Das audiovisuelle Aufrüsten der Streaming-Giganten geht 2015 in eine neue Phase. Allein im Frühjahr startet Netflix vier neue Serien, dazu die dritte «House of Cards»-Staffel. Über die Neustarts, bisherige Erfolge und alles weitere, was man zu Netflix jetzt wissen muss.
Netflix-Originals im Frühjahr 2015
- House of Cards (S3): 27. Februar (Deutschland später)
- Unbreakable Kimmy Schmidt: 6. März
- Bloodline: 20. März
- Daredevil: 10. April
- Grace and Frankie: 8. Mai
Es ist wieder so ein Tag, der die internationale Medienwelt aufhorchen lässt: In der Nacht zum Montag gewannen Online-Serien der Anbieter Amazon und Neflix einige der heißbegehrten Golden Globes – in drei wichtigen Kategorien. Unter anderen konnten Kevin Spacey («House of Cards») und Jeffrey Tambor («Transparent») Auszeichnungen entgegennehmen; es ist das erste Mal, dass die Streaming-Formate nicht nur nominiert, sondern in essentiellen Kategorien auch ausgezeichnet werden. Damit bringt die Jury den Machern von «House of Cards» und Co. endlich die Anerkennung entgegen, die sie längst verdient haben. Bisher nämlich gingen die Serien trotz zahlreicher Nominierungen meist leer aus. Für Kevin Spacey ist der Golden-Globe-Gewinn tatsächlich der erste Preis überhaupt, den er für seine geniale Darstellung des Frank Underwood erhält. Wer «House of Cards» seit zwei Jahren verfolgt, der weiß, wie sehr Spacey ihn endlich verdient hat. Nicht nur als Zeichen dafür, dass Online-Formate ihren festen Platz in der hochgelobten Serienbranche einnehmen.
Solche Preise bringen Aufmerksamkeit, und diese ist ein wichtiger Faktor im Kampf der Unterhaltungsbranche geworden. Jeder Produzent ist auf der Suche nach dem nächsten großen Serienhit, über den jeder spricht – auf der Suche nach der neuen Watercooler-Serie. Es spricht viel dafür, dass der Kampf um die zahlende Kundschaft in diesem Jahr erbitterter geführt wird als je zuvor: Erstens sind die Jahre des großen Wachstums, vor allem in den USA, vorbei – für Anbieter wie Neflix wird es immer schwieriger Neukunden zu begeistern, umso mehr attraktive Angebote in Form eigener Inhalte müssen her. Zweitens steigt Amazon derzeit massiv in den Serienmarkt ein: Erst kürzlich startete man die eigenproduzierten Dramen «Mozart in the Jungle» und «Transparent», letzteres wurde mit Lob und Aufmerksamkeit bei den Kritikern überschüttet. In wenigen Tagen beginnt die vierte Pilot Season mit zahlreichen neuen Formaten, zusätzlich gehen 2015 drei erwachsene Formate in ihre erste Staffel. Bezogen auf den deutschen Markt ist es drittens Netflix, das das Feld von hinten aufräumt: Derzeit investiert man massiv in die Bibliothek, schaltete in den vergangenen Wochen dutzende neue Filme und viele neue Serien frei. Das eigene Angebot wird massiv beworben, Konkurrent Amazon kontert ebenfalls mit Werbung – einem sonst eher unüblichen Vorgehen des Verkaufsportals.
Neben den exklusiven Inhalten werden auch technische Details wichtiger, um bestimmte Kundengruppen an sich zu binden: So bietet Netflix einen eigenen Tarif an, um das Angebot in Ultra-HD-Auflösung abrufen zu können. Amazon erklärte im Dezember, Ultra HD für Prime-Kunden demnächst auch zur Verfügung zu stellen – sogar ohne Aufpreis. Währenddessen will Netflix Inhalte in HDR vorantreiben, einer sehr kontrastreichen Darstellung von Bildern, die bisher in der Digitalfotografie verwendet wird.
Es ist also ein technisches und inhaltliches Wettrüsten, das sich die Streaming-Anbieter 2015 liefern werden. Durch seine Pionierarbeit bei den Originalinhalten ist aber Netflix derzeit den Mitbewerbern voraus: Allein im Frühjahr startet man vier Eigenproduktionen. Für das Gesamtjahr 2015 listet die englische Wikipedia rund 15 Neustarts im Comedy- und Drama-Genre, dazu kommen neue Staffeln von Formaten wie «House of Cards» oder «Orange is the New Black». Den eigenen Ambitionen, alle zwei bis drei Wochen eine Eigenproduktion neu zu starten oder in eine neue Staffel zu schicken, kommt man damit schon relativ nahe. Die zahlreichen Neustarts im Frühjahr für Netflix-Kunden sind also keine Ausnahme – sondern sie werden die Regel. Auch das bringt 2015 mit sich.
