Beckmanns Rückkehr in die Relevanz

Inhaltlich fand «#Beckmann» gleich zum Auftakt erstaunlich gut die Balance zwischen Emotionalität und Substanz. Einzig der Hashtag im Sendungstitel wirkte etwas bemüht und deplatziert - der Sendung jedenfalls war kaum ein sichtbares interaktives Element zu entnehmen.

Wir werden das Rad nicht neu erfinden, aber wir wollen über die rein faktische Nachrichtenlage hinaus Themen persönlicher und emotionaler präsentieren.
Ulrich Stein über den Ansatz von «#Beckmann»
Eines sei bei der Besprechung von «#Beckmann» gleich vorweg genommen: Wer sich von dem ARD-Neustart eine innovative Umsetzung crossmedialer Nutzungsmöglichkeiten erhofft, geht mit falschen Erwartungen an die neue Sendung. Wie Redaktionsleiter Ulrich Stein bereits vor einigen Tagen im Quotenmeter.de-Interview andeutete, wird das Rad tatsächlich nicht neu erfunden. Auf der Internetseite des Ersten Deutschen Fernsehens lässt sich diverses Zusatzmaterial finden, ein Dialog zwischen Zuschauern und Redaktion wird erwünscht und angeblich soll das Feedback der Social-Media-Nutzer auch in die Entwicklung neuer Themen integriert werden, aber all das ist zunächst einmal nur Zubrot für die Online-Generation. Insofern ist der Hashtag im Sendungstitel gewiss etwas irreführend und wirkt hinsichtlich der Bestrebungen öffentlich-rechtlicher Anstalten, ein junges Publikum anzusprechen, auch wieder ein wenig zu bemüht.

Löst man sich hingegen von dieser Erwartungshaltung und möchte die Reportagereihe rein inhaltlich bewerten, fällt das Fazit nach der ersten von zehn Ausgaben weitaus positiver aus. Reinhold Beckmann und seinem Co-Autor Helmar Bückel ist es bemerkenswert gut gelungen, in "Unser Krieg? Deutsche Kämpfer gegen den IS-Terror" die Gratwanderung zwischen Emotionalität und Substanz zu meistern und die Sendung zu keinem Zeitpunkt in eine übertriebene Rührseligkeit abdriften zu lassen - die im Vorfeld angesichts des Themas und des Moderators durchaus zu befürchten war. Beckmann gibt sich bei seiner gefährlichen Reise in den Nordirak nicht mit rein sachlicher Informationsvermittlung zufrieden und versucht sich immer wieder daran, auch persönliche Schicksale in den Fokus des Interesses zu rücken. Einerseits ist dies für den Zuschauer sogar hilfreich, um sich besser in die Situation der Beteiligten einfühlen zu können, andererseits erfolgt die Darstellung aber nie auf diese unangenehme schmierig-voyeuristische Weise, die das Gefühl einer bewussten, selbstzweckhaften Inszenierung aufkommen lässt.

Auch visuell gelingt es sehr gut, die Situation im Kampfgebiet des Nordirak darzustellen. Selten zuvor bekam das Publikum im deutschen Fernsehenden in den vergangenen Monaten so authentisch wirkende Einblicke in die seit längerem schon hart umkämpfte Zone, selten zuvor fühlte man sich als Zuschauer dem Geschehen so nah. Doch angesichts der Menge an Stoff wirken die gerade einmal 45 Minuten Sendezeit deutlich zu kurz. Immerhin ist das Team um Beckmann nicht bloß an einem Schauplatz aktiv, sondern versucht sich daran, verschiedene Facetten des Leids abzubilden, das aus dem IS-Terror resultiert ist. Die Gespräche mit den Beteiligten gehen in Folge dessen leider oftmals nicht so sehr in die Tiefe, wie sie hätten gehen können, wäre etwas mehr Sendezeit vorhanden. Allerdings wäre es wohl auch kaum möglich gewesen, auf dem sehr prominenten 20:15-Uhr-Slot mehr als eben diese 45 Minuten herauszuholen - schließlich ist «Hart aber fair» um 21:00 Uhr weitgehend gesetzt.

Wahrlich ärgerlich ist im Zuge dessen aber, dass die ansonsten sehenswerte und authentische Doku mehrere Minuten Sendezeit damit vergeudet, dass sie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Bühne für weitgehend bereits bekannte Politiker-Phrasen gibt. Gewiss ist dieser Schritt dahingehend nachvollziehbar, dass auch ein direkter Bezug zur deutschen Außenpolitik geschaffen wird - immerhin geht es ja in dem Film auch um einen politisch höchst brisanten Stoff -, doch einen wirklichen Erkenntnisgewinn schöpft zumindest der politisch interessierte Zuschauer aus von der Leyens Statements nicht. Zudem gibt man sich somit der Kritik hin, der Ministerin eine Plattform zur Selbstinszenierung verschafft zu haben - denn in einen kritischen Kontext werden ihre Aussagen nicht eingebettet.

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Letztendlich ist «#Beckmann» dennoch ein überzeugendes Reportage-Format, das journalistischen Mehrwert auf einen Sendeplatz zurückbringt, auf dem zuletzt belanglose Markenchecks vorherrschend waren. Für Reinhold Beckmann ist der Erfolg des Formats wichtig, um einerseits seine zuletzt arg ins Stocken geratene Karriere wieder in die richtigen Bahnen zu lenken und andererseits auch als Journalist weiter - oder wieder - ernst genommen zu werden. Insofern profitieren sowohl Sender als auch Moderator von der Reportage, deren Auftaktfolge den Schrecken des IS-Terrors eindrücklich und mit gutem Gespür für eine berührende Darstellung ohne Kitsch visualisiert. Das ist sicher mehr, als sich einige von der Sendung erhofft hatten und lässt den etwas unbeholfen wirkenden Versuch, durch einen in den Sendungstitel eingebauten Hashtag besondere Usernähe zu suggerieren, fast vergessen machen.

Spannend wird in Zukunft zu beobachten sein, ob sich «#Beckmann» mit seinem emotionalen Ansatz auch künftig weiter an gesellschaftlich wie politisch höchst relevanten Thematiken versucht. In einer Hinsicht ist das Thema "Der Kampf gegen den Islamischen Staat" ja sogar verhältnismäßig dankbar, da man hier eine recht klare Verteilung von Tätern und Opfern vorfindet und (zumindest im westlichen Kulturkreis) kaum jemand das Vorgehen der Terrororganisation in irgendeiner Weise zu rechtfertigen versucht. Eine solch klare Aufteilung von "Gut" und "Böse" ist aber vergleichsweise selten, sodass bei anderen Thematiken ein anderer Darstellungsansatz gefunden werden müsste - zumindest, wenn man nicht Gefahr laufen möchte, wegen vermeintlich einseitiger Darstellungen in die Kritik zu geraten.

Die nächste «#Beckmann»-Folge ist für den 23. März abermals um 20:15 Uhr angesetzt, insgesamt sollen in diesem Jahr zehn Episoden ausgestrahlt werden. Informationen, welche Inhalte künftig aufbereitet werden, gibt es zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht.
24.02.2015 08:15 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/76532