Dschungelcamp 2015: Ja geht denn diesmal alles schief!?

Seit einer Woche bewohnen elf deutsche C-Promis nun bereits den australischen Regenwald - Zeit für ein ernüchterndes Zwischenfazit. Denn «Ich bin ein Star» leidet in diesem Jahr nicht nur an mangelnder nomineller Prominenz.

Das neue Jahr ist gerade einmal gut drei Wochen alt, doch für das seit Jahren unter rückläufigem Zuschauerinteresse leidende RTL geht es schon in diesen Tagen darum, endlich die Basis für eine Kehrtwende zu schaffen. Neben den EM-Qualifikationsspielen der deutschen Nationalmannschaft und den gelegentlichen Boxkämpfen der Klitschkos ist «Ich bin ein Star - Holt mich heraus!» das mit Abstand größte und medial präsenteste Event des Senders. Mit dieser exponierten Stellung geht auch ein gewisser Erfolgsdruck einher: Das Millionenpublikum will begeistert werden, die Abgründe des menschlichen Daseins zu sehen bekommen, vor laufender Kamera die Selbstdemontage einstiger Berühmtheiten miterleben. Doch nach einer Woche stellt sich zunehmend Ernüchterung ein: Zehn der elf Insassen im australischen Regenwald sind noch immer nicht so recht warmgelaufen - und auch sonst machen sich ungewohnte Ermüdungserscheinungen bemerkbar.

Dabei hatte es doch zunächst so gewirkt, als könne die neunte Staffel der showgewordenen Mixtur aus Voyeurismus, Sozialstudie und Medienkritik schon nach wenigen Stunden die erhoffte und von Fans geschätzte Eigendynamik der Vorjahre entwickeln. Walter Freiwald erboste sich über verloren gegangene Schuheinlagen, dramatische Brandwunden in Folge äußerst aggressiver Quallenattacken und dem generell viel zu unkonfortabel eingerichteten Camp. Klischee-Macho Aurelio Savinas kündigte Freiwalds augenblickliche Stilllegung an, sollte dieser zum Messer greifen. Und Sara Kulka weckte mit beinahe vorhandenen Basiskenntnissen der englischen Sprache und ihrer äußerst gewählten Ausdrucksform Hoffnungen, schon früh das neue "Opfer der Nation" gefunden zu haben. Doch während Walters Repertoire an Wehleidigkeiten, Weisheiten und (zumindest selbstempfundenen) Kompetenzen in den Kernbereichen Politik, Psychologie und Unterhaltung auch in den darauf folgenden Tagen schier unerschöpflich war, legten sich Sara und Aurelio rasch zur Ruh - ohne damit den Selbstinszenierungsdrang anderer Camper zu stimulieren.

Und so ließ sich spätestens seit der dritten Tageszusammenfassung eine Bipolarität im Camp ausmachen: Der nimmermüde Zankonkel und die zehn restlichen Teilnehmer, die ihre Screentime vorwiegend lethargisch auf den Hängematten verbringen oder mit erschreckender Offenheit kundtun, wie sehr sie ihre Gage und die Rückkehr in die westliche Zivilisation herbeisehnen. RTL reagierte hierauf zunächst mit einer völligen Fokussierung auf den schillernden Walter, wohl in der Hoffnung, damit die Zeit bis zum ersten großen Lagerkoller unterhaltsam überbrücken zu können. Doch die große Mehrzahl der Kandidaten blieb friedlich - sogar, als man mit Psychospielchen versuchte, einen Streit um Bekanntheitsgrad und Attraktivität zu entflammen. Mehr als ein temporär amüsanter Wettstreit um Einschaltquoten, bei dem vor allem Maren Gilzer ungewohnt beharrlich auf ihre nationale Popularität bestand, sprang allerdings auch hierbei nicht heraus.

Ob denn in diesem Jahr alles schief gehe, fragten Sonja und Daniel am Mittwoch rhetorisch in Anspielung auf die mangelnde Funktionsfähigkeit der Camp-Dynamik. Mit Recht können die Verantwortlichen der Show darauf verweisen, dass es in den vergangenen Staffeln oftmals Überraschungskandidaten wie Sarah Knappik, Joey Heindle oder Larissa Marolt waren, die zum Glücksfall ihrer jeweiligen Staffel avancierten. Dass Benjamin Boyce (zur Erinnerung: der Mann auf dem Foto links) bislang ein Totalausfall ist und die in üppiger Zahl vorhandenen Trash-Promis allesamt nicht oder nur in sehr bescheidenem Maße liefern, hätte wohl niemand im Vorfeld wissen können.

