'Am Ende verdient doch alles seine Chance!'

Im exklusiven Interview sprechen Jan Josef Liefers, Justus von Dohnányi und Stefan Kurt über ihre Arbeit an dem Small-Budget-Krimi «Desaster».

Zur Person Justus von Dohnányi:

Der in Lübeck geborene Justus von Dohnányi ist als Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor aktiv. Sein Debüt als Schauspieler feierte er 1993 in der TV-Serie «Flash - Der Fotoreporter». Auf der Leinwand war er erstmals sechs Jahre später zu sehen. Es folgten Engagements in diversen Fernseh- und Kinofilmen, sein Regiedebüt gab Von Dohnányi 2007 mit «Bis zum Ellenbogen». Zu seinen bekanntesten Rollen gehört seine preisgekrönte Darbietung des Schlagersängers Bruce Berger in beiden «Männerherzen»-Kinofilmen.
Als ich «Desaster» in der Pressevorführung gesehen habe und anschließend um das Feedback gebeten wurde, war mein erster Gedanke zum Film „Voll auf die Fresse!“. Daraus entwickelte sich ein nettes Gespräch mit der Pressebetreuung des Filmes, die mir erklärte, dass es eine sehr hohe, geschlechtsspezifische Diskrepanz innerhalb der Meinungen gibt. Die Männer feiern den Film, wohingegen die Frauen mit ihm überhaupt nichts anfangen können. Wie erklärt Ihr Euch das?

Justus von Dohnányi: Das ist nicht zu erklären! (lacht)

Jan Josef Liefers: Zunächst einmal sei gesagt: So ganz kann das ja nicht stimmen, denn Sie sind ja schon mal eine Frau.

Das stimmt.Der Film ist klasse!

Justus von Dohnányi: So, und was ist da jetzt schiefgelaufen? Da stimmt doch irgendwas nicht.

Bietet er dem weiblichen Zielpublikum möglicherweise nicht den Stoff, den es braucht, um am Film Gefallen zu finden?

Justus von Dohnányi: Das stimmt. Ein richtiges Happy End bietet der Film ja nun schon mal nicht.

Habt Ihr denn tatsächlich extra einen Film für Männer gemacht?

Justus von Dohnányi: Nein, das nicht. Aber es ist natürlich ein in erster Linie von Männern gemachter Film. Vielleicht ist es auch der schwarze Humor, der etwas derbere Humor und der Slapstick, der mit eine Rolle spielt, das kann schon sein.

Jan Josef Liefers: Vielleicht wollen Frauen in einem Film auch immer jemanden lieb haben. Und damit machen wir es ihnen jetzt natürlich nicht so leicht. Obwohl, ich muss sagen, wir sind eigentlich drei sehr liebenswerte Kerle.

Stefan Kurt: Also man kann jeden verstehen.

Jan Josef Liefers: Wir sind auf jeden Fall drei Baustellen. Das mögen Frauen ja auch. Vielleicht sollten wir diese Erkenntnis mehr in die Öffentlichkeit bringen, damit mehr Frauen diesen Film gucken! (lacht)

Der Film hat insgesamt 700.000 Euro gekostet. Sieht aber nach Leinwand aus, obwohl es sich eigentlich um ein niedriges Fernseh-Budget handelt. Wie hat das die Drehbedingungen beeinflusst und was habt Ihr gemacht, um es am Ende dann doch noch groß aussehen zu lassen?

Zur Person Jan Josef Liefers:

Der 1964 in Dresden geborene Theater-, und Filmschauspieler Jan Josef Liefers gehört seit 1986 zum Who-is-Who der deutschen Schauspielszene. Aktuell ist er regelmäßig an der Seite seines Kollegen Axel Prahl zu sehen und stellt mit ihm gemeinsam das Ermittlerteam des Münsteraner «Tatort». Zu seinen bekanntesten Filmen gehören unter anderem «Das Wunder von Lengede», «Der Baader Meinhof Komplex» sowie «Nacht über Berlin». Neben seiner seiner Tätigkeit als Akteur ist Liefers auch als Sänger der Band Radio Doria aktiv, die in diesem Jahr zum Teilnehmerfeld des Bundesvision Song Contest gehört.
Justus von Dohnányi: Wir haben das wenige Geld, das wir zur Verfügung hatten, möglichst ins Bild gesteckt und nicht etwa in die Gagen der Schauspieler, die teilweise für weniger oder sogar für umsonst gearbeitet haben. Darüber hinaus hatten wir mit Marco Kantis einen Produzenten, der sich auch in der Postproduktion schwer dafür ins Zeug gelegt hat, Gelder, die man ansonsten gar nicht so sehr auf der Uhr hat, mit möglichst guten Verträgen auszuhandeln. Wir haben uns zum Beispiel im Schnitt oder bei der Tonmischung in die Lücken reingesetzt, wenn bei den entsprechenden Betrieben gerade wenig los war und man somit preiswert arbeiten konnte.

Stefan Kurt: Und wir hatten einfach Glück!

Justus von Dohnányi: Natürlich hatten wir auch viel Glück, klar!

