Am Samstag zeigt das Zweite den zweiten Fall der Krimireihe «Friesland» nach einem Buch des Duos Nolting und Scharf. Die beiden schrieben auch schon für den «letzten Bullen». Mit ihrer Auftaktepisode können sie dabei aber nicht mithalten.
Quotenübersicht
- CBS: 14,73 Mio. (7%)
- ABC: 5,25 Mio. (4%)
- NBC: 3,99 Mio. (4%)
- FOX: 3,76 Mio. (4%)
- The CW: 2,87 Mio. (3%)
Krimis sind zentraler Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Programmgestaltung. Dieses Genre bietet trotz seiner Einseitigkeit viele Facetten. Von den Schmunzelkrimis des Vorabends à la «Heiter bis tödlich» bis zu den düsteren und ernsten Episoden des «Tatorts» – alles ist dabei. Obgleich der Eintönigkeit, die diese Krimis oftmals charakterisiert, erfreuen sie sich großer Beliebtheit bei den Zuschauern. Mit den Quoten können die öffentlich-rechtlichen Sender zumeist mehr als zufrieden sein.
Mit der Eyeworks-Produktion
«Friesland» startete das ZDF im Mai 2014 eine weitere Serie im Genre der Lokalkrimis. Die erste Folge „Mörderische Gezeiten“ fuhr damals bereits sehr gute Quoten ein. Mit knapp sechseinhalb Millionen Zuschauern und über 21 Prozent Marktanteil konnte man in der Primetime eindeutig punkten. Selbst bei den Jüngeren kam der Krimi gut an. Mit 11,9 Prozent Sehbeteiligung bei den 14 bis 49-jährigen lag man weit über dem Senderschnitt. Die verantwortlichen Autoren der Serie, Arne Nolting und Jan Martin Scharf, haben gemeinsam bereits zahlreiche Drehbücher geschrieben. Unter anderem für diverse Krimis wie «Wilsberg» oder auch für die von Sat.1 ausgestrahlte Serie «Der letzte Bulle».
Der Erfolg der ersten Episode von «Friesland» dürfte für das ZDF Grund genug gewesen sein, die Reihe fortzusetzen. Der zweite Teil der Serie, der am kommenden Samstag im Fernsehen läuft, hat den bedeutungsschweren Titel „Familiengeheimnisse“ und zeigt gleich von Beginn an, in welche Richtung es in den kommenden 90 Minuten gehen wird: Es ist Nacht, Nebelschwaden ziehen über das nordfriesische Moor. Ein Mann wird in einem Sack über den Boden geschliffen und ins Wasser geworfen. Er kann sich aus seiner Not befreien, bricht jedoch kurz darauf tot zusammen. Wenig später tauchen während der Morduntersuchung zwei Drogendealer in der idyllischen Provinz auf und bedrohen den Vater der Ermittlerin.
Wie in der ersten Folge steht wieder das Ermittlerpaar Jens Jensen und Süher Özlügül im Mittelpunkt. Er, der phlegmatische Pragmatiker. Sie, die ehrgeizige Turbo-Karrieristin. Dieser für einen Krimi typische Antagonismus zwischen den Hauptdarstellern verliert jedoch an Bedeutung für die Handlung. Vielmehr geht es mittlerweile beiden darum, ihre Karriere voranzutreiben und den freien Posten des Vorgesetzten zu erhaschen. Dem anderen immer einen Schritt voraus sein, um sich selbst für den vakanten Job zu profilieren. Jens Jensen wird von Florian Lukas gespielt, der auch schon beim «Tatort» oder bei «Weissensee» zu sehen war. Sophie Dal, bekannt aus dem «Traumschiff» oder «Der Dicke», verkörpert Süher Özlügül. Sie wird im Rahmen der Morduntersuchung mit der düsteren Geschichte ihres Vaters konfrontiert und hat damit schwer zu kämpfen. In ihrer Rolle als besorgte und kritische Tochter hebt sich die Schauspielerin durch eine großartige Leistung vom Rest der Besetzung ab.
