Kurz vor dem ersten Formel E-Rennen in Berlin sprachen wir mit Skys Formel E-Kommentator Oliver Fenderl über die erste Saison der neuen Rennserie und die Eigenheiten des Wettbewerbs.
Sport bei Sky
Im Exklusiv-Interview spricht Sky-Sportchef Burkhard Weber über die neue FreeD-Technologie und zieht ein Fazit der Bundesliga-Saison bei seinem Sender. Deutliche Worte findet er auch für einen Post von Til Schweiger.
Lesen Sie das gesamte Interview hier nach.Neben Fußball, Handball oder Basketball ist auch der Rennsport fest im deutschen Sportherz verankert. Für RTL holt die Formel 1 noch immer großartige Marktanteile, die Ihresgleichen suchen, auch die MotoGP läuft auf Eurosport beispielsweise großartig. Beide Rennserien können auf eine lange Tradition bauen und bauten sich über die Jahre hinweg eine große Zuseherschaft auf, die die ausstrahlenden Sender mit guten Quoten versorgen, sodass dem Rennsport weiterhin reichlich Übertragungen im Fernsehen gewidmet werden. Den Faktor Zeit haben besagte Wettbewerbe der gerade erst gegründeten Formel E weit voraus, dafür will die Formel E mit einer gänzlich neuen Prämisse auf Zuschauerfang gehen. Die Besonderheit der neuen Rennserie: Es treten ausschließlich Formelwagen mit Elektromotoren gegeneinander an, in der ersten Saison sogar mit dem gleichen Fahrzeug, dem Spark-Renault SRT_01E. Etwas überraschend gab Sky Anfang September 2014 bekannt, sich die Exklusiv-Rechte für die Formel E gesichert zu haben. Rund zwei Wochen später fand in Peking der erste ePrix statt.
Im ersten Rennen siegte der Brasilianer Lucas di Grassi für das Audi Sport ABT-Team. Der Name Abt bedeutet für Sky viel, denn der zweite Fahrer des Rennstalls findet sich in dem Deutschen Daniel Abt wieder. Er sowie der ehemalige Formel 1-Pilot Nick Heidfeld, der für Venturi in die Rennen geht, sollen, ähnlich wie bei der Formel 1 Michael Schuhmacher oder heutzutage Nico Rosberg und Sebastian Vettel, die Quoten hierzulande weiter in die Höhe treiben. Im ersten der elf Rennen schaffte es keiner der beiden auf’s Treppchen. Nick Heidfeld, der sich mit seinem Boliden mehrfach überschlug, kam mit dem Schrecken davon. Das Ergebnis für Sky: Insgesamt 10.000 Interessierte, die das rund einstündige Rennen verfolgten, ergaben ausbaufähige 0,2 Prozent ab Drei und 0,3 bei den Werberelevanten. Dennoch hatte man es dabei auch mit dem Startschuss einer gänzlich neuen Rennserie zu tun, für deren Bewerbung Sky kaum Zeit hatte.
Mittlerweile gingen sieben von insgesamt elf Rennen der ersten Formel E-Saison über die Bühne. Für deutsche Zuschauer und den Münchner Pay-TV-Sender Sky steht nun ein Highlight bevor: Der Berlin ePrix auf dem ehemaligen Flughafengelände in Tempelhof. Das Sky-Team hat hohe Erwartungen an den Parcours und die Formel E könnte seine Präsenz in Deutschland sogar weiter ausbauen. „Es ist großartig und wichtig zugleich für die Motorsportnation Deutschland, dass die Formel E in ihrer Debutsaison bei uns Station macht. Die Strecke auf dem alten Flughafen in Tempelhof ist dabei natürlich ein besonderer Ort, mitten in der Stadt, wenn auch nicht auf den Straßen, sondern auf einem eigenen Gelände. Vielleicht klappt es 2016, in Berlin rund um den Potsdamer Platz und im Regierungsviertel zu fahren. In Sachen Aufmerksamkeit würde das der Formel E sicherlich wichtige Impulse geben“, erklärt Skys Formel E-Kommentator Oliver Fenderl (Foto). Auch die Strecke selbst könnte für Brisanz sorgen, denn „das Strecken-Layout in Tempelhof lässt auf ein interessantes Rennen hoffen. Dadurch, dass es ein sehr enger Kurs mit 17 Kurven ist, glaube ich, dass es zu harten Zweikämpfen zu Beginn und Rennende kommen und auch die Strategie eine größere Rolle spielen wird“, ergänzt Fenderl.
