Wie wichtig ist Stefan Raab im Jahr 2015 noch für ProSieben? Zum Ende der aktuellen «TV total»-Staffel blicken wir zurück auf Erfolge und Enttäuschungen des Entertainers.
«TV total» vs. «Harald Schmidt Show»
Schmidt startete seine Late-Night zwar schon im Jahr 1995, kommt aufgrund einer achtjährigen Pause und der Einstellung des Formats 2014 allerdings "nur" auf eine etwa elfjährige TV-Geschichte. Raab läuft seit 1999 durchgängig, seit Februar 2001 regelmäßig viermal die Woche.Glaubt man der aktuellen Berichterstattung, rumort es in diesen Tagen kräftig in der Beziehung zwischen ProSieben und Stefan Raab (der Sender dementierte das bisher) - von Streitigkeiten ist in manchen Medien ebenso die Rede wie von einem möglichen Wechsel des Moderators zum größten Konkurrenten RTL. Der aktuelle Kontrakt mit seinem langjährigen Arbeitgeber jedenfalls läuft in wenigen Monaten aus und bis dato ist noch immer nicht klar, ob und mit welchen Konditionen er verlängert wird. Anlässlich der Sommerpause des Raab'schen Kultformats «TV total» blickt Quotenmeter.de zurück auf Tops und Flops der vergangenen Jahre und zieht Bilanz, welche Bedeutung der gelernte Metzger gut 16 Jahre nach dem Start seiner Latenight-Show für den Unterföhringer Privatsender noch hat.
Der Dauerbrenner: «TV total»
Oft genug wurde der Qualitätsverlust der viermal wöchentlich ausgestrahlten Show bemängelt, die überschaubare Inspiration, mit der Raab seinen Stand-Up oftmals runterspult, das fehlende Interesse an zumeist nur zu Promo-Zwecken auftretenden Gästen. Bestreiten mag man diese Kritikpunkte allesamt nicht, gleichwohl sei jedoch darauf verwiesen, dass «TV total» für ProSieben von großer Bedeutung ist. Kein anderer großer deutscher Fernsehsender kann auf eine ähnlich große Konstanz im Spätabendprogramm verweisen, die darüber hinaus auch noch regelmäßig mit soliden bis guten Einschaltquoten einhergeht. In der aktuellen TV-Saison hatte man sogar mehrfach die 15-Prozent-Marke beim werberelevanten Publikum überboten - bis zu 16,5 Prozent wurden erreicht.
Gewiss kann man an dieser Stelle anfügen, dass auf der anderen Seite diverse Folgen unterhalb des Senderschnitts rangierten und die Einschaltquoten schon seit Jahren nicht mehr den Status der Alternativlosigkeit rechtfertigen. Doch andererseits zeigte die Formkurve zum einen in letzter Zeit wieder eher nach oben und andererseits dürften die Programmverantwortlichen schon glücklich damit sein, einen festen und verlässlichen Anker im Aufgebot zu haben, der jede Woche vier Stunden Sendezeit füllt. Oft genug musste - oder wollte - ProSieben am Abend auf weitere Wiederholungen seiner Hit-Sitcoms zurückgreifen, weil ein Neustart gefloppt ist, man neue Formate nicht gegen eine zu harte Konkurrenz verheizen wollte oder man völlig unvorbereitet mit dem Umstand konfrontiert wurde, dass da ja noch so fünf bis zehn Programmplätze zu füllen sind. Fiele «TV total» weg, gäbe es eine neue Baustelle - gut möglich, dass «The Big Bang Theory» und Co. auch hier einmal mehr ins Rennen geschickt würden.
Darüber hinaus dient seine tägliche Sendung auch dazu, die noch immer zahlreichen Primetime-Events zu bewerben. Nicht selten kam es in den vergangenen Jahren vor, dass sich das Team nicht zu schade war, gleich mehrere Einspieler zu zeigen, die den Zuschauer in erster Linie dazu animieren sollten, sich wahlweise Tickets zu sichern oder den betreffenden Ausstrahlungstermin zumindest für den eigenen Fernsehkonsum vorzumerken. Das nervt den Fan, der neben den Werbepausen auch noch üppige showimmanente Eigenwerbung über sich ergehen lassen muss, ist für Raab und ProSieben allerdings eine exzellente Möglichkeit zur Gewinn- und Quotenmaximierung. Beide Parteien profitieren also von der Weiterführung der Ausstrahlung - die Frage ist nur, ob die von vielen Zuschauern empfundene Lustlosigkeit auch Raab selbst in ausreichendem Maße bewegt, dass er sich künftig nicht mehr auf die Routine «TV total» einlassen möchte. Beim Sender dürfte dieses Szenario auf wenig Gegenliebe stoßen, zumal «Circus HalliGalli» meist schon in wöchentlicher Ausstrahlung schwächere Quoten generiert. Und ansonsten ist weit und breit kein adäquater Ersatz in Sicht.
