Der Sommer wird gruselig! ZDFneo strahlt vom 27. Juni bis zum 1. August immer samstags zwischen 20.15 Uhr und 5 Uhr Horror-Spielfilme. Die Quotenmeter.de-Kinoexperten Sidney Schering und Antje Wessels begleiten Euch durch diese schaurige Zeit.
Samstag, 11. Juli: 20.15 Uhr: «Von allen Geistern besessen»
Die «Scary Movie»-Reihe gehört zu den Spitzenreitern der Horrorfilmparodie. Doch neben drittklassigen Trittbrettfahrern, die sich dutzendfach im Heimkinosegment durchzusetzen versuchen, gab es Anfang der Neunzigerjahre bereits einen nicht minder respektlosen Rundumschlag gegen das Genrekino, bevorzugt gegen William Friedkins Austreibungsklassiker «Der Exorzist». Für diese mit dem Titel «Von allen Geistern besessen» gesegnete Parodie konnte Regisseur Bob Logan («American Eiskrem 3 ½») gar Linda Blair gewinnen. Jene Newcomerin, die im Original «Der Exorzist» einst als fluchende, Schleim auskotzendes Biest bekannt wurde. Ebenfalls mit von der Partie: Leslie Nielson («Die nackte Kanone») in der Rolle des Priesters. Doch schon 1990 waren sich die Kritiker der nur allzu lauwarmen Idee bewusst, mit der Logan versuchte, den Horrorfilm durch den Kakao zu ziehen. Auch heute, 25 Jahre später, präsentiert sich «Von allen Geistern besessen» als schlecht gealterter Klamauk, allenfalls auf dem Niveau des bekanntermaßen äußerst übersichtlich gelungenen, zweiten Teils der «Scary Movie»-Reihe – auch in diesem ist «Der Exorzist» das Hauptopfer der nachdichtenden Drehbuchautoren. Zufall?
In direkter Umgebung zu diversen Hitchcock-Klassikern, denen sich ZDFneo an diesem Wochenende widmet, wirkt «Von allen Geistern besessen» erst recht fehl am Platz. Wer sich zur Einstimmung auf den wahren Meister des Suspense jedoch schon einmal warm laufen möchte, dem dröseln wir an dieser Stelle gern nochmal den Plot der witzlosen Gruselklamotte auf: Nancy Aglet (Linda Blair) war mal besessen. Vor zwanzig Jahren. Heute gibt sie die brave Hausfrau, bis sie durchs Fernsehen (Achtung: «Poltergeist»-Anspielung!) erneut von einer dunklen Macht in Beschlag genommen wird. Um sich aus dieser zu befreien, bemüht sie den zwielichtigen Fernsehprediger Ernest Weller (Ned Beatty), der ihr im Rahmen einer TV-Show den Teufel austreiben soll… Was sich nach einer banalen Eigenproduktion des deutschen Privatfernsehens anhört, spielte in den Neunzigerjahren tatsächlich – Obacht! – 1,38 Millionen US-Dollar ein. Wir sagen dennoch: Finger weg und erst um 21.35 Uhr einschalten.
21.35 Uhr: «Die Vögel»
„
In meinem Film «Die Vögel» lauert gleich unter dem Schock und der Spannung der Ereignisse eine packende Deutung. Wenn Sie diese Deutung entdecken, wird sich ihre Freude an meinem Film mehr als verdoppeln.