Die Formel E, die gerade noch in den Kinderschuhen steckt, hat der etablierten Formel 1 in seiner ersten Saison also sogar einen Aspekt voraus, der in deutschen Landen für mehr Aufmerksamkeit sorgen könnte. Weder der Nürburgring noch der Hockenheimring werden in diesem Jahr von den Formel 1-Piloten befahren – den Veranstaltern ist das Startgeld zu hoch, dabei gehören die Rennen an den deutschen Austragungsorten zu den quotenstärksten Übertragungen von RTL und Sky. Ein Hype findet um das am 23. Mai stattfindende Formel E-Rennen in Berlin jedoch nicht statt. „Es ist ein gespanntes Abwarten, wie die Formel E wirklich ist. Viele Motorsport-Fans haben bislang die Rennen fast nur bei uns auf Sky verfolgen können, da die Serie zu Saisonbeginn in Asien und Amerika unterwegs war. Deswegen merkt man schon, dass sich viele Fans erstmal ein eigenes Bild verschaffen wollen. Ich glaube allerdings nicht, dass die Absage des F1 Grand Prix direkte Auswirkungen auf den ePrix in Berlin hat“, so Oliver Fenderl. Das liege laut dem Sky-Mann aber auch an den unterschiedlichen Zielgruppen, die die Rennserien ansprechen. „Bei der Formel E trifft man eher auf die unterhaltungsorientierten Zuschauer, auf Familien und sicherlich aufgrund der deutlich günstigeren Ticketpreise auch auf viele junge Leute. Das sind meine Erwartungen für Berlin – und das finde ich sehr sympathisch.“
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Es ist eine deutliche Steigerung von Rennen zu Rennen zu erkennen – und das auf allen Ebenen. Während es für Teams und Fahrer zunächst darum ging, alles kennenzulernen, gibt es jetzt Attacken und Überholmanöver. Die Teams haben sehr schnell gelernt, Rennen strategisch einzuteilen. Das alles macht die E Prix durchaus attraktiv
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Oliver Fenderl über die erste Formel E-Saison
Die Quoten hatten zum Start noch Luft nach oben, die Piloten, die neben Nick Heidfeld mit Fahrern wie Jarno Trulli auch eine Formel 1-Vergangenheit haben oder in ganz anderen Rennserien fuhren, mussten sich erst an ihre neuen Boliden gewöhnen, genauso wie die Zuschauer sich erst mit dem Reglement und weiteren Eigenheiten der Formel E vertraut machen mussten. Anders als bei der Formel 1, zu der sicherlich die größte Ähnlichkeit besteht, finden die Trainings, das Qualifying und das Rennen am gleichen Tag statt. Auch an Geschwindigkeit büßen die Formel E-Fahrzeuge ein: Im Training und im Qualifying leisten die Autos bis zu 272 PS, im Rennen nicht mehr als 204 Pferdestärken. Dass eine Einführungsrunde vor dem Rennbeginn fehlt, ist nur eine weitere von vielen Eigenheiten der neuen Formel E. Nach den Startschwierigkeiten sieht Oliver Fenderl jedoch einen klaren Fortschritt: „Es ist eine deutliche Steigerung von Rennen zu Rennen zu erkennen – und das auf allen Ebenen. Während es für Teams und Fahrer zunächst darum ging, alles kennenzulernen, gibt es jetzt Attacken und Überholmanöver. Die Teams haben sehr schnell gelernt, Rennen strategisch einzuteilen. Das alles macht die E Prix durchaus attraktiv.“ Auch die Fahrer selbst tragen nach der Ansicht des Kommentators zur Attraktivität der Formel E bei. Eine ganz entscheidende Stärke sei, „dass im Grunde das gesamte Feld mit absoluten Profis bestückt ist: Nick Heidfeld als Ex-Formel 1-Pilot, Daniel Abt als einer der besten Deutschen unter den „Jungen Wilden“, Tabellenführer Lucas di Grassi als Top-Fahrer, der mit Audi in der Langstrecken-WM um den Weltmeistertitel fährt und Antonio Felix da Costa, ehemaliger Ersatzfahrer von Sebastian Vettel und DTM-Pilot bei BMW. Allein die vier unterstreichen die immense Qualität im gesamten Feld, bei Autos, die in diesem Jahr alle baugleich sind.“
Schon in der kommenden Saison will die Formel E den Schritt gehen, dass die Teams ihre Fahrzeuge selbst entwickeln dürfen, was bei der Formel 1 bereits zur Normalität gehört. Diesen Punkt sieht Skys Oliver Fenderl jedoch kritisch. „Die Freigabe, dass die Teams ab der zweiten Saison in gewissen Bereichen des Autos selbst entwickeln dürfen, kommt für mich ein Jahr zu früh. Vielleicht hätte sich die Serie vor diesem Schritt noch ein Stück mehr etablieren müssen, auch deshalb, weil sich mit dieser Freigabe die Gefahr eines Kostenanstiegs erhöht.“ Schlägt sich die Formel E damit also selbst ein Schnippchen? Dabei bedient die Formel E doch bereits viele Sehnsüchte der stetig abwandernden Zuschauerschaft der Formel 1. Diese beklagten laut Matthias Bolhöfer zuletzt komplizierte Regeln, eine regelrechte Technikrevolution, ungewohnt leise Motoren und eine mitunter kontraproduktive Außendarstellung der Formel 1 durch Promoter und Fahrer, so der RTL-Pressesprecher gegenüber Quotenmeter.de Mitte März 2015.
