Die Upfronts-Analyse: US-Fernsehen im Herbst 2015

Alle Programmentscheidungen sind gefallen: Welche Formate treten in wenigen Monaten gegeneinander an, wo gibt es die wichtigsten Verschiebungen? Ein Blick auf die härtesten Serienduelle und spannendsten Sendeplätze…


Montag
Der Montagabend bietet das vielleicht schon spannendste Serienduell des kommenden Herbstes: «Supergirl» gegen «Gotham». Im Zuge der anvisierten Verjüngung des Networks bringt CBS mit «Supergirl» den namhaftesten Serienstart am Montagabend – als Vorprogramm von «Scorpion», das bereits sehr gut beim jungen Publikum ankommt. Der Trailer kam im Netz gemischt an, kommt «Supergirl» anscheinend eher als Romantic Comedy daher denn als ernsthafte Superheldinnen-Serie. Damit will CBS aber vielleicht auf eine andere Zielgruppe setzen als «Gotham», das in seiner düsteren Machart eher ein männlicheres Publikum ansprechen soll. Beide Formate könnten überleben, denn montags gibt es sonst mit dem Reality-Genre eine andere Programmfarbe bei ABC und NBC. Einziger CW-Neustart im Herbst ist «Crazy Ex-Girlfriend», eine verrückte Musical-Serie im «Galavant»-Stil. Auf viele Zuschauer hofft CW damit wohl nicht ernsthaft – das experimentelle Format hat auf diesem umkämpften Sendeplatz aber auch nicht viel zu verlieren, sondern nur viel zu gewinnen.

FOX hat am Montag ebenfalls seinen größten Neustart im Gepäck: «Minority Report», das zehn Jahre nach den Ereignissen des Kinofilms spielt. Da «Gotham» schon zum Ende der ersten Staffel nicht mehr das große Quoten-Zugpferd war, wird diese Serie sich größtenteils aus eigener Kraft beweisen müssen. Mit «Scorpion» hat sie aber auch nur einen echten Serienduellanten im Timeslot. Bei NBC bekommt der Neustart «Blindspot» den begehrtesten Sendeplatz des Networks, nach «The Voice». Mit dieser Konstellation verhalf man auch «The Blacklist» einst zum großen Erfolg, diesmal wird es wohl nicht anders sein – zumal «Blindspot» aussieht wie ein Abklatsch der James-Spader-Serie, Tattoos diesmal inklusive. Auf der Comedy-Seite versucht CBS in guter alter Tradition, eine neue Sitcom hinter «The Big Bang Theory» zu etablieren. Fast immer ging dies in der Vergangenheit schief, diesmal setzt man überraschend nicht auf eine Multi-Camera-Serie, sondern auf Single-Camera. Wie immer wird es hier auf die Qualität des Formats ankommen – genügend Zuschauer wird man als Lead-Out der erfolgreichsten amerikanischen Comedyserie zu Beginn auf jeden Fall haben.

Abgesehen von den Herbst-Neustarts wird es am Montag auch in der Midseason sehr spannend: Dann kehren Mulder und Scully in «X-Files» zurück auf die Bildschirme – es wird wohl einer der größten und der vielleicht am meisten erwartete Serienstart 2016. Möglicherweise könnte «Supergirl» dann unter stärkeren Quotendruck geraten, sollte die Serie generell nur mäßig performen. Aber auch für diesen Fall hat CBS vorgesorgt: In den vergangenen Jahren war der Montagabend um 20 Uhr den Comedys vorbehalten; mit «Supergirl» geht man also auch das Risiko, eine neue Programmfarbe etablieren zu wollen. Funktioniert dies nicht, hat CBS neue Staffeln von «2 Broke Girls» und «Mike & Molly» in der Hinterhand – beide haben noch keine festen Sendeplätze und können flexibel im Programm eingesetzt werden. Ebenfalls in der Midseason startet «Lucifer», das auf einer DC-Comicserie basiert und montags um 21 Uhr (also nach «The X-Files») starten wird. Zwar hat man mit «The X-Files» ein wahrscheinlich sehr erfolgreiches Lead-In, allerdings funktionierten Serien ähnlicher Machart, beispielsweise NBCs «Constantine», zuletzt nicht.


Dienstag
Der Dienstag ist der einzige Wochentag in der kommenden Season, der sich deutlich anders präsentiert als im vergangenen Jahr. Gleich zehn Neustarts lässt man im Laufe der nächsten Monate auf die Zuschauer los, sieben davon im Herbst. NBC trennt sich von seinem langjährigen Comedy-Sendeplatz am Dienstag und startet nach «The Voice» nun mit «Heartbreaker» eine Krankenhaus-Serie. Um 22 Uhr probiert sich NBC am größten Experiment des Herbsts: einer Variety-Show mit Neil Patrick Harris. Die Sendung tritt ausschließlich gegen Neustarts an – dies heißt zumindest, dass alles möglich ist, sogar ein Erfolg. Allerdings hat ABC mit «Quantico» (Herbst) und «Wicked City» (Midseason) zwei heiße Serien-Eisen im Feuer, die angesichts der starken Trailer viel Lust machen auf mehr und hoch gehandelt werden. Insbesondere «Wicked City» scheint als Period-Drama und Anthologieformat ein Kritikerliebling werden zu wollen, ähnlich wie es ABC mit «American Crime» geschafft hat. CBS mischt um 22 Uhr mit «Limitless» im Neustart-Reigen mit, das nach den «NCIS»-Serien leichtes Spiel haben dürfte.

