Der tragische Flugzeugabsturz einer Germanwings-Maschine vergangene Woche brachte auch Journalisten ans Limit. Wir haben mit News-Anchors und Kriegsreportern gesprochen.
Sondersendungen von früh morgens bis spät abends – eine Fülle an Informationen, Spekulationen, (gefakten) Bildern. Immer grausigere Details. Das war die zurückliegende Woche in den deutschen Nachrichtenredaktionen. Nicht wenige Journalisten nahmen die grausigen Bilder der an den südfranzösischen Alpen zerschellten Germanwings-Maschine mit 150 Toten mit nach Hause. Reporter stehen in solchen Tagen besonders unter dem Eindruck von Katastrophen. Nicht umsonst gibt es in verschiedenen Konzernen für die Journalisten weitreichende Hilfestellungen. BBC World News hat ein „Trauma Risk Management Network“ etabliert, das Moderatoren und Reporter nach solchen Einsätzen gezielt unterstützt. Zudem gibt es bei der BBC Workshops zur Trauma-Erkennung für das Management und die Mitarbeiter. Diese können sich in besonders schlimmen Fällen auch an eine immer zur Verfügung stehende Hilfe-Hotline wenden.
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Die aktuelle Situation ist ganz sicher trotzdem außergewöhnlich. Sie geht jedem sehr nahe.
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N24-Kommunikationschefin Kristina Faßler
Dass es selbst für Profis schwer ist, mit mancher Nachricht umzugehen, zeigte sich erst vergangene Woche wieder, bestätigt auch Kristina Faßler, beim Berliner Nachrichtensender N24 für die Kommunikation verantwortlich. „Zu allererst sind unsere Moderatoren tatsächlich Profis und fast alle haben schon besondere Nachrichtenlagen begleitet“, sagt sie. Die Arbeit im Team sei es dann letztlich, die den Journalisten Kraft gebe. „Das hilft nicht nur, die journalistischen Herausforderungen zu meistern“, sagt Faßler.
Neben den bedrückenden Details, die ausgearbeitet und schließlich auch selbst verarbeitet werden müssten, sei die Arbeitsbelastung für alle – also Menschen vor und hinter der Kamera – enorm hoch. Vom frühen Morgen bis in den späten Abend zu senden, das sei freilich das, was einen Nachrichtensender ausmache, weiß Faßler. „Im TV-Journalismus vielleicht die Königsdisziplin und immer eine Teamleistung. Die aktuelle Situation ist ganz sicher trotzdem außergewöhnlich. Sie geht jedem sehr nahe.“ Dem stimmt auch Ulrich von der Osten (Foto) zu, der seit Jahren die Morgenstrecke beim Nachrichtensender n-tv präsentiert und auch vergangene Woche im Studio saß. Sein Sender widmete sich seit Dienstagvormittag ganz ausführlich dem Unglück, das 150 Menschenleben kostete. „Da das Unglück an Tragik kaum zu überbieten ist, ist es sicher auch belastend. Aber ich gehe mit einem Informationsauftrag zur Arbeit. Es ist mein Impetus, das Wichtigste in Worte zu fassen, zu übermitteln. Nennen wir es Mission“, sagt von der Osten, der ebenfalls darauf verweist, sich bei n-tv auf ein eingespieltes Team in Fällen von Breaking News verlassen zu können.
Eingespielt sind auch die internationalen Kollegen: Lyse Doucet, die internationale Chefkorrespondentin des Senders BBC World, berichtet regelmäßig von Kriegsfronten. „Auf dem Feld arbeiten wir eng als Team zusammen, dazu gehören auch die Producer vor Ort und die Fahrer, die unheimlich wichtig sind. Wir sprechen über mögliche Risiken und unsere Verantwortung.“ Die Art der Zusammenarbeit, die Kameradschaft und der Humor, mit dem man schwierigen Situationen begegne, gebe den Reporterteams letztlich Halt. „Wir sind uns zu jeder Zeit absolut bewusst, dass die Situation für die direkt betroffenen Menschen viel schwerer ist als für uns, auch wenn wir in schwierige Situationen geraten.“ Matthew Amroliwala arbeitet seit Jahren in England als Anchor der globalen BBC World News.