Gleichwohl bewegt sich das Teilnehmerfeld in diesem Jahr auf einem äußerst bescheidenen nominellen Niveau. Die Hälfte der Promis konstituieren sich aus der Teilnahme an irgendeiner Casting- oder Reality-Show, die wenigsten Namen ließen schon im Vorfeld wirklich aufhorchen. Zu sehr konzentrierte man sich darauf, möglichst viele Menschen zu finden, die für etwas Geld und Publicity Werte wie Selbstachtung oder Moral in den Hintergrund rücken lassen - vermutlich mit dem Hintergedanken, dass irgendwer schon für Stimmung sorgen dürfte. Dabei vergaß man aber offenbar, dass nicht nur die Marolts und Knappiks alleine ihre Staffeln getragen haben, sondern es viel mehr eine stimmige Gesamtkomposition verschiedenster Charaktere waren. Vor allem der verschrobene Intellektuelle, der vermeintlich über dieser trivialen Form der TV-Unterhaltung steht, fehlt in diesem Jahr an allen Ecken und Enden. Wo sind die Winfried Glatzeders und Mathieu Carrieres mit ihren feingeistigen und oftmals auch weltfremden Kommentaren? Muss das der Walter denn jetzt auch noch machen?

Unter dem geringen Popularitätsgrad leiden folglich auch die Autoren, die in vielen Fällen kaum mehr als die zwei bis drei offensichtlichen Angriffsflächen für ihre Sprüche finden. Zwar ist das Niveau diesbezüglich noch immer hoch, kommt allerdings bei weitem noch nicht an die Glanzzeiten vorheriger Staffeln heran. Im fünften Dschungel-Jahr in Folge scheint sich ohnehin allmählich doch so etwas wie Routine bemerkbar zu machen - selbst bei einem Micky Beisenherz. Viel deutlicher schlägt es sich jedoch auf die Dschungel-Prüfungen nieder, wo ein mit Kakerlaken gefüllter Glaskasten oder die obligatorischen Kamelpenisse schlicht nicht mehr die verstörende Wirkung vergangener Tage haben. Gerade in einer Staffel wie dieser, wo der Cast bei weitem kein Selbstläufer ist, muss die Redaktion umso mehr Kreativität beweisen. Gute Ansätze hierfür waren die witzige Schatzsuche mit Tanja und Jörn, vor allem aber das hundsgemeine Ranking-Spiel am Dienstag.

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42,1%
Überaus enttäuschend, ganz miese Staffel bislang.
44,8%


Nein, die neunte Staffel von «Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!» ist bis dato wahrlich noch nicht das erhoffte Fernseh-Highlight - und vermittelt auch derzeit kaum den Eindruck, als laufe man unaufhaltsam dem großen Chaos entgegen. Da in den vergangenen Jahren aber stets die Authentizität und Ehrlichkeit der Sendung positiv hervorgehoben worden ist, muss man als Fan vielleicht auch einfach einmal hinnehmen, dass Show und Kandidaten nicht in jeder Staffel perfekt funktionieren können. Natürlich kann man für etwas Abwechslung sorgen und Konflikte anstacheln, doch haben die Steuerungsmöglichkeiten Grenzen, so lange man ein authentisches Dschungelcamp und kein schlecht inszeniertes Laientheater zu sehen bekommen möchte. Und noch ist ja beileibe nicht aller Tage Abend - die legendäre fünfte Staffel musste sich auch erst einmal über eine Woche lang warmlaufen, bis sie in Topform war. Vielleicht schafft es ja Walter Freiwald nach der Mondlandung und der Entdeckung Amerikas auch noch, irgendeinen seiner zehn Mitstreiter aus dem Tiefschlaf zu wecken. Im Bestfall ist dann auch endlich mal ein Fotograf in seiner Nähe.
23.01.2015 12:00 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/75863