Kein Schrecken ohne Ende

Günther Jauch wirft die Brocken hin: Ende des Jahres ist Schluss mit seinem Polit-Talk. Eine goldrichtige Entscheidung, meint unser Kolumnist:

Ich mag Günther Jauch ja. Bei «Wer wird Millionär..?» hält er seit fast sechzehn Jahren ein an sich einfaches, leises Format frisch, und besticht nicht nur als souveräner Fragesteller, sondern auch als Showmaster, der mit seinen Kandidaten sehr nette, entspannte, unaufdringliche Gespräche führt und weder Blütenzauber noch exorbitante Showeinlagen braucht, um die Sendung in ihren XXL-Varianten auch abendfüllend zu machen.

Aber Günther Jauch kann keinen Polit-Talk. Diese Einschätzung dürfte ihm nicht neu sein; sie ist ihm in den letzten vier Jahren in Form von gnadenlosen Verrissen seiner Sendung fast wöchentlich vorgetragen worden. Auch an dieser Stelle. Seine Entscheidung, die Talk-Show Ende des Jahres einzustellen, dürfte die erste richtige seit der Premiere gewesen sein.

In ihren besseren Momenten war die Sendung journalistisch unzulänglich, in ihren schlechtesten eine Farce an der Grenze zur Unfassbarkeit. Eine Rückschau auf die Tiefpunkte muss an dieser Stelle nicht aus Gründen des Nachtretens oder der Faszination des Grauen sein, sondern allein, um sich noch einmal zu vergegenwärtigen, wie sich die ARD und Günther Jauch relevanten Polit-Talk so vorgestellt haben:

Da ging Jürgen Klinsmann als Experte für amerikanische Außenpolitik und die Befindlichkeiten der amerikanischen Gesellschaft durch, der freimütig seine zur vermeintlich relevanten Meinung erhobenen Vorurteile vom doofen, politisch desinteressierten Amerikaner in die Runde plaudern durfte, während der Moderator daneben saß, artig nickte und die Kärtchen knetete.

Einmal stand Jauch vor dem Vorspann mit zwei Brathähnchen im Gasometer, um ein Bio-Thema einzuläuten, und kurz ging man näher an den Bildschirm, weil man sich vergewissern wollte, dass das nicht eine Parodie von Michael Kessler war.

Und dann erst die Versuche, Synthesen herzustellen, die schon lange nicht mehr gesellschaftlich tragfähig sind. Etwa wenn Katharina Reiche ihre schwer erträglichen rechtskonservativen Sätzchen bei einer Sendung über die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften aufsagte und am Schluss der Konsens irgendwo bei „Gleichstellung ja, aber auch nicht so ganz“ gesucht wurde, als auch Zuschauermails vom äußersten, kaum noch tragbaren Rand vorgelesen wurden.

Oder all die fehlgeschlagenen Versuche, den gesellschaftlichen Rand in die Sendung – und damit auch in den politischen Diskurs – einzubinden. Der dubiose Imam, der nicht mehr zu reden aufhören wollte, und den Jauch nicht demontieren konnte, weil ihm dazu offenbar das journalistische Handwerkszeug fehlte. Oder die PEGIDA-Sprecherin, deren diffuses fremdenfeindliches Gequatsche er nur mit größter Mühe als eben solches entlarven konnte. Plötzlich saßen Rechtsextreme und seltsame Typen, die Mühe hatten, sich vom Salafismus zu distanzieren, neben Jauch auf dem politischen Podium und diskutierten mit. Auf dem wichtigsten politischen Sendeplatz im deutschen Fernsehen. Es war kaum zu glauben.

Es gäbe noch viele weitere Beispiele. Aber die hier sollen genügen.

Die Entscheidung, Jauchs Sendeplatz an «Anne Will» zurückzugeben, mag aufgrund der Vorgeschichte kurios anmuten, ist aber inhaltlich eine richtige: Will ist eine souveräne Polit-Journalistin mit großer Sachkenntnis und gutem Gespür für eine interessante Gesprächsführung; ihre Sendung journalistisch seriös. Vergleicht man ihre heutige Performance mit ihren Sendungen von vier Jahren, bevor Jauch ihren Sendeplatz übernahm, wirken die aktuellen ansprechender, relevanter, fundierter. Besser als die permanenten journalistischen Fehlschläge von Günther Jauch sowieso.

Machen wir uns nichts vor: Günther Jauch durfte im Ersten Polit-Talk machen, weil ihn viele Zuschauer kennen und mögen – und sicherlich nicht, weil man ihn bei der ARD für einen kompetenten Polit-Journalisten hielt. Der Dreiklang "Jauch mag man“/“Jauch guckt man“/“Ergo bringt Jauch auch beim Polit-Talk Mörderquoten“ war naheliegend und doch grundfalsch. Weil diese Entscheidung keine inhaltliche war, sondern anbiedernde Augenwischerei, in der die Inkompetenz die Seriosität verdrängte.

Jetzt ist es andersherum. Das ist doch auch mal schön.
12.06.2015 13:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/78803