Leisere Motoren – gerade das liegt bei der Formel in der Natur der Sache. Mit diesem Vorurteil werde Oliver Fenderl in Sachen Formel E immer wieder als erstes konfrontiert, als Kritikpunkt bewertet der Kommentator dies allerdings nicht, dabei plant die Formel 1 nun bald wieder lauter zu werden. „Für mich war weder der Sound in der „neuen“ Formel 1 ein Problem, noch ist er es in der Formel E. Ganz ehrlich: wir sprechen in deutschen Innenstädten und auf Autobahnen von Emissionsschutz und irgendwo muss dieser entwickelt und vorgelebt werden. Das ist nun mal im Motorsport. Und: als Audi 2006 in Le Mans mit dem Dieselmotor an den Start ging, gab es erstmals dieses neue „Geräusch“ – an Leistung hat es dabei niemals gefehlt, bis heute. Ich will damit sagen: der Motorsport passiert immer noch auf der Strecke und ist vom lauten Motorenbrüllen völlig unabhängig. Was dabei in der Formel 1 passiert, muss man allerdings ein wenig losgelöst betrachten, da sie sich aus meiner Sicht gerade in der Selbstfindung befindet“, betont Fenderl gegenüber Quotenmeter.de.
Sky und Oliver Fenderl sind jedoch noch weit davon entfernt sich mit dem Quotenphänomen Formel 1 zu vergleichen. „Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass die Formel E ihre Debütsaison feiert und sich etablieren muss. Dafür brauchen die Serienveranstalter, wir auf der Medienseite und die Fans einfach ein bisschen Zeit und Geduld.“ Gerade nach den ersten paar Rennen, in denen sich die Piloten erst „warmfahren“ mussten, habe die Formel E deutlich an Spannung gewonnen. „Der Beweis, dass die Rennen spannend sind und auf den Strecken etwas passiert, liefern die vergangenen drei Rennen. Da gab es Zweikämpfe, viele Attacken und im Gegensatz zu anderen Serien, fahren in der Formel E die Piloten auch nach einer schlechten Qualifikation bis aufs Podium. Das ist spannender Motorsport und das zeigt sich im Übrigen auch in der Zuschauerakzeptanz bei unseren Sky Übertragungen. Vor zwei Wochen konnten wir bei der Europa-Premiere in Monaco einen deutlichen Schritt verzeichnen.“
Zur Person: Oliver Fenderl
Oliver Fenderl ist freier Motorsportjournalist und arbeitete bereits für den BR, das ARD-Radio sowie Motors TV und Motorvision. Sky beschäftigt ihn für die Übertragungen zur GP2 und dem Porsche Supercup. Die Formel E-Übertragungen kommentiert er im Wechsel mit Sascha Roos. Den beiden steht Sven Heidfeld als Experte zur Seite.Oliver Fenderl weiß es am besten: Zu einem Quotenerfolg von Sportübertragungen gehören nicht nur die Wettbewerbe selbst, nicht nur die Vorberichterstattungen und Analysen im Nachhinein, auch die Sport-Kommentatoren müssen den Ausstrahlungen mit ihrem ganz eigenen Stil zusätzliche Attraktivität verleihen. Oliver Fenderl bezeichnet sich selbst als Freund des britischen Kommentarstils im Motorsport. „Der ist emotional, nah dran und dennoch hintergründig. Der Unterschied zur deutschen Kommentierung ist, dass er wenige Pausen kennt. Das ist für viele hierzulande gewöhnungsbedürftig. Deswegen versuche ich zusammen mit meinem Experten-Kollegen Sven Heidfeld den Mittelweg zu finden. Wir wollen zum einen unterhalten, zum anderen informieren – und dazu die Experten-Einschätzung liefern.“ Wie bei der Formel 1 suchen die Sky-Journalisten dabei auch den Dialog mit den Teams. „Dadurch, dass wir mit einigen Fahrern und Verantwortlichen in gutem Kontakt stehen, lassen sich auf diese Weise auch mal kleine Anekdoten einbauen. Da unsere Zuschauer zuhause nicht selbst am Kommandostand stehen können, bin ich davon überzeugt, dass wir ihnen mit unserer Art der Kommentierung das Gefühl vermitteln, das Rennen „aus der Box“ mitzuerleben – also die Rolle des „Trainers auf dem Sofa“ im Fußball einzunehmen“, unterstreicht Fenderl. So soll die Formel E schon in wenigen Jahren ein fester Bestandteil des Rennsports im deutschen Fernsehen sein – und Teil des deutschen Sportherzes.