Mega-Show oder Dokusoap? Am Ende war der Auftakt der Clubtour bei «DSDS» nichts von beidem. Warum die erste Eventshow völlig missraten ist und was die Verantwortlichen falsch gemacht haben…
«DSDS»: Spott und Häme bei Twitter
- "#DSDS is so gruselig, da ist selbst die Werbung bei @ProSieben zwischen #SdR besser." (Spider)
- "Günstiger sah eine große Samstagabend-Primetime-Show nie aus. Eben alles neu bei #DSDS" (Medien-KuH)
- "Zusammenfassung von drei Stunden #DSDS: Der Bus ist abgefahren." (Peter Krauch)
- "es ist so unglaublich irrelevant inszeniert. Das ist erschreckend. #DSDS" (Alexander K.)
- "Oliver Geissen steht vor nem Reisebus aufm Parkplatz eines Gewerbegebiets am Rand von Köln und hinter ihm steht "Die größte Show ever" #DSDS" (DWDL)
- "Dieses Alpenshow-Konzept ist Schweizer Käse" (Denkma Nach)
- "Direkt mal in einer Sendung, die vor zwei Wochen aufgezeichnet wurde, kostenpflichtig an einem Livevoting teilnehmen. #DSDS" (anredo)
- "#DSDS ist auch nur noch ne schlechte Parodie von sich selbst." (Florian Hellmuth)
Man kann
«Deutschland sucht den Superstar» eine Menge vorhalten. Man muss es nicht schauen, man muss es nicht mögen. Aber eines kann man nicht behaupten: dass die Verantwortlichen in den letzten Jahren nicht stetig über Veränderungen nachgedacht haben. Von Staffel zu Staffel mögen diese augenscheinlich marginal ausgefallen sein. In der Summe sind sie dennoch beträchtlich. «DSDS» – das waren einst Skandale am laufenden Band, die Vergöttlichung eines Dieter Bohlens, fiese Sprüche und ewig langgezogene Entscheidungsshows. Irgendwann hatte sich das Publikum daran satt gesehen. Veränderungen mussten her. Und Veränderungen kamen.
Schrittweise wurde vieles von dem, für das «DSDS» einst stand, zurückgefahren oder aufgegeben. Böse Sprüche von Dieter? Gibt es zwar noch, richtig aufregen wollen die aber nicht mehr. Einen Moderator? Brauchte die Show bis zum Start der Club-Tour in diesem Jahr gar nicht. Eine polarisierende Jury? Sie schien in diesem Jahr austauschbar wie selten. Und die Musik? Steht ähnlich weit im Hintergrund wie schon in den zurückliegenden drei bis vier Jahren. Der Recall wirkte in den vergangenen Wochen Doku-lastiger denn je. Man denke nur an Höhepunkte der Sendungsgeschichte, etwa das Finale 2007, in dem Menowin und Mehrzad die «DSDS»-Fangemeinde polarisierten. Das alles ist nicht mehr. Doch wofür steht «DSDS» 2015 dann?
Was RTL seinem Publikum am Samstagabend mit der ersten Eventshow präsentierte, war zumindest in der untersten Schublade angesiedelt. Die Idee, «DSDS» mit den Eventshows so groß und pompös aufzuziehen wie nie zuvor, wurde von den Verantwortlichen völlig gegen die Wand gefahren. Man mag gar nicht alle Stellen aufzählen, an denen die Show am Samstagabend krankte. Das Endprodukt, das wohl eine Mischung aus Mega-Show und Dokusoap darstellen sollte, wirkte so abstrus, dass zum Gruseln kaum noch etwas fehlte.
