Vom 'Awesome Mix Vol. 1' bis Zimmer, von kühl-verstörender Begleitmusik hin zu urkomischen Filmsongs. Das Kinojahr 2014 bot zahlreiche starke Soundtracks. Wir haben, nach langem Überlegen, unsere zehn Highlights rausgesucht.
2014 sorgte das Kino wieder einmal für unzählige Ohrwürmer. Egal, ob eine verspielte Hintergrundmelodie, ein urkomischer Song oder eine unter die Haut gehende Klangtapete, die einen starken Film noch lange nachhallen lässt: Während auf der großen Leinwand große Emotionen geweckt werden, läuft zumeist auch großartige Musik. Am Ende des Jahres nur zehn Highlights auszuwählen, ist eine Wahnsinnsaufgabe. Trotzdem wollen wir uns daran versuchen. Diese zehn (chronologisch nach deutschem Kinostart sortierten) Soundtrackalben werden uns in Erinnerung bleiben:
«Saving Mr. Banks» (Komponist: Thomas Newman)
John Lee Hancocks Tragikomödie «Saving Mr. Banks» erzählt davon, wie Kinderbuchautorin P. L. Travers die Walt Disney Studios besucht, wo der Firmengründer sie zu überzeugen versucht, ihm die Filmrechte an «Mary Poppins» zu überlassen. Währenddessen werden alte Wunden aufgerissen, so dass sich Travers zum ersten Mal seit Jahrzehnten intensiv mit ihrer komplizierten Beziehung zu ihrem Vater auseinandersetzen muss. Komponist Thomas Newman untermalt diese Geschichte mit einem luftig-leichten, unaufdringlichen Score, der auf Klavierpassagen, sanfte Percussion, ruhige Gitarren- und Flötenklänge sowie gefühlvolle Streicher setzt. Newmans Melodien sind verspielt, nachdenklich und haben zwar eine hoffnungsvoll-verträumte Grundstimmung, nehmen aber auch oft genug eine verletzliche Wende. Völlig zu Recht Oscar-nominiert!
«Grand Budapest Hotel» (Komponist: Alexandre Desplat)
Die Heist-Movie-Farce von Kultregisseur Wes Anderson lockte im Frühjahr 2014 mehr Menschen in die Kinos, als sämtliche Arbeiten des Texaners zuvor. Die aufgedrehte, Genres und filmhistorische Einflüsse wild durcheinander wirbelnde, leicht melancholische Komödie im Puppenhaus- und Zuckerbäcker-Look funktioniert nicht zuletzt auch aufgrund der exzentrischen Musik von Alexandre Desplat. Der sechsfach für den Academy Award vorgeschlagene Pariser bedient sich hier an einer breiten Palette an Instrumenten und nutzt sie für altmodisch-propulsive Filmmusik wie aus den 30ern oder 40ern. Vergnügt, durchgeknallt und konsequent inkonsistent: Eine Hintergrundmusik, die zum Grinsen einlädt.
«The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro» (Komponisten: Hans Zimmer & The Magnificent Six)
Marvel-Fans und zahlreiche Filmkritiker verrissen die Sony-Großproduktion aufgrund einer unkonzentrierten Erzählung und wenig behände umgesetzten Tonfallwechseln geradezu in der Luft. Eines der wenigen Elemente, das in Kritiken mehrheitlich für gut befunden wurde, ist die Hintergrundmusik. Eben jene hätte es in dieser Form allerdings beinahe nicht gegeben: Ursprünglich wurde James Horner angeheuert, der auch die Musik zum Vorläufer schrieb. Horner sprang aber vom Projekt ab. Im Gespräch mit der Fanseite 'James Horner Film Music' verriet er, dass er den Film „grauenhaft“ fand und die ständigen Einmischungen des Studios nicht dulden wollte. Also musste ein neuer Komponist her. Die Wahl fiel auf Zimmer, weil dieser große Erfahrung mit Superheldenfilmen sammelte und obendrein ein Faible dafür hat, in Not geratenen Regisseuren zu helfen. Zimmer nutzte daraufhin sein Verhandlungsgeschick, um beim Studio ein verrücktes Projekt durchzuboxen: Er gründete eine „Garagenband“ mit Pharrell Williams, Michael Einziger, Junkie XL, Johnny Marr, Andrew Kawczynzki und Steve Mazzaro. Gemeinsam schrieben sie Songs, wie sie sonst für Filmtribute-Alben entstehen. Diese Stücke wurden dann von Zimmer, den Toningenieuren Nevin Seus & Catherine Wilson sowie von Produzent Stephen Lipson als Grundlage für den eigentlichen Filmscore genommen. Das Ergebnis ist mitunter krawallig, schizophren und übertrieben – aber in seinem Wagemut und seiner Passion authentischer und mitreißender als es der Film eigentlich verdient hätte.