FOX stellt sich am Dienstag komplett neu auf. Nach dem «Utopia»-Flop ersetzt man den Reality-Timeslot mit Comedys. Die Programmierung der beiden neuen Serien mit Rob Lowe («The Grinder») und John Stamos («Grandfathered») erregte viel mediales Aufsehen und könnte auch beim Zuschauer gut ankommen. Mit «Scream Queens» begrüßt FOX außerdem einen alten Bekannten am Dienstagabend um 21 Uhr: Ryan Murphy feierte einst mit «Glee» auf diesem Sendeplatz seine größten Erfolge, die neue Serie sieht wunderbar trashig und verrückt aus. Mit «Agents of SHIELD» und «iZombie» hat man allerdings zwei ähnlich nerdige Serienkonkurrenten. Bei ABC kehren am Dienstag um 20 Uhr die «Muppets» zurück – laut Trailer sehr selbstreferentiell und abgedreht. Ob dieser Fan-Service aber auch beim Massenpublikum ankommt, muss abgewartet werden. Nach dem limitierten Run wandert das recht erfolgreiche «Fresh off the Boat» später in der Season auf den 20-Uhr-Sendeplatz und dient dann als Lead-In für ABCs zweiten wichtigen Comedy-Neustart «The Real O'Neals». Kurz: FOX und ABC kämpfen dienstags um 20 Uhr um die Comedy-Vorherrschaft, und da hauptsächlich neue Serien in den Ring geworfen werden, verspricht dies viel Spannung.


Mittwoch
Etwas überraschend nutzt FOX die Strahlkraft des Quotenhits «Empire» nicht, um es als Lead-In für eine neue Serie zu nutzen – das Gegenteil ist der Fall. Vermutlich will FOX nicht das Risiko gehen, seinen größten Serienerfolg durch eine Umprogrammierung zu gefährden. Und so startet «Empire» weiterhin um 21 Uhr, zuvor läuft der Neustart «Rosewood», der als Mischung aus «Miami Vice» und «Crossing Jordan» beschrieben wird. Die vermeintliche Feelgood-Serie passt auf den ersten Blick gut ins Lineup am Mittwoch. Einziger weiterer Neustart am Mittwoch ist das Medical Drama «Code Black» um 22 Uhr bei CBS. Mit «Chicago P.D.» hat man nur einen einigermaßen quotenstarken Konkurrenten. Das vermutlich in seine letzte Staffel gehende «Nashville» bei ABC hat zwar treue Zuschauer, dies aber auf niedrigem Niveau. «Code Black» dürfte damit leichtes Spiel haben, zumal man mit «Criminal Minds» eine der weiterhin erfolgreichsten CBS-Serien als Lead-In sein Eigen nennen darf.

Auf der nächsten Seite: die Rückkehr von «Heroes», ein neuer Partner für «The Big Bang Theory», Comedy-Duelle am Freitag und große Geschichten am Sonntag.


Donnerstag
Größer Neustart dieses Abends ist zweifellos «Heroes Reborn» bei NBC. Die Superhelden-Serie kehrt nach Jahren mit einer fünften Staffel zurück – und ihr traut NBC als einzigem Neustart zu, einen Abend um 20 Uhr zu eröffnen. Alle anderen Neustarts des Networks wurden im Anschluss an bekannte Formate gesendet. «Heroes» hat gute Chancen auf hohe Quoten, auch wenn ein ähnliches Rückkehr-Experiment («24») bei FOX nicht die Erwartungen erfüllt hatte. Aber der Donnerstag steht nach den Zuschauerverlusten von «Bones» und «The Vampire Diaries» ohnehin vor einem Umbruch, auch «Grey's Anatomy» wird in seiner elften Staffel keine neuen Fans gewinnen. Bislang griff NBC am Donnerstag um 20 Uhr auch nicht ernsthaft an, zuletzt zeigte man dort die altgediente Reality «The Biggest Loser» und die Miniserie «The Slap». «Heroes Reborn» könnte auch «The Blacklist» wieder zu besseren Quoten verhelfen, das auch aufgrund schwacher Vorprogramme zuletzt einige Zuschauer verloren hatte. Dies wiederum – so stellt es sich NBC zumindest vor – soll dem zweiten Neustart «The Player» um 22 Uhr helfen. Hinter der Agentenserie stehen die Macher von «The Blacklist».