”
Alfred Hitchcock
Von einer filmischen Katastrophe zu einem Katastrophenfilm: Alfred Hitchcock, der Meister des Suspense, lässt den gefiederten Terror auf eine kleine Küstenstadt hereinbrechen. Erst wird nur Melanie (Tippi Hedren) von einer Möwe angegriffen, doch dann stürzen sich unzählige hoch aggressive Möwen und Krähen auf die Einwohner von Bodega Bay. Mehr muss man über den Inhalt dieses Thrillers von 1963 wohl kaum sagen. Erstens, da er seinen (oberflächlichen) Reiz mehr aus der stetigen Spannungssteigerung und den für jene Zeit äußerst aufwändigen rund 400 Trickeinstellungen generiert, als aus seiner Story. Zweitens, da er sich unverrückbar ins kollektive Gedächtnis brannte. Wann immer riesige Vogelschwärme einen Stadtpark oder ein Gartenfest heimsuchen, ist garantiert, dass jemand der Anwesenden von diesem Klassiker spricht. Und auch die zahllosen Anspielungen in Film und Fernsehen (etwa in «ALF», «Ace Ventura – Jetzt wird’s wild}}, [[Die Simpsons» oder «Pushing Daisies») dürften «Die Vögel» noch auf Jahrzehnte hinweg einen achtbaren Ruhm garantieren. Und sollten sich unter den ZDFneo-Zuschauern tatsächlich Hitchcock-Feinde befinden, die aber Disney-Fans sind, so haben auch diese Grund, einzuschalten: Um in Zeiten vor der Computeranimation Effektmalereien, gedrehte Spielszenen und Naturaufnahmen ansehnlich zu verschmelzen, wurde Ub Iwerks als Berater der Bildkomposition herangezogen. Iwerks, der erste Micky-Maus-Zeichner, war bei Disney Spezialist für solche Fragen und arbeitete bei «Die Vögel» gemeinsam mit Albert Whitlock an den Effekten. Zuschauer, die sich letztlich weniger für die Produktionsgeschichte interessieren, und die überaus schnörkellose Story zu simpel finden, können sich derweil an der Lösung folgender Frage versuchen: Wieso drehen die geflügelten Tiere durch, was bedeutet dieses Treiben? Eine explizite Antwort gab Hitchcock nie, doch Generationen von Filmanalysten entwickelten ihre eigenen Lösungsansätze. Vielleicht gibt es noch immer unausgesprochene Ansätze ..?
23.30 Uhr: «Topas»
Cast und Crew
- Regie und Produktion: Alfred Hitchcock
- Drehbuch: Samuel A. Taylor
- Musik: Maurice Jarre
- Kamera: Jack Hildyard
- Schnitt: William H. Ziegler
Während eine Horrorparodie ebenso zu einem Horror-Themenabend passt wie der reinste Tier-Horror, so ist bei «Topas» durchaus die Frage angebracht: Was sucht dieser Film hier? Die 1969 uraufgeführte Romanadaption ist zweifelsohne im Spionagefach angesiedelt und handelt von einem Überläufer aus der Sowjetunion, der die Amerikaner mit Informationen über die jüngsten geheimen Entwicklungen in Kuba versorgt. Daraufhin erhält der französische Agent André Deveraux (Frederick Stafford) die Aufgabe, weiteres zu recherchieren, und zwar gemeinsam mit der Casino-Expertin Juanita (Karin Dor) … Klingt ausschweifend, ist es auch: Zum Kinostart waren sich die Kritiker praktisch einig, dass «Topas» einer der schwächeren Filme von Hitchcock darstellt, und anders als bei etwa «Vertigo» kam es mit den Jahren hier nicht zu einer Neuevaluation.