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In den Momenten, wenn man unmittelbar über das Geschehen berichtet, konzentriert man sich ganz darauf, die Fakten zu finden, den Horror hautnah zu vermitteln, den Zuschauer durch die Bilder, die Interviews, die Zeugenaussagen, die frühen Analysen zu führen. Dafür gibt es kein Script
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Matthew Amroliwala, Anchor bei BBC World News
Für seinen Sender hat er seiner Zeit von den Anschlägen in London berichtet – und sah sich dabei, wie die deutschen Kollegen in der Vorwoche, mit schrecklichen Details konfrontiert. „In den Momenten, wenn man unmittelbar über das Geschehen berichtet, konzentriert man sich ganz darauf, die Fakten zu finden, den Horror hautnah zu vermitteln, den Zuschauer durch die Bilder, die Interviews, die Zeugenaussagen, die frühen Analysen zu führen. Dafür gibt es kein Script, der Moderator führt die Zuschauer auf sich gestellt durch das Geschehen, um es einzuordnen.“ Die Wahrheit selbst für sich einordnen könnte man manchmal erst viel später, erklärt er: Nämlich dann, wenn man selbst am Fernsehbildschirm sitzt und die Zeit und die Gelegenheit hat, „den wahren Horror zu erfassen“. Das seien dann meist die schwierigsten Momente, meint Amroliwala.
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Der Absturz, die Berichte, dass 149 Menschen offenbar durch einen Einzelnen in den Tod gerissen worden sein könnten, verschlagen selbst einem Moderator zunächst die Sprache. Wie diese Tragik trotzdem in Worte fassen? Katastrophen dieser Art brechen über Menschen herein, lassen Hinterbliebene verzweifeln.
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Ulrich von der Osten, Anchor von n-tv
Und auch von der Osten spricht von schwierigen Momenten im Rahmen solcher Unglücks-Berichterstattungen. „Der Absturz, die Berichte, dass 149 Menschen offenbar durch einen Einzelnen in den Tod gerissen worden sein könnten, verschlagen selbst einem Moderator zunächst die Sprache. Wie diese Tragik trotzdem in Worte fassen? Katastrophen dieser Art brechen über Menschen herein, lassen Hinterbliebene verzweifeln. Wir haben es mit unmittelbarer Not, mit dem Verlust von liebsten Familienangehörigen zu tun. Ja, ich bin selbst darüber entsetzt.“ Seine Mimik und seine Tonlage würden genau das auch erkennen lassen, ist sich der Nachrichten-Anchor sicher. „Ich stelle mir bei der Moderation und bei unseren Berichten auch vor, dass unter Umständen Angehörige sowie Freunde der Unglücksopfer zusehen könnten. Pflicht bleibt aber auch in diesem Kontext und bei aller Anteilnahme die Sachlichkeit, die Berufung auf verlässliche Informationsquellen, der ständige Verweis auf den Vorbehalt, solange offizielle Bestätigungen nicht vorliegen“, sagt er.
Sich innerlich vollkommen abzuschotten, sei also auch für zahlreiche News-Profis in Extrem-Situationen kaum möglich, wenngleich dies sicherlich bei jedem verschieden sei, wie N24-Sprecherin Kristina Faßler betont. Viele Kollegen würden genau das aber auch gar nicht wollen, sagt sie. „Weil das Verfolgen der Nachrichtenlage sowohl ihr Job als auch ihre Leidenschaft ist.“ So sieht es auch Ulrich von der Osten, der vergangene Woche selbst nach Feierabend in den eigenen vier Wänden im Newsfluss blieb. „Die mittags angekündigte, erste Pressekonferenz der französischen Staatsanwaltschaft mit der deutlichen Schuldzuschreibung zulasten des Co-Piloten habe ich zu Hause vor dem Fernseher mitverfolgt. Und es gab in diesem besonderen Fall noch eine weitere Aufarbeitung. Meine Kinder haben Fragen gestellt, die ich sensibel, aber letztlich auch mit Offenheit zu beantworten hatte“, erinnert sich der Familienvater zurück.
Das bedeutete auch, das für viele Unbegreifliche zumindest im Ansatz zu erklären. Und wer könnte das besser als ein erfahrener Nachrichtenprofi? „Ein Perspektivenwechsel ohne offizielles Outfit und Studiosituation“, sagt Ulrich von der Osten.