«Newtopia 1.0»: Risikofaktor Mensch

Bei Sat.1 gibt man sich entschlossen. «Newtopia» wird weitergehen. Ohne fünf, die am Mittwoch die Produktion verließen. Die Spannungen waren wohl so groß geworden, dass ein großer Umbruch notwendig wurde.

Auf dem Reißbrett liest sich das Projekt «Newtopia» eigentlich wunderschön. 105 Kameras beobachten Menschen, die auf einem einsamen Stück Land leben. Zu Beginn nur ausgestattet mit ein paar Nutztieren, fließend Wasser und ein bisschen Taschengeld. Sie sollen ihre eigene Gesellschaft gründen und dort glücklicher werden als im alten Leben. In der Realität gibt es den „Problemfaktor Mensch“, der das von John de Mol erdachte Konzept zumindest in der deutschen Variante fast zum Scheitern gebracht hätte. Während in den Reality-erprobten Niederlanden, dem Mutterland von «Big Brother» und ähnlichen Formaten wie «Der goldene Käfig», alles recht reibungslos verlief, köchelte es in der deutschen Variante schon kurz nach dem Start.

Die Pioniere waren es, die das eigentliche Konzept der Sendung nie wirklich verstanden haben. Jeder wollte sich in der Sat.1-Show selbst verwirklichen, eine Einigung auf eine große Vision gab es in der deutschen Variante noch nie. Das nahm die Produktionsfirma lange in Kauf; vielleicht zu lange. Intern wurde, wie Quotenmeter.de weiß, stets über die Kandidaten geschwärmt. Über Hans, der manchmal zwar über die Strenge geschlagen hat, aber auch unglaublich viel erreicht hat. Über Landwirt Kalle sowieso – und auch über den autonom lebenden Candy. Erschüttert wurde die «Newtopia»-Welt erstmals, als eine Produktionsmitarbeiterin – angeblich ohne vorherige Absprache – ein geheimes Meeting abhielt, um eine drohende Pleite der Newtopianer zu verhindern. Das Vertrauen in die Echtheit des Projekts war dahin; in Folge wandten sich zahlreiche Helfer der Kandidaten, etwa die von ihnen liebgewonnene Tierärztin von «Newtopia» ab.

Sender Sat.1 und die Verantwortlichen sprachen von einem menschlichen Fehler – und auch in dieser Woche waren es wieder Menschen, die zum nächsten großen Eklat geführt haben. Nachdem die Kandidaten sich – entgegen jeder Abmachung – weigerten zu nominieren, spitze sich die Situation mehr und mehr zu. Die Produzenten forderten die Stimmabgabe nämlich ein. Was danach passierte, ist auch nach rund 24 Stunden noch nicht einzuordnen. Klar ist, dass es gewaltig gekracht haben muss zwischen Produktion und den Teilnehmern. Fünf der 15 haben das Projekt verlassen – egal ob nun freiwillig oder nicht. Die Live-Streams senden seitdem Bilder aus dem Stall oder vom Eingangstor.

Hinter den Kulissen bastelt Sat.1 – angeblich unter eifriger Mitwirkung von Erfinder John de Mol – an einem Reload der Show. Dass mit den Pionieren auch das ganze Projekt verschwindet, stand nämlich zu keinem Zeitpunkt zur Debatte. So schwammig sich der Sender dazu äußerte, was bei ausgeschalteten Kameras passierte, so klar positionierte man sich zur Zukunft. Die Show geht weiter, Dafür muss man die entstandene Situation, um die sich im Internet mehr Unwahrheiten als Wahrheiten ranken, aber erst einmal gut erklären. Schließlich verlassen mit den fünf Kandidaten auch deren Projekte «Newtopia». Mit Hans und Tatjana verliert die Produktion zudem Teilnehmer, die in der Gunst des Publikums vergleichsweise oben standen. Auch Lennert und Andreia sind gegangen, wie der Sender am Mittwochabend mitteilte. Neue Pioniere sollen so schnell als möglich nachkommen – und sie sollen alles besser machen. Mehr als das am Reißbrett zu planen, wird für Talpa nicht möglich sein. Und so bleibt es beim „Risikofaktor Mensch“, auch in «Newtopia 2.0». Übrigens auch was die Zuschauer eintrifft. Ob die Quoten nach dem großen Knall steigen oder wieder fallen, wird die Zeit zeigen.

Den Livestream will Sat.1 übrigens erst im Laufe des Donnerstags wieder aktivieren, damit die verbliebenen Pioniere noch etwas Zeit sich, sich wieder auf das Projekt zu besinnen. Den Stream-Kunden soll als Entschädigung eine Gratis-Woche gewährt werden.
29.04.2015 21:01 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/77917