Dabei wäre es mit Sicherheit deutlich einfacher gewesen, wenn die Verantwortlichen selbst gewusst hätten, was sie wollen. Hätte RTL konsequent im Stile der Casting- und Recall-Folgen weitererzählt - es wäre okay gewesen. Hätte RTL das gute alte «DSDS»-Studio in Ossendorf reaktiviert - es wäre okay gewesen. Die vermeintliche Verbindung zwischen Mega-Show und Doku-Elementen - die war aber eindeutig nicht okay. Das Live-Erlebnis, das RTL in den vergangenen Jahren bei «DSDS» mit seinen Mottoshows bot, wurde damit beispiellos sabotiert. Ständige Ortswechsel, Zeitlupen, musikalische Untermalung der Jury-Urteile und nebenbei ein völlig deplatziert wirkender Oliver Geissen: der Show fehlte der rote Faden. Eigentlich hätte RTL auf einen Moderator auch ganz verzichten können – mehr als drei Sätze am Stück durfte Geissen zumeist sowieso nicht sagen.
Die Songs der Kandidaten in der ersten DSDS-Eventshow
- Robin Eichinger: "When The Beat Drops Out" von Marlon Roudette
- Erica Greenfield: "Single Ladies (Put A Ring On It)" von Beyoncé
- Viviana Grisafi "Love Me Like You Do" von Ellie Goulding
- Antonio Gerardi: "You Are So Beautiful" von Joe Cocker
- Leon Heidrich: "Einmal um die Welt" von Cro
- Marcel Kärcher: "Au Revoir" von Mark Forster & Sido.
- Laura Lopez: "Bang Bang" von Ariana Grande, Jessie J, Nicki Minaj
- Jeannine Rossi:"Atemlos durch die Nacht" von Helene Fischer.
- Severino Seeger: "Uptown Funk" von Mark Ronson feat. Bruno Mars
- Seraphina Ueberholz: "Ich bin ich (Wir sind wir)" von Rosenstolz
Das alles zusammengewürfelt ergab ein völlig missratenes Produkt, das den Zuschauer einfach nicht erreichen wollte. Situationsbedingte Emotionen ergaben sich zu keinem Zeitpunkt, stattdessen wirkte alles gelenkt und wenig authentisch. Das Erlebnis einer Live-Show, die sich durch den Faktor Unberechenbarkeit auszeichnet, hat RTL damit völlig sabotiert. Stattdessen wurden die Redakteure im Schnitt nicht müde, für jeden Murks den passenden Bild- oder Toneffekt auszupacken.
Die Krönung der Absurditäten folgte schließlich beim Wechsel vom aufgezeichneten Teil aus Ischgl zur Live-Entscheidung in Köln. Die selbsternannte "größte Show ever" fand noch nicht einmal in einem Studio statt, sondern im Freien. Genauer gesagt vor einem Reisebus auf dem Parkplatz der TV-Studios in Köln-Ossendorf. Derart lieblos und billig wirkte «DSDS» in der Vergangenheit nie. Hinzukommt, dass RTL abgesehen von einigen unermüdlichen «DSDS»-Anhängern offenbar keine Menschenmassen bewegen konnte, zur Live-Entscheidung zu kommen. Da ist es nur als Armutszeugnis anzusehen, dass bei der Urteilsverkündung noch nicht einmal die Jury mit von der Partie war. Doch der vielleicht konfuseste Moment des Abends folgte im Abspann: da fuhr der Bus hinter Oliver Geissens Rücken mit den acht weitergewählten Kandidaten tatsächlich noch davon. Auf Wiedersehen, Kulisse.
Was bleibt also nach Eventshow Nummer eins? Die Erkenntnis, dass RTL dringend handeln muss. «DSDS» war bei aller berechtigten Kritik einst eine Show, die sich selbst hervorragend zu verkaufen wusste. Starke Bühnenbilder, Licht- und weitere Special-Effekte setzten in den Mottoshows Maßstäbe. Vom Glanz einstiger Tage ist spätestens seit dieser Eventshow nichts mehr übrig. Dringend müssen daher Veränderungen her - sofort und am besten schon für die nächste Show am kommenden Samstag. Die Doku-Elemente müssen stark reduziert, dem Zuschauer das Gefühl gegeben werden, Teil einer zusammenhängenden Show zu sein. Das wäre zumindest ein Ansatz, um in den kommenden Wochen Schadensbegrenzung zu betreiben. Sollte es RTL nicht gelingen, scheint der Zug - pardon, der Bus - für «DSDS» bald endgültig abgefahren.
Wie gefiel Ihnen der Auftakt der Clubtour bei «DSDS»?