Reporter ohne Ego

Reinhold Beckmanns neues Reportage-Format mag nicht die Neuerfindung des Rads sein. Doch das muss es auch nicht.

Es gab durchaus Gründe, der Premiere von Reinhold Beckmanns neuem Reportage-Format im Ersten nicht gerade optimistisch entgegenzusehen. Der triftigste waren die letzten Jahre seiner Talk-Show, die leider oft zu beliebig und belanglos war, kaum Themen setzen konnte und statt spannender Gespräche eher eine weitere Gelegenheit für die Gäste bot, ihre Talking Points abzuladen. Da half auch kein Redesign des Studios. Beckmanns Entscheidung, die Brocken hinzuwerfen, um nicht Opfer des ARD-Proporzes zu werden, der de facto ohnehin das Ende seiner Sendung vorsah, war da ein richtiger Schritt.

Noch richtiger war der Schritt zur eigenen Reportage-Reihe. Das ist zumindest der Eindruck, den die erste Ausgabe hinterlässt, die das Erste am Montagabend zeigte. Beckmann reiste in den Nordirak zu den Widerstandskämpfern, die sich dort den barbarischen Meuchelmördern des IS in den Weg stellen. Er fuhr durch zerstörte Dörfer, improvisierte Flüchtlingslager, in denen Tausende Flüchtlinge ohne das Nötigste ausharren und auf Hilfe warten. Wo man hinsieht, Elend, Leid, Tod und Verderben.

Es wäre einfach gewesen, daraus fünfundvierzig Minuten Betroffenheitsfernsehen zusammenzunageln, was leider häufig passiert, wenn prominente Journalisten in Krisengebiete fahren. Man darf ruhig persönlich und emotional erzählen – doch oft bestehen solche Reportagen allein aus diesen beiden Attributen und vergessen dabei das Wichtigste: Es muss neben all den exemplarischen Beispielen auch Information transportiert werden, ein konkreter übergeordneter Bezug, der sich nicht als die Summe höchst tragischer Einzelschicksale erzählen lässt.

Eine Falle, in die «#Beckmann» zum Glück nicht getappt ist. Denn will man vor allem soliden Journalismus liefern, muss das Rad nicht unbedingt neu erfunden werden. Es reicht, relevant zu sein. Und das ist dieser Sendung gelungen. Denn Beckmann verzichtet darauf, penetrant sein Mitgefühl in Szene zu setzen, sondern informiert nebst aller Betroffenheit. Er stellt die richtigen Fragen, gibt Impulse und beschränkt sich ansonsten auf die Einordnung. Bilder und Interviewpassagen sprechen für sich. Und der Reporter darf in den Hintergrund rücken. So entstanden schon viele gute Reportagen.
27.02.2015 13:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/76624