1.30 Uhr: «Der zerrissene Vorhang»
Hinter den Kulissen
- Regie und Produktion: Alfred Hitchcock
- Drehbuch: Brian Moore
- Musik: John Addison
- Kamera: John F. Warren
- Schnitt: Bud Hoffman
Wir bleiben im Genre des Spionagethrillers, wobei «Der zerrissene Vorhang» immerhin mit einem denkwürdigen, langen Mord vorübergehend durchaus in den ZDFneo-Horror passt: Paul Newman gibt in dieser Produktion von 1966 den amerikanischen Physiker Michael Armstrong, der sich als Überläufer ausgibt und sich gemeinsam mit seiner Verlobten Sarah («Mary Poppins»-Darstellerin Julie Andrews) in die DDR absetzt. In Wahrheit hat er jedoch nur vor, an die Raktenabwehrpläne eines Leipziger Professors zu gelangen. Nicht lange, und die Stasi nimmt das US-amerikanische Paar ins Visier …
Auch «Der zerrissene Vorhang» wird nicht als einer der stärksten Hitchcock-Filme gefeiert, jedoch wird er deutlich mehr geachtet als etwa «Topas». Generell finden die Dialoge in Brian Moores Drehbuch nur wenig Anklang, während sich beim Gedanken an die Dramaturgie die Geister scheiden. Jedoch ist Hitchcocks Größe in diversen packend gefilmten und visuell ausgeklügelten Einzelsequenzen zu spüren, wie etwa die Fabrikführung, in der die Amerikaner das System des Arbeiterstaats erklärt bekommen – und dies vor einem sehr zynischen Hintergrund. Generell macht sich in «Der zerrissene Vorhang» mal wieder Hitchcocks hoher Anspruch an Studiobauten bemerkbar und der deutsche Teil des Ensembles spielt hier sehr sehenswert auf. Wer diese 'Hitch'-Regiearbeit also noch nicht kennt: Erwartungen normalisiert, eingeschaltet, Filmgenuss genossen!
3.35 Uhr: «Cocktail für eine Leiche»
Weitere Besprechungen von Filmen mit beeindruckenden Plansequenzen
Zu später Stunde wird es wieder psychopathisch bei ZDFneo, und somit fügt sich die Hitchcock-Filmstrecke wieder stärker in das eigentliche Thema des Abends: Die zwei aufstrebenden, viel versprechenden Studenten Brandon und Phillip (John Dall & Farley Granger) haben es sich in den Kopf gesetzt, das perfekte Verbrechen zu begehen und töten einen Kommilitonen. Daraufhin laden sie in aller Überheblichkeit ihren Professor (James Stewart) und die Eltern ihres Opfers zu einer Cocktailparty ein. Diesen überhebliche Drang zum Perfektionismus spiegelt Hitchock auch bewusst in der filmischen Gestaltung dieser Kinoadaption eines Theaterstücks von 1929: Der Meisterregisseur drehte «Rope» (so der Originaltitel) auf eine Weise, so dass er in der fertig geschnittenen Fassung aussieht, als wäre er komplett in nur einer einzelnen Einstellung gefilmt worden. Technisch war dies 1948 natürlich völlig unmöglich – keine brauchbare Kamera hätte genügend Filmmaterial fassen können, um 80 Minuten am Stück einzufangen. Die daher unvermeidlichen Schnitte, die hier nach Abschluss einer Plansequenz erfolgen, kaschieren Hitchcock, die Kameramänner Joseph A. Valentine und William V. Skall sowie Cutter William H. Ziegler mittels eines kleinen Kniffs:
Jede der mühselig geplanten Einstellungen endet damit, dass die Kamera ein still stehendes Objekt fixiert – dieses wird aus exakt demselben Winkel auch zu Beginn der nächsten Einstellung gezeigt, so dass die beiden Kamerafahrten vermeintlich zu einer verschmelzen. Hitchcock selbst zeigte sich rückblickend wenig begeistert von seinem ersten Farbfilm, bezeichnete es als gescheitertes Experiment. Aber genauso, wie viele Regisseure stolz auf Werke fragwürdiger Qualität sind, war Hitchcock in diesem Fall zu selbstkritisch: Dieses mit bahnbrechender Technik bestechende Kammerspiel, das unter der Verwendung von sensationellen Setbauten entstand (alles, was hinter den Fenstern zu sehen ist, ist Modellarbeit!), ist faszinierend, ungewöhnlich und hat dank seiner Machart auch eine ganz eigene Atmosphäre. Einschaltbefehl!