Während die düstere Inszenierung gut gelungen ist und sich die schauspielerischen Leistungen im Vergleich zu klassischen Lokalkrimis hervortun, kann der Spannungsbogen der Handlung von „Familiengeheimnisse“ an vielen Stellen nicht mithalten. Die Folge kommt anfangs kaum in Fahrt. Immer nur mit kurzen spannenden Momenten, die aber meist schnell wieder vergessen sind. Dass der Zuschauer oftmals schon weiß, wie die Fälle zusammenhängen, während die Ermittler noch im Dunkeln tappen, gibt dem Spannungsbogen deutliche Dämpfer. Erst gegen Ende, als sich die Fälle aufklären, wird man in den Bann gezogen und kann sich seiner eigenen Neugier nicht verwehren. Hinzu kommen überraschende Wendungen. Über lange Zeit aufgebaute Erwartungen werden gebrochen. Offensichtliche Spuren geraten zusehends in Zweifel. Das verleiht dem Krimi wiederum einen zusätzlichen Schub.
Der Humor, der bei Lokalkrimis in der Regel aus der Gegensätzlichkeit der Ermittlerpaare hervorgeht, gerät in dieser Folge von «Friesland» in den Hintergrund. Man setzt in den wenigen humorvollen Augenblicken vor allem auf bissige Ironie. Die Autoren legen den Fokus eher auf die Dramatik der Handlung. Sei es der eskalierende Streit in der Familie des Opfers Felix Bilstedt oder der innere Kampf von Ermittlerin Süher Özlügül mit der Vergangenheit ihres Vaters. Der eigentliche Mordfall wird angesichts dieser Schwerpunktsetzung schnell zur Randnotiz. Auch wenn der Spannungsbogen an vielen Stellen nur sporadisch aufgebaut wird, so möchte der Zuschauer trotzdem Antworten auf die drängenden Fragen: Was wollen die beiden skrupellosen Drogendealer von Sühers Vater? Wer ist für den Tod von Felix Bilstedt verantwortlich? Und wie hängen diese beiden Fälle zusammen?
Gleichwohl kann sich auch dieser Lokalkrimi den typisch regionalen Witzen nicht verwehren. Beispielsweise, wie es nun mal auf dem Land zu sein scheint, nimmt man es mit Dienst- und Patientengeheimnissen nicht allzu genau. Oder die Polizeibeamten aus der Großstadt sehen sich plötzlich mit einer Schafherde konfrontiert. Das verleiht dem Krimi einen gewissen Charme.
In weiten Teilen des Krimis wollten die Autoren aber auch zu viel Inhalt unterbringen: Da gibt es den Mordfall, die Familiengeheimnisse von Sühers Vater, der Streit in der Familie des Mordopfers, der Kampf gegen den Drogenhandel, das Liebesleben von Ermittler Jens Jensen, Gesellschaftskritik bezüglich Integrations- und Umweltpolitik sowie die persönlichen Karriereambitionen der Hauptpersonen. Das sind alles interessante Ansätze, jedoch werden die meisten nur unzureichend angeschnitten, sodass ihre Wirkung für die Handlung mehr oder weniger verpufft. Die Macher der Serie hätten sich lieber auf eine oder zwei dieser Thematiken konzentrieren und diese dafür umso besser inszenieren sollen.
Die kommende Episode von «Friesland» ist sehenswert, wenn auch nicht ganz so stark wie Folge 1. Dass der Humor eher zur Randnotiz wird, tut der Dramatik der Folge jedoch gut. Die Serie muss sich aber in Zukunft entscheiden, welche Richtung sie einschlagen möchte: Der humorvolle Samstagabend-Schmunzelfilm oder das ernste Krimi-Drama. Angesichts der guten Quoten der ersten Folge im vergangenen Jahr dürfte auch „Familiengeheimnisse“ ein Erfolg für das ZDF werden. Die Serie hat das Potential, sich dauerhaft zu etablieren, wenn sie sich auf wenige Handlungsstränge fokussiert und den dramatischen und düsteren Anstrich beibehält.
«Friesland – Familiengeheimnisse» ist am 7. Februar 2015 um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.