Einmal mehr muss sich die ARD Kritik an ihrer Berichterstattung gefallen lassen, diesmal wegen vermeintlich manipulativer Bilder im Rahmen des Charlie-Hebdo-Trauermarsches - zum Ärger von ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke.
Als Unwort des Jahres wurde erst am Dienstag das Wort "Lügenpresse" gekürt, das in den vergangenen Monaten vor allem durch die Pegida-Demonstrationen diverse Male zu hören war. Neuen Stoff für Medienskeptiker und -kritiker liefert die Berichterstattung rund um den Trauermarsch zahlreicher Staats- und Regierungschefs, der am Sonntag in Folge des Anschlags auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" in Paris stattgefunden hatte. Berichte in Nachrichtensendungen und Bilder legten den Schluss nahe, dass die hochrangigen Vertreter aus der Politik einen mehrere hunderttausend Menschen umfassenden Zug angeführt hätten - de facto war die Straße allerdings abgesperrt.
Diese missverständliche Form der Berichterstattung veranlasste Ines Pohl, die Chefredakteurin der
taz, zu einer sehr kritischen Aussage gegenüber den Medienkollegen: "Leider belegt der Umgang mit den Bildern des Pariser Marsches der Mächtigen, dass das Wort 'Lügenpresse' nicht nur ein Hirngespinst der Pegida-Anhänger ist, sondern dass die Wirkung der Bilder — übrigens auch für deutsche Medienmacher — manchmal wichtiger ist als die Dokumentation der Realität." Eine bemerkenswerte Schelte, die wiederum auf den Unmut von ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke stößt.
Mit "Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt wieder richtig auf die Fresse bekomme: Mir langt’s." beginnt Gniffke
seinen Eintrag auf dem «Tagesschau»-Blog, in dem er sich sichtlich verstimmt bezüglich des Vorwurfes einer "reinen Inszenierung" des Trauermarsches zeigt: "Wenn sich Politiker vor eine Kamera stellen, ist das immer eine Inszenierung, jede Pressekonferenz ist eine Inszenierung. Mal ganz abgesehen davon, dass die Politiker in Paris tatsächlich die ersten und lange Zeit die einzigen waren, die beim Trauer-Marsch überhaupt marschiert sind." An dieser Geste sei "nichts auszusetzen" gewesen und dürfe nicht "als Inszenierung diffamiert" werden.
Zudem präsentiert er zwei Fotos, die am Sonntag im Ersten Deutschen Fernsehen zu sehen gewesen waren. Vor allem letzteres Bild sei ein Beleg dafür, "dass von Manipulationen keine Rede sein kann". Zu sehen ist hier in der Tat eine Einstellung, in welcher die Politiker fernab der weiteren Menschenmenge auf einer Straße stehen. Der Satz der
taz-Chefredakteurin mache ihn "ratlos, nein, es macht mich richtig sauer" - auch, da er sich dagegen wehre, "über jedes Stöckchen zu springen, das uns Verschwörungstheoretiker hinhalten".
Harsche Kritik an der ARD-Berichterstattung sowie besagtem Gniffke-Blogeintrag kommt hingegen von
Stefan Niggemeier, der unter anderem darauf verweist, dass die "große Geste" der Politiker durchaus auf den Unmut einiger Journalisten gestoßen sei. Das "kann man mögen oder lästig finden, aber das gehört durchaus zur Aufgabe eines Journalisten, ein schönes, gefühliges, scheinbar stimmiges Bild zu stören". Seines Erachtens spreche es Bände "über das Selbstverständnis des Chefredakteurs von ARD-aktuell, dass er lieber die perfekte Inszenierung bewahren will, den Schein, das gute Gefühl".