, Matthew Cannings, Andrew MacRitchie, Tim Porter, Sam Williams
- Musik: Murray Gold
- Produktionsdesign & Szenenbild: Will Hughes-Jones, Katja Soltes
- Kamera: Mike Spragg, Tim Fleming, Sam McCurdy, Stephan Pehrsson
Alexandre Dumas' «Die drei Musketiere» gehört zu den am häufigsten adaptierten Werken der Literaturgeschichte. Allein seit der Jahrtausendwende kamen unter anderem der von Kung-Fu-Filmen beeinflusste Actioner «The Musketeer», Paul W. S. Andersons wildes, nach der Romanvorlage benanntes 3D-Spektakel mit Orlando Bloom und Milla Jovovich und ein Zeichentrickfilm mit Micky, Donald und Goofy heraus. Und die Faszination für die idealistischen Mantel-und-Degen-Kämpfer nimmt einfach keinen Abbruch. Mit der Historienserie «Die Musketiere» mischt nun auch die BBC mit, die im Abenteuergenre dank «Merlin» und «Robin Hood» bereits Aufmerksamkeit erregte. Im Gegensatz zum 2011 in die Kinos entlassenen Effektgewitter des «Resident Evil»-Regisseurs Paul W. S. Anderson verzichtet die BBC-Serie auf völlig durchgeknallte Elemente wie Flugschiffe und monumentale, technisch ausgetüftelte Geheimräume.
Eben diese Zutaten des 3D-Kinofilms, die ihn zum Albtraum all jener machen, die eine vorlagengetreue Erzählung sehen wollten, lassen ihn jedoch zugleich deutlich aus der Masse an Swashbucklern herausstechen. Genauso wie sich «The Musketeer» durch seinen von asiatischen Actionfilmen geprägten Inszenierungsstil auszeichnet. Ganz gleich, wie mager seine Qualitäten und wie herb seine Schwächen sein mögen, er fügt der umfangreichen Auswahl an «Musketier»-Adaptionen etwas eigenes hinzu. Trotz des Verzichts auf derart zeitgenössische Elemente orientiert sich auch die BBC-Serie stark an modernen Sehgewohnheiten. Daher erstrahlt «Die Musketiere» zwar in der Pracht einer stattlichen Historienserie, hat aber (zu Beginn) eine so hohe Frequenz an Actionszenen und launigen Comedyeinlagen als sei sie ein seriengewordener Michael-Bay-Film.
Obwohl der Inhalt der Vorlage zu Gunsten der Fernsehdramaturgie uminterpretiert wird, stimmt das Grundkonzept in den entscheidenden Elementen mit dem Original überein. Wir schreiben das Jahr 1630 und das französische Volk leidet unter zu hohen Steuern und selbstgefällig handelnden Palastwachen. Der jugendliche Bauernsohn D'Artagnan (Luke Pasqualino) zieht es aufgrund der ausschweifenden Ungerechtigkeiten nach Paris, denn der fähige Schwertkämpfer hofft, dort das Recht in die eigene Hand nehmen zu können. In der französischen Hauptstadt angelangt, begegnet er drei Musketieren, die zwar allerlei Laster haben, gleichwohl auch große Ideale: Der versoffene Athos (Tom Burke), der betrügerische Porthos (Howard Charles) und der promiskuitive Aramis (Santiago Cabrera). Letzterer steht zwar eingangs unter Verdacht, D'Artagnans Vater ermordet zu haben, diese falsche Fährte wird aber schnell als ebensolche enttarnt.