Der Jahrhundert-Coup: «Schlag den Raab»
So sehr den Fan die Lethargie auch enttäuschen mag, die sich bei «TV total» in den vergangenen Jahren breit gemacht hat, so sehr wird er durch Raabs Auftreten in «Schlag den Raab» entschädigt. Seit neun Jahren schon ist die XXL-Sendung mit das erfolgreichste Show-Format, das im Privatfernsehen noch seinen Platz findet - und von Abnutzungserscheinungen kann keine Rede sein. Die fünf Ausgaben in der abgelaufenen TV-Saison erreichten zwischen 21,5 und 22,9 Prozent des werberelevanten Publikums, die durchschnittliche Zuschauerzahl lag bei knapp drei Millionen - was angesichts der oft bis weit nach Mitternacht reichenden Sendezeit eine Menge ist. Und so sehr der Protagonist auch durch sein Gequengel im Falle eines Misserfolgs oder seine dauernden Nachfragen nerven mag: In jeder Ausgabe ist er mit vollem Herzen dabei.
Diese offenkundige Freude, der große Einfallsreichtum der Entwickler und diese im deutschen Fernsehen einmalige Eigendynamik, die ein spannender «Schlag den Raab»-Abend im Bestfall annehmen kann, macht die Sendung zu einem wahrhaftigen TV-Event im besten Sinne dieses Wortes - vor allem für das jüngere Publikum. Dementsprechend ist es nur allzu nachvollziehbar, dass im Zuge der aktuellen Spekulationen über Raab kaum um «TV total» gebangt wird, sondern viel mehr um dieses Meisterstück der Samstagabend-Unterhaltung. Um einen neuen Moderator wird man sich in jedem Fall bemühen müssen, schließlich wechselt nach Matthias Opdenhövel auch Steven Gätjen zu den Öffentlich-Rechtlichen. Doch da der Star der Sendung ohnehin viel eher Raab als der meist im Hintergrund agierende Moderator ist, sollte dies kein unüberwindbares Hindernis sein.
Seit 2009 gibt es darüber hinaus auch den Ableger
«Schlag den Star», der zuletzt und auch in diesem Jahr wieder zur Überbrückung der Sommerpause dient. An die Klasse des Originals reicht diese Sendung weder aus Sicht der Einschaltquoten noch inhaltlich heran, doch je nach Verlauf der Duelle kann sich auch hierbei ein unterhaltsamer Abend entwickeln. Im vergangenen Jahr hatte man sich erstmals an dem Konzept versucht, gleich zwei Prominente gegeneinander antreten zu lassen, statt wie zuvor einen Promi und einen normalen Kandidaten - mit großem Erfolg: zwischen 15,1 und 19,2 Prozent der 14- bis 49-Jährigen sahen die vier produzierten Folgen, sodass man dieses Konzept zunächst einmal beibehält. Für «Schlag den Raab» bleibt jedoch zu hoffen, dass man sich dort diesem Promi-Trend nicht anpasst - immerhin lebt die Show von dem Aufeinandertreffen Davids und Goliats, bei dem im Bestfall ein totaler Normalo auf einem Schlag zum Millionär wird.
Die Dauerbrenner: Stock Car, Wok-WM und Turmspringen
Von gefeierten Innovationen hin zur jährlichen Routine haben sich einige «TV total»-Events entwickelt. Die Mutter all dessen ist die
«Wok-Weltmeisterschaft», aber auch die
«Stock Car Crash Challenge» und das
«Turmspringen» sind zu festen Instanzen des ProSieben-Showangebots geworden. Eben jene Routine und Überraschungsarmut, die sich in den vergangenen Jahren zunehmend breit gemacht hat, beweinen viele Fans - allzu negative Auswirkungen hat dies allerdings nicht auf die Einschaltquoten. Die Wok-WM kam 2011 auf einen historischen Tiefstand von nur noch 12,7 Prozent des werberelevanten Publikums, um im Jahr darauf allerdings einen überraschenden Satz auf 17,1 Prozent zu machen. Die beiden jüngsten Ausgaben liefen mit 13,9 und 14,1 Prozent durchgehend zufriedenstellend, die Zuschauerzahlen lagen zuletzt meist bei gut zwei Millionen.