Stefan Kurt: Wir hatten Glück mit dem Wetter, wir hatten Glück mit den Locations und es haben eben teilweise viele Leute auf ihr Geld verzichtet. Manche Dinge sind uns aber auch tatsächlich zugefallen. In der Szene, in der ich am Flughafen ankomme, war es eigentlich gar nicht geplant, dass man da Flugzeuge im Bild sieht, da wir dafür kein Geld zur Verfügung hatten. Aber zufälligerweise kam dieses Flugzeug eben gerade vorbei, der Pilot war zu allem Überfluss auch noch Schweizer…

Justus von Dohnányi: … du bist ja auch Schweizer…

Stefan Kurt: … genau, also bin ich zu dem hingegangen…

Justus von Dohnányi: ... und die kennen sich alle! (lacht)

Stefan Kurt: Ich habe den Piloten gefragt, ob er uns helfen könne. Er sagte, das kein Problem und schon konnten wir auf dem Flugfeld drehen.

Justus von Dohnányi: Das Hauptmotiv haben wir auch umsonst bekommen. Das Haus haben uns Freunde umsonst zum Dreh zur Verfügung gestellt. Das war natürlich ein unglaublicher Knaller, weil die ganze Arbeit verdammt toll lief. Das Haus hat uns genau das geboten, was im Drehbuch drin steht, gleichzeitig konnten wir auch darin wohnen, was natürlich auch eine große Rolle spielt.

Zur Person Stefan Kurt:

Der Schweizer Stefan Kurt begann seine Arbeit als Schauspieler am Thalia Theater in Hamburg. Seit 1993 ist Kurt vorzugsweise im TV-, und Filmsegment anzutreffen. Zu seinen beeindruckendsten Darbietungen gehört sein Engagement im Rahmen des Fernsehevents «Dreileben», für das er 2012 mehrfach nominiert und ausgezeichnet wurde. Bereits in Justus von Dohnányis Regiedebüt «Bis zum Ellenbogen» spielte Kurt an der Seite von seinen Kollegen Liefers und Von Dohnányi. Weitere bekannte Projekte: «Die Affäre Semmeling», «Große Mädchen weinen nicht» und «Ein Tick anders».
Jan Josef Liefers: Und das Können des Kameramannes spielt natürlich auch mit hinein. Ralf Noack konnte mit dem wenigen Geld, das wir für ihn zur Verfügung hatten, optimal umgehen und auf dieser künstlerischen Klaviatur einfach super spielen. Das sind die Zutaten. Am Geld lag es nicht!

Ihr wusstet ja als Schauspieler auch, was Euch erwartet und habt den Film unter anderem auch mitfinanziert. Wie ist das, wenn man sich bewusst auf ein derartiges Experiment einlässt? Merkt man da das Risiko, wenn man weiß, dass man da jetzt Geld reinsteckt?

Justus von Dohnányi: Wir haben in diesem Fall in erster Linie unsere Arbeitskraft und unsere Zeit ins Projekt gesteckt. Und das Risiko ist da eigentlich eher, ob man damit insgesamt auf die Nase fällt. Wenn man damit irgendwann in die für uns schwarzen Zahlen kommen sollte, dann freuen wir uns darüber sehr, aber für uns war es wichtiger, dass wir mit dem Ergebnis zufrieden sind.

Wie präsent ist diese Angst, dass man damit eben doch auf die Nase fliegt, wenn man sich an der allgemeinen Meinung orientiert, dass das deutsche Genrekino eigentlich ja sowieso schon längst tot ist?

Justus von Dohnányi: Nicht während man das macht. Angst ist sowieso ein viel zu großes Wort. Höchstens Sorge, aber nicht, wenn man bei der Arbeit ist. Das wäre ja furchtbar, wenn man die ganze Zeit mit einer Schere im Kopf seinen Beruf machen würde.

Jan Josef Liefers: Am Ende verdient doch alles seine Chance. Jemand, der ein Gedicht schreibt, weil er gerade unterm Baum liegt, auch das hat die Chance, von Leuten gelesen zu werden. Die Frage ist halt, wie viele sind es. Der Ablauf im Kino ist heutzutage knallhart. Jede Woche neue Premieren, Filme mit unglaublich viel Geld, die große Budgets für die Werbung haben: Das alles hatten wir ja überhaupt nicht. 700.000 Euro ist halb so viel wie ein «Tatort» und wenn man sich da so sieht, dann ist eigentlich mehr die Frage: Wie finden wir jetzt so schnell die Leute, denen dieser Film genauso gut gefällt, wie uns? Wie kommt man an die ran? Was müssen wir machen, dass diese Leute wissen, dass es diesen Film gibt? Und das ist eigentlich bis zum Schluss die einzige Frage, auf die man nie so richtig die Antwort kennt. Aber Angst ist eigentlich nicht im Spiel.

Stefan Kurt: Das darf auch einfach nicht sein. Gerade die Tatsache, dass wir uns kennen, sogar schon länger kennen ließ uns alle drei Einfluss auf die Arbeit nehmen. Wir wussten, dass wir gar nicht so ein riesengroßes Teil drehen wollen. Wir wollten kein Team, das 50 oder 60 Leute hat. Stattdessen haben wir immer gesagt: „Wir wollen so viele Leute haben, dass wir am Abend eines jeden Drehtages alle an einer langen Tafel platznehmen können. Das haben wir geschafft und das hat sich bewährt. Es ist schon eine sehr spezielle Art, so zu arbeiten. Die kriegt man auch nicht jedes Mal, weshalb ich mich auch sehr auf die Dreharbeiten gefreut habe.

Wir bedanken uns sehr herzlich bei den drei Herren für dieses angenehme Gespräch!
14.07.2015 12:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/79465