Das wohl meisterwartete Format ist
«Daredevil», erstes Produkt einer langjährigen Kooperation zwischen Marvel und Netflix, die mindestens fünf Superhelden-Serien hervorbringen wird. «Daredevil» handelt von Matt Murdock, der als Kind sein Augenlicht verlor und daraufhin seine anderen Sinne übermenschlich schärfen konnte. Die Serie spielt in New York City, tagsüber ist Murdoch Anwalt, nachts geht er als Superheld auf Verbrecherjagd. Bisherigen Quellen zufolge will auch «Daredevil» eher wie ein 13-teiliger Film wirken anstatt eine Serie – dies spricht dafür, dass man sehr stark auf eine kontinuierliche Handlung setzt und weniger auf ein Procedural-Konzept, das sonst bei Serien dieses Genres üblich ist. Marvel will den Kinofilm von 2003 vergessen machen, eine sehr düstere Version des Charakters zeichnen. Die weiteren Marvel-Serien sollen übrigens in deutlichem Abstand folgen, im Schnitt mit einem Start pro Jahr.
Schon im März beginnt
«Unbreakable Kimmy Schmidt», eine Comedy von Tina Fey und Robert Carlock, dem Produzentenduo hinter «30 Rock». Die Serie begleitet Titelfigur Kimmy auf ihrer Reise durch den New Yorker Großstadtdschungel: Nachdem sie sich von einer Weltuntergangssekte gelöst hat, macht sie sich auf zum Big Apple, um dort ein neues Leben anzufangen – mit nichts außer einem Rucksack, ein paar Leihbüchern und einem farbenfrohen Outfit. Die Serie wechselte schon vor ihrem Start von NBC, wo die Ausstrahlung ursprünglich geplant war, zu Netflix. Dort bestellte man bereits eine zweite Staffel, noch bevor die erste überhaupt anlief – ähnlich wie bei «House of Cards». Im Mai startet dann die zweite Comedy
«Grace and Frankie». Die zwei titelgebenden Frauen teilen dasselbe Schicksal: Ihre Ehemänner haben sich ineinander verliebt und wollen fortan zusammenleben. So müssen die Frauen, beide schon in ihren 70ern, das Alleinleben, das Flirten, das Ausgehen, neu erlernen – und mit der jeweils anderen zurechtkommen. «Grace and Frankie» besticht vor allem durch einen namhaften Cast; unter anderem spielen Jane Fonda und Martin Sheen mit.
Vierter Neustart ist
«Bloodline», hinter dem die Macher der Serie «Damages» stecken. Beschrieben wird das Format als Mischung aus Familiendrama und Psycho-Thriller, Ort der Handlung sind die Florida Keys. Es geht um die Rayburns, eine Familie von Hotelbesitzern – hoch angesehen, stets freundlich in der Gemeinde. Als eines Tages jedoch das schwarze Schaf der Familie heimkehrt, bröckeln die Fassaden: Plötzlich steht das Ansehen der Familie auf dem Spiel, ihre dunkle Vergangenheit kommt zum Vorschein. Und keiner weiß, ob er dem anderen noch trauen kann.
Schließlich gibt es noch «House of Cards» (Bild), dessen vielerwartete dritte Staffel im Februar startet – allerdings nicht bei Netflix Deutschland: Die hiesigen Ausstrahlungsrechte hält Sky zunächst exklusiv. Vermutlich müssen Netflix-Kunden sechs Monate auf die neue Staffel warten, gegenüber uns spricht das Unternehmen von einem Start später im Jahr 2015. Ob die Konstellation auch für mögliche weitere Staffeln der hochgelobten Polit-Serie gilt, wollte man uns nicht verraten.
Zeit für eine Prognose: In genau einem Jahr wird sich der Streaming-Markt in Deutschland massiv verändert haben. Mit deutlich mehr Content, vor allem bei Netflix; mit deutlich mehr Eigenproduktionen, über die man sprechen wird; mit mehr Kunden, die zeigen, dass die Streaming-Anbieter im Mainstream ankommen. Wer die meisten Kunden für sich gewinnen kann, wird eine spannende Frage in 2015. Die entscheidende aber ist: Wer macht die besten Serien? Der Kampf ist eröffnet.