Hinter der Intrige steckt der machtbesessene Kardinal Richelieu (Peter Capaldi), dessen oberstes Ziel es ist, seinen Einfluss auf Frankreich und ganz Europa auszuweiten. Dazu nutzt er den arglosen König Louis XIII. (Ryan Gage) aus, sowie dessen Gemahlin Anne (Alexandra Dowling), die sich aber nicht ganz so einfach hinters Licht führen lässt wie der König. Das Ass in Richelieus Ärmel ist indes die ruchlose Verführerin Milady de Winter (Maimie McCoy), die wahrlich jeden Mann um ihren Finger zu wickeln weiß …
Die erste Doppelfolge der von «Primeval»-Schöpfer Adrian Hodges erdachten BBC-Produktion begnügt sich damit, das Setting und die grundlegende Figurenkonstellation zu etablieren. Das bedeutet, dass es in den ersten 90 Minuten der Serie zahlreiche Kamerafahrten durch die geschichtsträchtigen Straßen Prags gibt (das als Drehort genutzt wurde, um relativ kostengünstig ein historisch-bäuerliches Paris auf Film zu bannen) sowie diverse humorvoll angehauchte Sequenzen, die mit grobem Pinsel die zentralen Figuren skizzieren. Darüber hinaus kommt es zu sehr, sehr vielen Fechtsequenzen. Diese sind zwar allesamt auf den Punkt geschnitten und flott choreografiert, durch die schiere Menge an dramaturgisch öfters überflüssiger Action wird sie in der ersten Doppelfolge trotzdem gen Ende ermüdend.
Auch die dritte Episode (beziehungsweise die erste Hälfte der zweiten Doppelfolge) hat noch leichte Rhythmusprobleme, als dass die Übergänge zwischen einzelnen Handlungssträngen holpern und die tonale Balance der Serie nicht richtig sitzt. Die Serie beeindruckt visuell damit, wie passioniert sie das frühe 17. Jahrhundert nachbildet (erst recht für eine UK-Fernsehserie), und die politischen Machtspielchen sowie Laster der Figuren werden vergleichsweise ernst genommen. Gleichwohl sind die Figuren in den ersten Folgen zu vorhersehbar geschrieben und die Actionszenen zu spaßig-geschliffen, um «Die Musketiere» als Historiendrama zu genießen. Für eine Musketier-Adaption, die allein auf den Unterhaltungsfaktor setzt, sind die Sprüche dann aber nicht denkwürdig genug und die eigenen, knalligen Ideen der Autoren zu rar gesät.
Ab Episode vier zieht «Die Musketiere» an und das Gleichgewicht zwischen den beiden Ansätzen, die Adrian Hodges zu vereinen versucht, ist ausgewogener. Dies gelingt unter anderem daher, weil sich von diesem Punkt an jede Folge schwerpunktmäßig jeweils einer Figur widmet. Somit erhalten die Subplots pro Episode mehr Raum zum Atmen, wovon wiederum die Übergänge zwischen Dramatik und Abenteuerspaß profitieren. Während etwa Peter Capaldi mehr Gelegenheiten erhält, sich in einer genüsslich-überzeichneten Performance als Überschurke zu verlieren und Maimie McCoy jede Facette einer Verführung auf zwei Beinen ausprobieren darf, erhalten die Musketiere zunehmend Charaktertiefe. Dadurch gewinnen die Actioneinlagen an inhaltlicher Bedeutung, so dass sie ihren Spaßfaktor weiter entfalten können und nicht weiter zum reinen Selbstzweck verkommen.
Schade ist unterdessen, dass sich der dramaturgische Aufbau der jeweiligen Einzelfolgen kaum unterscheidet, was ihnen trotz regelmäßig wechselndem inhaltlichen Fokus einen formelhaften Beigeschmack verleiht. Die Hintergrundmusik aus der Feder Murray Golds ist ebenfalls nicht besonders abwechslungsreich, macht mit ihrer Mischung aus Verspieltheit und atmosphärischer Schwere dennoch Laune.
Fazit: «Die Musketiere» erfindet das Rad keineswegs neu. Mit sympathischen Darstellern, einem wenig originellen, jedoch sehr ansehnlichen Look und gelungenen Actioneinlagen wird die Serie Fans des Mantel-und-Degen-Genres dennoch ohne Mühe am Ball halten. Und Musketier-Novizen könnten sich wahrlich einen schlechteren Einstieg aussuchen.
«Die Musketiere» startet am 21. Dezember 2014 um 21.45 Uhr im Ersten. Weitere Doppelfolgen sind am 22., 23., 25. und 26. Dezember zur selben Sendezeit zu sehen.