Ob diese Rechnung aufgeht, hängt unter anderem von den neuen 21-Uhr-Programmierungen ab: Sowohl FOX als auch The CW zeigen hier ab Herbst zwei quotenstärkere Serien als bisher – FOX ersetzt die Totalflops «Gracepoint» bzw. «Backstrom» und The CW ersetzt «Reign», das zuletzt weniger als eine Million Menschen sahen. Mit «Sleepy Hollow» (FOX) und «The Originals» (The CW) wird die Konkurrenz im Timeslot belebt. Gleiches gilt für 22 Uhr mit dem angesprochenen NBC-Neustart «The Player». Ein Erfolg wird hier zusätzlich von der direkten Konkurrenz bei ABC abhängen: «How to Get Away with Murder» hat in seiner ersten Staffel großes Potenzial aufgezeigt. Zuletzt blieb aber die Frage offen, wohin die Reise geht: wieder in höhere Quotenregionen oder deutlich unter die Marke von zehn Millionen Zuschauern. In der Midseason setzt ABC auf diesem Sendeplatz dann auf die vierte Shonda-Rhimes-Serie «The Catch». Geht man nach der beeindruckenden Erfolgsquote der Fernsehproduzentin, darf sich ABC hier auf den nächsten Serienhit freuen. CBS übernimmt ab Winter das Comedy-Lineup vom Montag («The Big Bang Theory» und Neustart «Life in Pieces») und ergänzt es mit dem Rückkehrer «Mom» sowie dem zweiten Comedy-Neustart «Angel from Hell» mit Jane Lynch. In jedem Fall aber hat CBS ein extrem starkes Backup, sollte einer der Comedy-Neustarts floppen: Sowohl «2 Broke Girls» als auch «Mike & Molly» haben, wie bereits geschrieben, noch keine festen Sendeplätze und können bei Bedarf flexibel eingesetzt werden.


Freitag
Etwas überraschend lässt sich NBC auf ein Comedy-Duell mit ABC am Freitag ein – und dies, obwohl sich Tim Allens Sitcom «Last Man Standing» weiterhin sehr gut schlägt. Ob der NBC-Versuch daher von Erfolg gekrönt sein wird, bleibt abzuwarten: In direkter Konkurrenz programmiert man mit «Undateable» die einzige verlängerte Comedyserie gegen Allen. Diese zeigte sich zuletzt recht populär, allerdings auch auf dem dankbaren Sendeplatz nach «The Voice». Ob man freitags aus eigener Kraft bestehen kann, ist also fraglich – die schwachen Quoten aus Staffel eins lassen wenig Gutes vermuten. Genauso wie beim Lead-Out «People are Talking», NBCs einzigem Comedy-Neustart im Herbst. Sechs weitere (also ganze drei Sendestunden) hat man übrigens für die Midseason in der Hinterhand. Auch ABC versucht sich nach «Last Man Standing» an einem Neustart namens «Dr. Ken», der das mittlerweile ausufernde Lineup der ethnic comedies fortführt. The CW legt das zuletzt extrem schwache «Reign» auf den Freitag und zeigt es gemeinsam mit «America's Next Top Model», das immer noch nicht in den Show-Ruhestand darf. Prognose: Beide Formate werden nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit senden.


Samstag
Nichts Neues am Samstag: Die Networks bestücken den unwichtigsten Sendetag der Woche weiterhin mit altem Programm oder Magazinen.


Sonntag
Die Woche beginnt montags mit sehr spannenden Serienduellen, und sie endet mit ebensolchen – dank ABC, das den Sonntag größtenteils umwirft. Nach dem Ende von «Revenge» und «Resurrection» setzt man auf große, pathetische Geschichten. «Oil» wirkt wie ein modernes Dallas und versucht als soapiges Drama möglicherweise den Erfolg von «Empire» nachzuahmen. Grundsätzlich besteht sonntags immer die Chance, Zuschauer mit gutem Programm zu gewinnen – dies zeigte zuletzt der anfängliche Mega-Erfolg von «Resurrection», das allerdings schnell abstürzte. Während «Oil» um 21 Uhr antritt, geht es eine Stunde später mit «Of Kings & Prophets» in die biblische Antike. Dieser Versuch ist skeptischer zu sehen: Erst kürzlich fiel NBC ebenfalls sonntags mit einem biblischen Serienstoff («A.D.: The Bible Continues») total auf die Nase. Mit «The Family» hat ABC allerdings noch einen Midseason-Start in der Hinterhand, der als Polit-Thriller in eine deutlich andere inhaltliche Richtung geht. Insgesamt aber kann ABC für den 22-Uhr-Platz zuversichtlich sein: CBS programmiert dort auf altem «CSI»-Sendeplatz nun das Spin-Off «CSI: Cyber», das schon gegen Ende seiner ersten Staffel schwach performte, vor allem beim jungen Publikum. Dass dies sonntags nun plötzlich anders wird, ist unwahrscheinlich. Abseits des Footballs sind am Sonntag viele Zuschauer zu holen – ergriffen hat diese Chance nur bislang niemand erfolgreich. ABC startet im Herbst den nächsten Versuch, dann gleich doppelt.
16.05.2015 12:19 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/78269