Einkäufer und Produzenten aus aller Welt weilten in den zurückliegenden Tagen in Los Angeles, um die Piloten der großen US-Studios zu sichten. Für Quotenmeter.de schätzt Stefan Raiser (im Bild mit «Scream Queen» Jamie Lee Curtis) den Jahrgang 2015 ein.
Mit gemischten Gefühlen sind die Chefeinkäufer der großen deutschen Sender in diesem Jahr nach Amerika aufgebrochen. In der zurückliegenden Woche hatten die großen Studios ihre neuen Serien vorgestellt – eine Woche also nachdem die Sender ihre neuen Programmpläne präsentierten und klar machten, dass neue Trends wohl nicht zu finden sein werden. Stattdessen setzten die Macher gerne auf das, was bisher schon funktioniere. Heißt: Ableger von Erfolgsserien wie im Falle von «Criminal Minds», noch mehr Superhelden oder gar Adaptionen von erfolgreichen Filmen wie bei «Rush Hour».
Weil der Trend zudem mehr und mehr dazu geht, dass die Sender bei ihren eigenen Produktionsfirmen bestellen, war es sogar ein alles andere als gutes Jahr für Warner Bros., das von CBS in Ermangelung an neuen Serien nur wenige Neu-Bestellungen erhielt. Das Studio, das einst Hits wie «Two and a Half Men» und «The Big Bang Theory» auf den Markt warf, hatte diesmal sogar keine einzige Sitcom im Angebot. „Der Trend der letzten Jahre hält an“, sagt Stefan Raiser von der deutschen Produktionsfirma Dreamtool («Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer», «Nina Undercover»). Comic Superhelden wie «Supergirl» oder bekannte Franchises wie «Rush Hour» und «Minority Report» bestimmen den Drama Sektor. Entsprechend gebe es bei den großen Sendern noch weniger Mut zu originären Stoffen und Ideen.
Nach den großen Hits des Jahres 2015 müsse also genau gesucht werden. Einige Perlen ließen sich laut Raiser aber dennoch finden; und da verwundert es wenig, dass sein größter Hit der Screenings nicht bei einem großen Broadcaster zu sehen ist. Es ist Showtimes
«Billions» mit Ex-«Homeland»-Darsteller Damian Lewis an der Seite von Paul Giamatti, das die CBS Studios schon mal vorab zeigten. „«Billions» ist grandioses Must-See-TV“, spart Raiser nicht mit Superlativen. Positiv in Erinnerung blieb ihm auch NBCs «Game of Silence» von «CSI»-Legende Carol Mendelsohn, die TV-Version von «Rush Hour» und die etwas andere Superhelden-Serie «Lucifer», in der dem Teufel das Leben in der Hölle zu langweilig wird, er lieber einen Nachtclub aufmacht und dank seiner Gaben der Polizei als Ermittler zur Seite steht.
Aber auch eine große Enttäuschung hat Raiser ausgemacht – The CWs
«Containment» von Julie Plec. Die Serie erzählt von den Folgen einer unerklärlichen sowie tödlichen Epidemie in Atlanta: Da die Regierung die Gegend unter Quarantäne setzt, müssen jene, die in dem Bereich gefangen sind, mit allem, was ihnen bleibt, ums Überleben kämpfen. Für Raiser war der Pilot aber nicht mehr als eine „Standard-Outbreak-Geschichte.“ Howard Gordons («Homeland», «24») neue FOX-Serie
«Frankenstein Code» habe sich zwar auf dem Papier krude gelesen, sei aber trotz seiner Superhelden-Komponente warmherzig, emotional und erzähle die Geschichte mit einer Familie im Zentrum. „Ein perfekter Pilot“, urteilt Raiser.
Unter dem Strich also sei 2015 ein schwächeres Jahr was Konzepte und Ideen angeht. Der Cast der Neustarts sei hingegen wie gewohnt großartig, egal ob bei Neuentdeckungen oder schon bekannten Stars. Dass in Sachen Qualität in diesen Tagen grundsätzlich kleinere Kabel-Sender oder Anbieter wie Netflix die Nase vorne haben, will der Dreamtool-Mann nicht unterschreiben. „Die handwerkliche Qualität ist bei allen Serien, egal auf welcher Plattform, im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten, auf allerhöchstem Niveau.“ Mit Sicherheit könne man aber sagen, so Raiser, „dass Broadcast und Cable Sender durch die Streaming Konkurrenz mutiger werden mussten was die Geschichten, Erzählhaltung und Umsetzung angeht.“