Der Raabschied: Eine Branche bedauert das Ende des ‚ProSieben-Papas‘

Dass Stefan Raab seine Fernsehkarriere in einem halben Jahr beendet, war das Thema auf der ProSieben-PK am Dienstag. ProSiebens Plan ist nun auch in Teilen bekannt: Viele Shows sollen ‚König Lustig‘ ersetzen.

Welchen Weg wird ProSieben gehen, um die nach dem Abschied von Stefan Raab frei werdenden Sendeplätze im Jahr 2016 zu füllen? Exakte Antworten gab es darauf am Dienstag in Hamburg, wo die Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe Einblicke in ihre neuen Programmpläne gewährten, noch nicht. Wolfgang Link (Foto) bezeichnete das Ende der Ära Raab offen und ehrlich als „Einschnitt für ProSieben und die Fernsehlandschaft.“ Nach vielen Gesprächen mit dem Moderator von «TV total» könne er seine Entscheidung inzwischen aber nachvollziehen. Jetzt würden für ProSieben neue Türen aufgehen. Ob die ein oder andere Show-Erfindung von Raab überleben wird (zuletzt wieder immer wieder über eine Fortsetzung von «Schlag den Star» spekuliert) blieb unterdessen weiter unklar.

ProSieben vermittelte aber in jedem Fall den Anschein, dass es nicht allzu viele sein werden. Denn das neue Showaufgebot, dass der Sender ab 2016 aufbietet, kann sich wahrlich sehen lassen. Sieben Stück sind es an der Zahl, darunter auch ein Live-Format mit Prominenten und eine neue Variety-Show mit Joko & Klaas, die einen frisch verlängerten ProSieben-Vertrag in der Tasche haben (wir berichteten). Raab war dennoch eines der zentralen Themen an diesem Abend. Ex-Showpraktikant Elton zum Beispiel verriet Quotenmeter.de im Periscope Livestream, ab Januar quasi „arbeitslos“ zu sein. „Egal, wie man zu ihm steht, er hat das Fernsehen geprägt.“ Deshalb war seine erste Reaktion, als er vom Raabschied erfuhr, auch „Schade“ gewesen. „Das ist auch bei Thomas Gottschalk so, der zwar nicht so innovativ gewesen ist, aber er gehört einfach zum Fernsehen. Wenn so einer aufhört, ist es immer zuerst ein Schock – in Anführungszeichen – und dann muss man sagen: Ok und gut ist“, meinte Elton, der offen erklärte, dass er Stefan Raab „dieses Champions League Fernsehen“ komplett zu verdanken habe. Schließlich war es der selbsternannte König Lustig, der Elton einst vom Lokalfernsehen auf die große TV-Bühne holte.

Für Moderator Wayne Carpdendale, der in Sat.1 in diesen Wochen neue «Deal or No Deal»-Folgen präsentiert, sprach davon, dass Raab das Fernsehbild geprägt habe. „Wie viele Events gibt es im Leben, wo man weiß, wo man in dem Moment war? Da gibt es natürlich historische Ereignisse, aber im Show-Bereich? Ich kam gerade vom Basketball und habe das gehört.“ Carpendales Generation hätte sich sehr mit Raab identifiziert. „Vorher gab es ja immer wieder Artikel in den Medien, die vielleicht auch mal kritischer waren. Wenn so jemand aufhört und dann alle sagen: Wow, den werden wir vermissen… Da denkt man schon manchmal, vielleicht sollte man so jemanden schon vorher besser zu schätzen wissen – und das nicht als „normal“ hinnehmen.“ Gleiches gelte laut dem «Deal or No Deal»-Moderator auch für Thomas Gottschalk.

„Ich wünsche mir, dass wir auf diese Talente wieder mehr Acht geben. Wir sollten so eine Hingabe für so einen Beruf in Deutschland wieder mehr zu schätzen wissen, denn viele davon haben wir nicht.“ Waynes Frau Annemarie, die für ProSieben unter anderem «taff» und «red» präsentiert, nannte Raab sogar ihren „ProSieben-Papa“, da sie sich selbst als Kind des Senders versteht. Bei elfjähriger Verbundenheit mit der roten Sieben ist dies auch kein Wunder. Allerdings zeigte Annemarie Carpendale im Gespräch mit Quotenmeter.de auch Verständnis für die Raab-Entscheidung. „Wenn man so hart gearbeitet hat wie Stefan in den letzten Jahren und Familie zu Hause hat, dann ist klar, dass man irgendwann sagt: Hey, ich brauche mal wieder Privatleben. Mein Leben zieht sonst an mir vorbei. Ich weiß, wie durch man ist, wenn man vier Tage bei der «Wok-WM» gehangen hat. Das schlaucht alles. Er ist in den letzten Jahren ja non-stop von der einen zur nächsten Idee gegangen. Man hatte das Gefühl, wenn der mal einen halben Tag frei hatte, hat der in der Zeit schon direkt die nächste Idee erfunden.“

Wenn Stefan Raab tatsächlich retired – das heißt aufhört mit Fernsehen und sich vielleicht seiner Familie widmen will, dann ziehe ich wirklich den Hut - Chapeau! Es ist aber auch sehr traurig, weil ein großer Teil an Unterhaltung und Innovation im deutschen Fernsehen fehlen wird.
Ingo Lenßen
Ingo Lenßen, das neue Aushänge-Schild von Sat.1 Gold, gratulierte Raab letztlich zur getroffenen Entscheidung. Er kommentierte: „Wenn Stefan Raab tatsächlich retired – das heißt aufhört mit Fernsehen und sich vielleicht seiner Familie widmen will, dann ziehe ich wirklich den Hut - Chapeau! Es ist aber auch sehr traurig, weil ein großer Teil an Unterhaltung und Innovation im deutschen Fernsehen fehlen wird.“ Den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören gefunden habe Raab, meinte auch der Chef des «Sat.1 Frühstücksfernsehen», Claus Strunz gegenüber Quotenmeter.de. „Den Schlussstrich selber zu ziehen ist eine ganz große Tat eines ganz großen Entertainers und Künstlers. Bevor alles, was er tut, zum lebenden Evergreen wird. Wenn ich tief in mich reinhorche, glaube ich, dass wir Stefan Raab auch im Fernsehen wiedersehen werden – nach einer, nennen wir es mal künstlerische Pause.“

In Raab nämlich sprudele ein Kern der Kreativität, meinte der ehemalige Moderator von «Eins gegen Eins». Es sei für ihn schlicht nicht vorstellbar, dass Raab diese Kreativtät auf einen anderen Bereich übertragen könne. Marc Bator derweil ist von Berufswegen als Anchor der «Sat.1 Nachrichten» gewohnt, überraschende und mitunter auch schlechte Meldungen zu vermitteln. Er bezeichnete das TV-Aus von Raab als „großen Verlust“ für das deutsche Fernsehen. „Ich wünsche mir sehr, dass man vielleicht musikalisch oder sonst abseits des Mediums Fernsehen noch etwas von Stefan Raab hört. Vielleicht ist es aber auch klug von ihm gewesen, auf der Spitze seines Erfolges zu verabschieden“, sagte er.
08.07.2015 08:36 Uhr  •  Manuel Weis & Benjamin Horbelt Kurz-URL: qmde.de/79349