«Muppets Most Wanted» (Originalsongs: Bret McKenzie, Originalmusik: Christophe Beck)
Die anarchische Muppet-Truppe gelang 2014 mit einer durchgeknallten Gangster- und Doppelgängerkomödie in die Kinos – und auch wenn der kommerzielle Erfolg des Vorgängers «Die Muppets» ausblieb, begeisterten die filzigen Film- und Fernsehhelden ihre Fans aufs Neue. Nicht zuletzt dank der herausragenden Filmmusik. Bereits in die ersten Filmminuten packen Songschreiber Bret McKenzie und Regisseur James Bobin eine absurde Anzahl an Gags, indem sie die Muppets fröhlich davon singen lassen, dass sie vom Disney-Studio endlich als einträglich erachtet werden und daher eine Fortsetzung drehen dürfen. Zumindest so lange, bis man mit «Toy Story 4» loslegt. Mindestens genauso genial: Ein schleimiger Kermit-Impersonator gibt eine heiße Disco-Liebesnummer zum Besten, in der er Miss Piggy das Blaue vom Himmel verspricht (und einen Kreditvertrag, ein Seidenbett, einen Kakadu in Malibu und, und, und …). Und vorm Finale darf sich die Schweinediva an einer Céline-Dion-Powerballade versuchen. Eingängig, saukomisch und fast schon verboten gut produziert. Da ist ein Feuerwerk der guten Laune garantiert. Selbst wenn dabei einige Telefonzellen in die Luft fliegen könnten …
«Godzilla» (Komponist: Alexandre Desplat)
Desplat mal anders. Der Franzose tendiert normalerweise zu leisen und/oder verspielten Filmklängen. Diese wären in einem «Godzilla»-Film allerdings fehl am Platz. Und so passt der Komponist seinen Stil (lange, elektronische Bassklänge, die sich als roter Faden durch ganze Passagen ziehen, wiederkehrende Themen mit mehrschichtiger Klangstruktur) dem Sujet an. Sein Klangbett für die überdimensionale Schreckensechse ist pompös, kraftvoll und beweist in den Actionszenen wenig Grazie. Dafür erlaubt sich Desplat das Spiel mit subtilen ethnischen Einflüssen, zudem stimmt er in Momenten der Ruhe Melodien mit einer morbiden Poesie an. Dieser Score ist einfach eine Wucht.
«Planet der Affen – Revolution» (Komponist: Michael Giacchino)
Das «Planet der Affen»-Filmfranchise durchlief bereits fünf Komponisten: Jerry Goldsmith, Leonard Rosenman, Tom Scott, Danny Elfman und Patrick Doyle. Mit Oscar-Gewinner Michael Giacchino stieß im Sommer 2014 ein weiterer Musiker zur Science-Fiction-Reihe hinzu, die sich mit ihren oftmals kompromisslosen politischen Untertönen rühmt. Und direkt mit seinem ersten Eintrag in die kontinuierlich wachsende Reihe macht Giacchino ein einprägsames Argument dafür, dass er sich mit dem legendären Jerry Goldsmith messen lassen kann. Mittels versierten Referenzen auf die Tracks seiner Vorgänger verwurzelt er seine Stücke in der Geschichte dieser Filmreihe, gleichzeitig baut er mit subtilen Chorälen, rasanten Streichern sowie komplexen Rhythmen ein eigenes musikalisches Vokabular auf, welches er im Laufe des Films faszinierend variiert. Und bedenkt man, wie sehr Giacchino schlechte Wortspiele liebt (so gibt er seinen Stücken Titel wie „Close Encounter of the Furred Kind“ oder „Gorilla Warfare“), wird er wohl auch dieses Fazit mögen: Dieser Soundtrack ist affenstark!