Ähnlich sieht es für die «Stock Car Crash Challenge» aus, wenngleich dort zuletzt ein Abwärtstrend nicht mehr von der Hand zu weisen war: In den vergangenen Jahren wurden nur noch 12,9 und 13,7 Prozent der Zielgruppe generiert, zwischen 2010 und 2012 waren noch Werte von 15 bis 18 Prozent möglich, vor sechs Jahren wurden letztmals gar mehr als 20 Prozent erzielt. Angesichts dieser Abwärtsspirale scheint es also durchaus möglich, dass sich die üppige Live-Show in Bälde nicht mehr lohnen wird. Erstaunlicherweise läuft das oftmals als recht zäh und stark professionalisiert wahrgenommene «Turmspringen» inzwischen sogar am besten, im vergangenen November wurden erst tolle 16,3 Prozent Zielgruppen-Marktanteil verzeichnet, auch in den Jahren zuvor wurden stets mindestens 14,7 Prozent generiert.
Angesichts dieser Zahlen ist es nur allzu verständlich, dass die Veranstaltungen in jedem Jahr wieder neu aufgelegt werden, denn immerhin sind sie Garanten für Erfolge am in der Breite wenig stark aufgestellten Show-Abend am Samstag. Bis auf die Raab-Shows ist einzig «Joko gegen Klaas» regelmäßig für richtig überzeugende Einschaltquoten zu haben, nachdem «Himmel oder Hölle» nach einem starken Auftakt schon im zweiten Anlauf böse gefloppt ist. Wo RTL etliche Wochen des Jahres mit seinen Bohlen-Castings erfolgreich füllen kann, hat ProSieben keine Sendungen im Repertoire, die in regelmäßigen Ausstrahlungen funktionieren - deshalb haben Events wie Turmspringen, Wok-WM und Co. eine elementare Bedeutung im Wettbewerb mit den Kölnern.
Die Gelegenheits-Erfolge: Autoball und Eisfußball
Nicht alle Raab-Events werden jährlich ausgetragen. Neben einigen vergessenen Ideen wie dem Springreiten oder dem Parallelslalom gibt es auch Veranstaltungen, die zwar bis heute noch sehr lebendig sind, aber aufgrund ihrer geringeren Ausstrahlungsfrequenz nicht allzu großen Abnutzungserscheinungen unterliegen. In diesem Zuge sei vor allem auf die «Autoball»-EMs und -WMs verwiesen, die seit 2008 alle zwei Jahre vor dem Start des jeweiligen Fußballturniers gesendet werden. Den größten Erfolg verbuchte die WM 2010 mit beeindruckenden 2,71 Millionen Zuschauern und 25,1 Prozent Zielgruppen-Marktanteil. Doch auch die beiden Europameisterschaften zuvor und danach liefen mit 17,9 bzw. 17,8 Prozent mehr als überzeugend. Erst 2014 lief es mit 15,5 Prozent nicht mehr ganz so stark.
Zu einem überraschenden Comeback kam derweil der «Eisfußball Pokal» im Mai dieses Jahres, nachdem er zuvor ein einziges Mal im Jahr 2009 gezeigt wurde. An die tollen 18,1 Prozent des Erstlings konnte man mit 14,3 Prozent zwar nicht anknüpfen, klar über dem Senderschnitt rangierte man beinahe standesgemäß allerdings trotzdem - auch beim Gesamtpublikum, wo die einmal mehr bis weit nach Mitternacht reichende Sendung 7,6 Prozent bei 1,70 Millionen verbuchte. Prinzipiell erscheint diese Form des "Event-Recyclings" ohnehin attraktiv, um für mehr Abwechslung und eine größere Bandbreite an Shows zu sorgen.
Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach Stefan Raab aktuell für ProSieben?
Im zweiten Teil der großen Raab-Bilanz blicken wir dann am Sonntag unter anderem auf die außergewöhnliche Kooperation von ARD und ProSieben im Rahmen des «Eurovision Song Contest» und benennen Flops und Enttäuschungen der vergangenen Jahre.