Und dann ist die Wand wieder weiß

Der neueste Fall der ZDF-Krimireihe «Nord Nord Mord» ist kurzweilig und unterhaltsam. An der Figurenentwicklung mangelt es allerdings ein bisschen.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Robert Atzorn («Unser Lehrer Doktor Specht») als Theo Clüver, Julia Brendler («Verbotene Liebe») als Ina Behrendsen, Oliver Wnuk («Stromberg») als Hinnerk Feldmann, Josefine Preuß («Türkisch für Anfänger») als Hannah Kronen, Ernst Stötzner («Was bleibt») als Hans Börschig, Oliver Bröcker («12 Meter ohne Kopf») als Tadde Frödden, Robert Klawon als Pitt Matthiesen


Hinter den Kulissen: Regie: Anno Saul, Buch: Stefan Cantz und Jan Hinter, Musik: Fabian Römer, Kamera: Moritz Anton, Schnitt: Dirk Grau, Produktion: Network Movie

Clüver ist abgestumpft. „Warum vor dem Frühstück?“, poltert der Hauptkommissar nur, als er einen abgetrennten Arm am Strand von Sylt begutachten muss. Während anschließend der dazugehörige Körper in der Ostsee gesucht wird, würde der Ermittler lieber einfach seine Ruhe haben. Doch natürlich will die Arbeit getan werden, selbst wenn Clüver mit persönlichen Problemen zu kämpfen hat. Also begeben sich zunächst Hinnerk Feldmann (Oliver Wnuk) und Julia Brendler (Ina Behrendsen) auf die Suche und stoßen schnell auf einen leblosen Körper, der vor einem Hotel gefunden worden sein soll. Dessen Besitzerin will davon aber nichts wissen, ebenso wenig wie die anwesenden Gäste.

Wie Theo Clüver selbst, lässt es auch der neue Fall von «Nord Nord Mord» erst einmal ruhig angehen. Auf den Namen «Clüvers Geheimnis» hört dieser, doch wenigstens dieses Geheimnis ist nicht sonderlich spannend und taugt lediglich für eine miese Pointe zum Finale hin. Der Film hingegen nimmt nach einiger Zeit ein bisschen mehr Fahrt auf. Es dauert jedoch ein paar Minuten, bis die Dialoge sitzen, wobei sich nie wirklich festmachen lässt, ob die vorherige Schwäche am Buch oder an den Darstellern liegt. Deren Figuren sollen oft die typisch nordisch-herben Charaktere sein (besonders die Episodenrollen). Hier droht man in einigen Szenen ins Klischee abzurutschen, zumindest wenn man die ersten Minuten des Films betrachtet.

Schnell allerdings fragt man sich als Zuschauer, wo sich denn nun die Story hin entwickelt. Sehr bewusst versucht die Produktion ein ums andere Mal mit den Erwartungen seiner Zuschauer zu brechen. Das gelingt nicht nur sehr gut, sondern wirkt auch ebenso positiv. Ausschnitthaft sind hier zwei Fischer zu nennen, die eine Szene zwischen Ermittlern und einem Verdächtigen beobachten und aus der Ferne kommentieren. Das ist einerseits witzig und darf andererseits sogar beinahe als Metaebene gesehen werden.

Doch das ist nur ein winziges Beispiel für eine Vielzahl nicht ganz gewöhnlicher Momente des Films. Auf die Story bezogen hat man ferner schon nach 30 Minuten das Gefühl, die Geschichte könnte am Ende sein. Die meisten normalen Krimis wären nach dieser Entwicklung jedenfalls schon kurz vor ihrem Finish. Diese Produktion allerdings nimmt eine Wendung und diese wiederum zum Anlass erst einmal Gas zu geben. Dann nämlich entwickelt sich «Nord Nord Mord» so richtig gut, findet vor allem eine gute Mischung. Denn wenn man sieht, wer als Drehbuchautor agierte, dann wird klar, dass der Humor nicht zu kurz kommen darf: Die Väter des Münsteraner «Tatort», Stefan Cantz und Jan Hinter, waren für die geschriebene Grundlage zuständig. In diesem Fall ist es ihnen gelungen – eventuell sogar besser als in Münster – die Waage zur Spannung zu halten. Fesselnd und komplex ist die Produktion nämlich durchaus in vielen Momenten.

Manchmal allerdings schwanken die Dialoge dann doch zwischen pointiert und platt – wenn es um Fischbrötchen geht, schaltet der Zuschauer eher ab, als dass er lacht. Im besten Falle fragt er sich aber zumindest, ob er denn nun einen vorabendlichen «Heiter bis tödlich»-Krimi eingeschaltet hat. Aber nein, der Blick aus dem Fenster verrät, dass es schon dunkel ist. Primetime? Ach so. Glücklicherweise sind diese Momente nicht die Regel.

Seriell erzählt wird jedoch selbstredend auch nicht. Am Ende jedenfalls ist die Wand dann wieder weiß – und das nicht nur metaphorisch gesprochen. Auch darf der Zuschauer zusehen, wie die personellen Verflechtungen von der Wand der Ermittler entfernt und die gemalten Verbindungen mit Farbe überpinselt werden. Die Wand ist weiß, genau das lässt sich aber eben auch von den Figuren sagen. Denn obschon diese oft unterhaltsam und interessant charakterisiert sind, findet keine wirkliche Entwicklung statt. Nicht wenig komplex ist er aber nichtsdestotrotz, der aktuelle «Nord Nord Mord»-Fall. Über weite Strecken darf auch attestiert werden, dass die Story gut geschrieben und die Charaktere gut gespielt sind. Vor allem aber wegen der vielen unterhaltsamen und witzigen Momente lohnt sich dieser Fall, primär da das Pendel gleichmäßig in die Richtungen Humor und Geschichte ausschlägt. Der gelegentlich nötige Ernst nämlich wird nie vergessen. Doch kein «Heiter bis tödlich» also.

«Nord Nord Mord – Clüvers Geheimnis» ist am Montag, um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
08.03.2015 17:46 Uhr  •  Frederic Servatius Kurz-URL: qmde.de/76754