«Can a Song Save Your Life?» (Diverse Interpreten)
John Carney, Regisseur und Autor des allseits geschätzten Musikfilms «Once», meldet sich mit einer weiteren, zauberhaften Tragikomödie zurück. Mark Ruffalo und Keira Knightley bestechen in «Can a Song Save Your Life?» als zwei vom Unglück verfolgte Musikbegeisterte, die sich in einer deprimierenden Phase ihres Lebens kennenlernen. Durch ein gemeinsames Albenprojekt helfen sie sich aus ihrer Krise heraus – und verschaffen dem Zuschauer zahlreiche neue Ohrwürmer. Wohlfühlmelodien und zarte Traurigkeit machen den Soundtrack dieses cineastischen Geheimtipps zu einer wunderbaren Platte für verregnete Tage – oder auch für Nachtspaziergänge in den Sommermonaten. Höhepunkte des Albums: Adam Levines Performance der mittelschnellen Popnummer „Lost Stars“ und Keira Knightleys wunderschöne Ballade „A Step You Can't Take Back“.
«Guardians of the Galaxy» (Diverse Interpreten)
Tyler Bates («Sucker Punch») verlieh mit seinen Eigenkompositionen dem Marvel-Superhit «Guardians of the Galaxy» eine solide, effiziente Hintergrundmusik – allerdings könnten seine Melodien auch zu so ziemlich jedem anderen Superheldenteam passen. Ein großer Beinbruch ist dies aber nicht. Den wahren musikalischen Mittelpunkt des von James Gunn inszenierten Weltraumspaßes stellt eh der „Awesome Mix Vol. I“ dar, eine glänzende Zusammenstellung aus Soul-, Funk-, Rock- und Pop-Songs der 60er und 70er. Denkwürdig im Film zur Geltung gebracht, erden sie das knallige Spektakel durch ihre nostalgische Note, gleichwohl akzentuieren sie seine Verschrobenheit. Denn in welchem anderen Big-Budget-Superheldenbombastwerk bekommt man schon Lieder wie „Hooked on a Feeling“, „Cherry Bomb“ oder „O-o-h Child“ zu hören?
«Gone Girl» (Komponisten: Trent Reznor & Atticus Ross)
Trent Reznor und Atticus Ross setzen ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit Regisseur David Fincher fort, und bleiben ihrem minimalistischen, exzentrischen Stil treu, setzen wie gewohnt auf Dissonanzen und fragmentarische Tonelemente. Dennoch entwickeln sie für den «Gone Girl»-Score auch neue Elemente und erschaffen auch unter Gebrauch eines klassischen Orchesters eine Klangwelt die perfekt zum Film passt: Eiskalt. Eine zerbrechliche Fassade der Glückseligkeit. Das Gefühl entschwindender Geborgenheit. Aufkeimende, finstere Mutmaßungen. Ein unvergesslicher Ausbruch des Grauens – und schlussendlich wieder kühle Klänge, die bis ins Mark gehen. Wer sich bei dieser Musik in seiner Liebesbeziehung sicher fühlt, lügt sich etwas vor.
«Interstellar» (Komponist: Hans Zimmer)
Zimmer zum Zweiten. Tobte sich der Oscar-Preisträger bei «The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro» völlig aus und nutzte sein Engagement für den Superheldenstreifen, um mit befreundeten Musikern zusammenzuarbeiten, zeigt sich Zimmer bei Christopher Nolans Weltraumtrip von seiner gesitteten Seite. Dass sich der Starkomponist ganz in den Dienst der Story und ihrer Gefühle stellt, heißt aber nicht, dass er sich völlig zurückhält. Denn auf Wunsch des «The Dark Knight»-Regisseurs entstand für «Interstellar» ein vor Emotionen überschwappender Score, der selbst in seinen fragilsten Momenten laut aufgedreht aus den Lautsprechern dröhnt. Aber mit tieftraurigen Orgelklängen, intelligent eingeflochtenen «2001: Odyssee im Weltall»-Referenzen sowie sich komplex entfaltenden Leitthemen ist Zimmers «Interstellar»-Begleitmusik so grandios, dass man sie liebend gern mit voller Stärke über sich hinweg walzen lässt. Fantastisch!