Popcorn und Rollenwechsel: A Movie Title Beyond
Brad Birds Sci-Fi-Film «Tomorrowland» ist nicht nur geheimnisumwittert, sondern auch ein Lehrstück in Sachen Filmtitel-Lokalisierung.
Hach, Deutschland, deine Filmtitel! Ich habe in dieser Kolumne bereits wiederholt über lokalisierte Filmtitel sinniert, und ich muss es einfach noch einmal statuieren: Es hat durchaus Hand und Fuß, wenn Verleiher einen Film hierzulande umtaufen. Sei es, weil der Originaltitel hierzulande unverständlich ist, da er aufgrund sprachlicher oder kultureller Differenzen eine austauschbarere Wirkung hat oder aus vergleichbaren Gründen. Entscheidend ist meiner Ansicht nach, entgegen der Originaltitel-Obsession vieler Filmfreunde, lediglich, dass der neue Titel gut ist. Und natürlich kann es nicht schaden, wenn er überhaupt erst nötig ist.
Ein recht junges Exempel ist Disneys Science-Fiction-Film «Tomorrowland». Der von «Ratatouille»-Regisseur Brad Bird und «Lost»-Autor Damon Lindelof erdachte, von Geheimnissen umgebene Film steckt voller Anspielungen auf das gleichnamige Disneyland-Themengebiet – weshalb der so griffige Originaltitel auch äußerst einleuchtend ist. Doch während dem US-Publikum diese Referenz nahezu ins Gesicht springt, sieht dies in Europa schon anders aus – die erste Assoziation dürfte für viele Kinogänger das ebenfalls 'Tomorrowland' genannte Techno-Festival sein. Da sich der Filmtitel «Tomorrowland» jedoch selbst ohne Disney-Grundwissen für einen Sci-Fi-Film anbietet, müsste das Studio doch auch in Europa stur an ihm festhalten, oder?
Leider ist dem aber nicht so. Während der Begriff 'Tomorrowland' dank des Disney-Themenparkbereichs in den USA lizenzrechtlich seit Jahrzehnten abgesteckt ist (und das Technofestival daher mit anderer Schreibweise firmiert), hat in diversen europäischen Ländern das Musikevent die Oberhand. Gewiss, irgendeine Einigung hätte man mit viel Kreativität und vielleicht auch Schmiergeld erzielen können, trotzdem befindet sich Disney Deutschland in der Situation, einen Alternativtitel finden zu müssen. Und wie der erste Teaser zum Film ankündigte, bevorzugte die hiesige Dependence des Filmstudios den Titel «Projekt: Neuland». Sehr zur Schadenfreude, Häme und Besorgnis zahlreicher Filmfans. Wochenlang zerrissen sich Disney-Anhänger und passionierte Kinogänger in sozialen Netzwerken und Foren die digitalen Münder über diesen nach Angela-Merkel-Webdebatte-Dokumentation klingenden Titel.
Das Gezeter drang bis nach München vor, wo die hiesige Niederlassung des Disney-Konzerns nunmehr einen neuen Titel wählte: «A World Beyond» soll Brad Birds mysteriöse Regiearbeit ab sofort heißen. Nicht hunderprozentig griffig, aber auch nicht so piefig wie der zunächst angedachte Titel – und somit jugendaffiner. Zudem ist er im Hinblick auf die Story gut durchdacht. Insofern: Hut ab! Andererseits: Nach «Thor – The Dark Kingdom», «The Return of the First Avenger» und unzähligen durchgeknallten Trickfilm-Untertiteln überspannt Disney langsam den Bogen. Und so sehne selbst ich mich, als Titel-Lokalisierungsverteidiger, allmählich nach einer Welt von Morgen, in denen Disney und all die anderen Verleiher Deutschlands das mit den Filmtiteln endlich mal gemächlicher angehen. Denn nicht jeder Film hat eine so triftige Ausrede wie «A World Beyond».